INNOVATOR: Die Raketensegler vom Genfersee

Der Geschwindigkeitsrekord beim Segeln liegt derzeit bei 121 km/h. Eine Gruppe junger Ingenieure aus der Schweiz will nun einen neuen Rekord aufstellen: 150 km/h! Ihre Konstruktion dafür könnte sogar die Transportschifffahrt revolutionieren. 

Im November 2012 schrieb der Australier Paul Larsen Geschichte. Mit der „Vestas Sailrocket 2“, einer Segelboot-Sonderanfertigung, gelang es dem Skipper vor der Küste Namibias mit 121 km/h (65,45 Knoten) über das Wasser zu preschen – und damit einen neuen Geschwindigkeits-Weltrekord im Segeln aufzustellen. Dieser hat trotz zahlreicher späterer Weltrekord-Versuche bis heute gehalten.

 

Jet mit Wasserkontakt: Der „SP80“ soll 2022 den Rekord für Segelboote auf 150 km/h schrauben. © SP80

 

Drachen statt Segel

Wenn es nach drei Schweizer Studenten vom Polytechnikum Lausanne (EPFL) geht, dürfte sich das schon bald ändern: Xavier Lepercq, Mayeul van den Broek und Benoît Gaudiot, Altersdurchschnitt 25 Jahre, sind fest entschlossen, das schnellste Segelboot der Geschichte zu bauen. Und Larsens Weltrekord innerhalb der nächsten zwölf Monate zu pulverisieren. 

Das vom EPFL-Team angepeilte Weltrekord-Tempo: 150 km/h oder 80 Knoten (worauf übrigens auch der geheimnisvolle Projektname „SP80“ hinweist).

SP80-Team: Mayeul van den Broek, Xavier Lepercq, Benoît Gaudiot (v. l. n. r.) © Guillaume Fischer

 

„Wir wollen mit unserem Boot die Codes des Segelns  aufbrechen“

Der Schlüssel zu der ange­strebten Pionierleistung? „Statt mit einem Segel an­getrieben zu werden, soll das Boot von einem Drachen ge­zogen werden“, sagt Mayeul van den Broek, SP80­-Projekt­manager. So ließe sich defini­tiv mehr Geschwindigkeit herausholen. Am Boot selbst – einem Trimaran mit einem Hauptrumpf und zwei kleine­ren Tragflügeln – wird vor allem an der Verbesserung der Stabilität gearbeitet.

„Das Streben nach Stabilität führt letztlich zum Erfolg“, ist van den Broek überzeugt. Die Besonderheit beim SP80 ist ein System, das die soge­nannte Kavitation (Bildung von Luftblasen im Wasser während des Segelns, Anm.) verhindert und damit das Boot bei hohen Geschwindig­keiten ruhiger über das Was­ser gleiten lässt.

 

Tests am Genfersee

Nach dem offiziellen Start des Projekts vor rund einem Jahr hat das Team die ver­gangenen Monate damit ver­bracht, die Details des Kon­zepts zu überprüfen und ein verkleinertes Modell auf dem Genfersee zu testen. Dutzen­de Male waren die drei – be­reits rekordverdächtig schnell – mit dem schwimmenden Labor unterwegs und haben dabei neue Rümpfe, Anhän­ger oder Flügel ausprobiert. Im Frühling dieses Jahres wollen sie mit dem Bau des Bootes in Originalgröße (9 × 5 m) beginnen. Anfang 2022 soll der Prototyp dann erstmals ins Wasser kommen und in den Monaten darauf einen ersten Rekordversuch starten.

 

Zukunft Windkraft

Beim Projekt SP80 geht es jedoch um mehr als nur um Temporausch. „Wir wollen mit diesem Boot die Codes des Segelns aufbrechen“, sagt van den Broek. „Und wir wollen die Grenze dessen ausloten, wie Wind als einzi­ge Energiequelle für künftige Anwendungen zum Einsatz kommen kann.“ Schnelles Segeln bietet nämlich großes Potenzial für den Transport auf Wasser. Von SP80 soll in Zukunft die ganze Welt profitieren.

 

Dieser Text erschien ursprünglich in der Print-Ausgabe von INNOVATOR by The Red Bulletin. Das Magazin erzählt von innovativen Menschen und zukunftsträchtigen Ideen und inspiriert uns damit, die Welt von morgen mitzugestalten.

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