Hamburg: Europas Hub im Eisenbahngüterverkehr

Der Güterverkehr auf deutschen und europäischen Verkehrsachsen wird in den kommenden Jahren weiter wachsen und erfordert den Ausbau vorhandener Strecken sowie den Neubau von Verbindungen. Da rund 14 Prozent aller Schienengüterverkehre Deutschlands ihren Versand- oder Empfangsort im Hamburger Hafen haben, lud Hafen Hamburg Marketing e.V. (HHM) am Mittwoch in Hamburg zur Konferenz "Hamburg: Europas Hub im Eisenbahngüterverkehr" ein.

Mehr als 180 Teilnehmer aus Industrie, Handel, Verkehrswirtschaft, Institutionen und Verbänden trafen sich in den Tagungsräumen des Hotel Hafen Hamburg und erörterten die Herausforderungen und Chancen für den Eisenbahngüterverkehr. Besonderer Fokus lag dabei auf dem Seehafen-Hinterlandverkehr und den verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa. Nach der Begrüßung durch HHM Vorstand Claudia Roller und dem Grußwort von Staatsrat Dr. Stephan Hugo Winters, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Freie und Hansestadt Hamburg, erläuterte Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, einige Ziele des "Aktionsplan Güterverkehr und Logistik", der Anfang September veröffentlicht wird. Ferlemann machte deutlich, dass dem zügigen Ausbau der Seehafenanbindungen und dem Ausbau der vorhandenen Schieneninfrastruktur von Seiten seines Ministeriums höchste Priorität zukäme. Für das Projekt der Fahrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe rechnet Ferlemann mit einem baldigen Planfeststellungsbeschluss. Nach erfolgter Zustimmung durch die Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein könnte dann mit dem Start der Fahrrinnenanpassungs-Maßnahmen noch 2011 begonnen werden. Bei Infrastrukturprojekten dieser Größenordnung gelte für ihn: Gründlichkeit in der Planung vor Schnelligkeit. Auch die Ausbauplanungen für den Nord-Ostseekanal seien angelaufen und von nationalem Interesse. Für den Güterverkehr auf der Schiene ging es zunächst um die Beseitigung von Verkehrsengpässen. Ferlemann sieht deshalb zunächst Investitionen in die Ertüchtigung des bestehenden Netzes. Auch die bereits vorhandenen Privatbahn-Netze sollen durch gezielte Fördermaßnahmen und mit Beteiligung der Länder und Privatbahnen gestärkt werden. Für das Projekt Y-Trasse würde die auf fünf Jahre geschätzte Planung jetzt beginnen.

Torsten Schein, Leiter Netzinvestitionen DB Netz AG, stellte Planungen und Investitionsrahmen des Sofortprogramms Seehafen Hinterlandverkehr (SHHV) vor und wünschte, in Richtung Berlin gesprochen, mehr Planungssicherheit. In enger Abstimmung mit der Bundesregierung sollten für einen Planungszeitraum von 5 bis 6 Jahre Kernprojekte und deren Finanzierung künftig verlässlich abgesichert werden. Neben der Planung und Finanzierung von Neubaustrecken sei vor allem die Bestandsfinanzierung mit einer jährlichen Größenordnung von 1,7 Mrd. Euro eine enorme Herausforderung für die DB Netz AG. Auch durch Europa vorgegebene Investitionsprojekte, wie z.B. das ECTS-System, wären bei einer möglichen Größenordnung zwischen 2,7 Mrd. Euro bis zu 4,4 Mrd. Euro eine große Belastung. Auch die mehrfach weit über die gesetzlichen Auflagen hinausgehenden Anforderungen an Lärmschutzinvestitionen entlang der Schienenstrecken seien häufig Ursache für vorher nicht von der DB Netz AG planbare Mehrkosten. Dies müsse sich ändern.

Harald Kreft, Mitglied der Geschäftsleitung der Hamburg Port Authority (HPA), wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die Hamburger Hafenbahn gegenüber den europäischen Westhäfen im Krisenjahr 2009 Marktanteile dazugewinnen konnte. So sei der Hamburger Hafen im Containerverkehr auf der Schiene von und nach Ländern in Osteuropa mit einem Anteil von 82 Prozent deutlicher Marktführer gegenüber Häfen wie Rotterdam und Antwerpen. Vor diesem Hintergrund sei auch eine stärkere Einflussnahme auf die durch Brüssel entwickelten Vorschläge zu Güterverkehrs-Korridoren in Europa erforderlich, um die Interessen der im Schienenverkehr führenden deutschen Seehäfen einzubringen. Hier bestünde aus Sicht von Kreft bei der Planung der TEN-T Netze und ERMTS-Korridore noch erhöhter Nachhol- und Korrekturbedarf. Auch bei der Zahl der auf dem Hafenbahn-Netz zugelassenen EVU ist Hamburg mit 80 Unternehmen im Vergleich zu Rotterdam (12) und Antwerpen (10) gut aufgestellt.

In der anschließenden Diskussionsrunde mit den Teilnehmern Ulrich Koch, Geschäftsführer Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) und Michail Stahlhut, Vorstand Osthannoversche Eisenbahnen AG (OHE) wurde unter anderem eine effizientere Trassennutzung, der Ausbau der Bahnknoten und Nebenstrecken sowie eine in ganz Europa umzusetzende Öffnung der Schienennetze gefordert.

Im zweiten Teil der Konferenzveranstaltung präsentierte zunächst Dr. Sebastian Jürgens, Vorstand Hamburger Hafen und Logistik AG, das Intermodalkonzept des Unternehmens. HHLA setze mit seinen Produkten auf eine hohe Auslastung der Containerzüge im Hauptlauf, die ab Hamburger Hafen direkt auf HHLA-Hub Terminals im Binnenland, wie z.B. Prag, eingesetzt werden. Dort erfolge dann erst die Zuordnung der Container auf die verschiedenen via Prag bedienten Zieldestinationen. In Richtung nach Hamburg laufe dieses effiziente Produktionskonzept ebenso. Der Vorteil für die Kunden sei die festgelegte Abfahrtenfrequenz je Richtung, die alle sechs Stunden einen Containerzug je Richtung garantiere. Hinzu käme eine bessere Kapazitätsausnutzung durch moderne Wageneinheiten, die je Zug nun 92 TEU Kapazität erlauben. Weitere HHLA-Hub Terminals werden dieses System erweitern.

KR Friedrich Macher, Prof., VD/Sprecher des Vorstands Rail Cargo Austria AG, wies auf die Besonderheiten im österreichischen Güterverkehrsmarkt hin, der in Europa auf die sonst nirgendwo erreichte Marke von 30 Prozent Schienenanteil am Güterverkehr kommt. Zu erklären ist dies vor allem mit den in Österreich besonders geförderten Anschlussverkehren. Rund 1.200 Anschlussbahnen mit einem Jahresaufkommen von ca. 65 Millionen Tonnen liefern einen großen Teil des Gesamtgüteraufkommens von Rail Cargo Austria, das 2009 auf 120 Millionen kam. Rail Cargo Austria positioniert sich als europäisches Eisenbahn-Logistikunternehmen und sieht vor dem Hintergrund wachsender Gütermengen die Lösung in einem zielgerichteten Ausbau des Netzwerks. Kooperationen mit ausgewählten Partnern ist für Macher die Zielvorgabe. Der Eigenproduktionsanteil läge deshalb auch nur bei 25 Prozent. Grüne Logistik wird laut Macher vermehrt Nachfrager finden. Schwierig sei die Realisierung angemessener Preise für grüne Logistikleistungen.

Anschließend wies Dr. Bernd Pahnke, Hafenbeauftragter Nord der DB Schenker Rail, darauf hin, dass bereits im Juni 2010 mehr Container im Hamburger Hafen per Bahn auf die Reise gingen als im vergleichbaren Vorkrisen- und Rekordjahresmonat Juni 2008. Allein im ersten Halbjahr 2010 transportierte DB Schenker im Containerverkehr zwischen dem Hamburger Hafen und dem Binnenland rund 920.000 TEU. Der umweltfreundliche Containertransport per Eisenbahn liefere auch einen beachtlichen Beitrag zur Einsparung von CO2 und entlaste den Verkehr auf den Straßen. Auch Pahnke sieht für grüne Logistik zwar Interesse, aber immer noch auf Kundenseite eine Zurückhaltung bei der Übernahme von Mehrkosten. Für DB Schenker ist der Hamburger Hafen mit einem Güterverkehrsanteil von 12 Prozent und einem Anteil von 30 Prozent im KV-Verkehr der größte Ladungsbringer. Pahnke wünscht sich zur besseren Bewältigung wachsender Gütermengen im Zu- und Ablauf des Hamburger Hafens eine noch ausgefeiltere Abstimmung und einen durch erweiterte IT-Lösungen noch besseren Informationsaustausch aller am Transport Beteiligten. Zur Entlastung der Infrastruktur im Hafen seien hafennahe und hafenferne Bahn-Hubs eine denkbare Lösung zur Abpufferung von Mehrmengen.

In der folgenden Diskussionsrunde beteiligten sich als zusätzliche Gesprächspartner Alfred Manke, Mitglied der Geschäftsleitung, Seefracht Central Europe bei Kühne + Nagel (AG & Co.) KG und Raimund Stüer, Vorstand TX Logistik AG. Für Alfred Manke wäre eine in Binnenland-Hubs erfolgende Vorsortierung der Container für die einzelnen Terminals im Hamburger Hafen, die damit einen Stopp im Rangierbahnhof Maschen erübrigen würde, ein möglicher Ansatz zur Optimierung. K+N setzt sehr stark auf Bahnverkehre. TX Logistik transportiert über die Unternehmen boxXpress und TX Logistik rund 400.000 TEU im Jahr. Am Rangierbahnhof Maschen laufen diese Containerzüge zum größten Teil vorbei und werden über den Hafenbahnhof Alte Süderelbe auf die Hamburger Hafenterminals verteilt oder dort für die Fahrt in das Binnenland gebildet. Das Zusammenstellen der Züge im Hamburger Hafen übernimmt für TX Logistik die HGK. Die deutschen Häfen kommen im gesamten Güterverkehr der TX Logistik auf einen Anteil von rund 50 Prozent. Raimund Stüer sieht noch Verbesserungspotenziale im Schienengüterverkehr durch eine noch effizientere Ausnutzung der bereits vorhandenen Trassen und wünscht sich eine 7-tägige Betriebsbereitschaft über 24 Stunden bei bestimmten Inland-KV Terminals. Es kann nicht sein, so Stüer, dass die Hafenterminals inzwischen an 24 Stunden die komplette Woche betriebsbereit sind und auf der anderen Seite der Transportkette im Binnenland die dortigen Terminals nur eingeschränkt abfertigen.

Hafen Hamburg Marketing Vorstand Claudia Roller bewertete die in dieser Programmgestaltung erste Fachveranstaltung zum Thema Eisenbahngüterverkehr in Hamburg als eine hervorragende Informations- und Diskussionsplattform und beabsichtigt im kommenden Jahr in ähnlicher Form eine Fortsetzung. Claudia Roller: "Als Hafen Hamburg Marketing e.V. engagieren wir uns thematisch entlang der Transportketten und bringen mit unseren Veranstaltungen die Beteiligten dieser Verkehrsströme zusammen. Damit bieten wir eine ausgezeichnete Networking-Plattform und befördern den Meinungsaustausch innerhalb der verschiedenen Marktteilnehmer."

Quelle: MyLogistics
Portal: www.logistik-express.com 

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar