INNOVATOR: Die Raketensegler vom Genfersee
Der Geschwindigkeitsrekord beim Segeln liegt derzeit bei 121 km/h. Eine Gruppe junger Ingenieure aus der Schweiz will nun einen neuen Rekord aufstellen: 150 km/h! Ihre Konstruktion dafür könnte sogar die Transportschifffahrt revolutionieren.
Im November 2012 schrieb der Australier Paul Larsen Geschichte. Mit der „Vestas Sailrocket 2“, einer Segelboot-Sonderanfertigung, gelang es dem Skipper vor der Küste Namibias mit 121 km/h (65,45 Knoten) über das Wasser zu preschen – und damit einen neuen Geschwindigkeits-Weltrekord im Segeln aufzustellen. Dieser hat trotz zahlreicher späterer Weltrekord-Versuche bis heute gehalten.
Drachen statt Segel
Wenn es nach drei Schweizer Studenten vom Polytechnikum Lausanne (EPFL) geht, dürfte sich das schon bald ändern: Xavier Lepercq, Mayeul van den Broek und Benoît Gaudiot, Altersdurchschnitt 25 Jahre, sind fest entschlossen, das schnellste Segelboot der Geschichte zu bauen. Und Larsens Weltrekord innerhalb der nächsten zwölf Monate zu pulverisieren.
Das vom EPFL-Team angepeilte Weltrekord-Tempo: 150 km/h oder 80 Knoten (worauf übrigens auch der geheimnisvolle Projektname „SP80“ hinweist).
„Wir wollen mit unserem Boot die Codes des Segelns aufbrechen“
Der Schlüssel zu der angestrebten Pionierleistung? „Statt mit einem Segel angetrieben zu werden, soll das Boot von einem Drachen gezogen werden“, sagt Mayeul van den Broek, SP80-Projektmanager. So ließe sich definitiv mehr Geschwindigkeit herausholen. Am Boot selbst – einem Trimaran mit einem Hauptrumpf und zwei kleineren Tragflügeln – wird vor allem an der Verbesserung der Stabilität gearbeitet.
„Das Streben nach Stabilität führt letztlich zum Erfolg“, ist van den Broek überzeugt. Die Besonderheit beim SP80 ist ein System, das die sogenannte Kavitation (Bildung von Luftblasen im Wasser während des Segelns, Anm.) verhindert und damit das Boot bei hohen Geschwindigkeiten ruhiger über das Wasser gleiten lässt.
Tests am Genfersee
Nach dem offiziellen Start des Projekts vor rund einem Jahr hat das Team die vergangenen Monate damit verbracht, die Details des Konzepts zu überprüfen und ein verkleinertes Modell auf dem Genfersee zu testen. Dutzende Male waren die drei – bereits rekordverdächtig schnell – mit dem schwimmenden Labor unterwegs und haben dabei neue Rümpfe, Anhänger oder Flügel ausprobiert. Im Frühling dieses Jahres wollen sie mit dem Bau des Bootes in Originalgröße (9 × 5 m) beginnen. Anfang 2022 soll der Prototyp dann erstmals ins Wasser kommen und in den Monaten darauf einen ersten Rekordversuch starten.
Zukunft Windkraft
Beim Projekt SP80 geht es jedoch um mehr als nur um Temporausch. „Wir wollen mit diesem Boot die Codes des Segelns aufbrechen“, sagt van den Broek. „Und wir wollen die Grenze dessen ausloten, wie Wind als einzige Energiequelle für künftige Anwendungen zum Einsatz kommen kann.“ Schnelles Segeln bietet nämlich großes Potenzial für den Transport auf Wasser. Von SP80 soll in Zukunft die ganze Welt profitieren.
Dieser Text erschien ursprünglich in der Print-Ausgabe von INNOVATOR by The Red Bulletin. Das Magazin erzählt von innovativen Menschen und zukunftsträchtigen Ideen und inspiriert uns damit, die Welt von morgen mitzugestalten.