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Knackig bis zum Ladenschluss

Wiens Großbäcker Ankerbrot transportiert täglich 200 Tonnen Backwaren. Die immer mehr werdenden nächtlichen Zustellverbote machen Bündelungsversuche zunichte.

Schon vor 120 Jahren war die Brot-Logistik wohlüberlegt. Dass sich die Ankerbrot-Fabrik auf dem Laaer Berg im südlichen Teil Wiens befindet, hat einen simplen logistischen Hintergrund. Bergab ließ sich der Transport von Brot und Semmeln in die Stadt mit den Pferdefuhrwerken mit weniger Energieaufwand bewerkstelligen. Zurück kamen die Fuhrwerke leer, und da ging es auf den Berg leichter hinauf. Ankerbrot ist heute logistisch flexibel aufgestellt und sieht in der Abwicklung der täglichen Transporte von 200 Tonnen Backwaren aller Art eine ganz wichtige strategische Kernkompetenz, wie Andreas Raub, Logistikleiter bei Ankerbrot, betont. Das Unternehmen, das der deutschen Familie Ostendorf gehört, managt die Transporte zu den eigenen Filialen und in den Lebensmittelhandel mit den eigenen LKW, weil „wir damit wesentlich flexibler in der Disposition sind und nicht externen Unwägbarkeiten ausgeliefert sind“, erklärt Raub im Gespräch mit Logistik express.
 
Nicht nur die LKW werden in Eigenregie gemanagt, auch die Instandhaltung der Flotte bleibt im Haus, weil das kostengünstiger ist als eine Auslagerung an einen externen Fuhrparkmanager. Raub: „Die wollen auch Geld verdienen.“ Ankerbrot produziert 400 verschiedene Produkte vom Brot über Süßes bis zu Toastbrot. Allein in Wien nennt Ankerbrot rund 160 Filialen sein Eigen, die täglich mehrmals mit Frischware beliefert und von 100.000 Kunden frequentiert werden. Dazu kommen noch die Lieferungen zu den Handelsketten wie beispielsweise Spar, Rewe, Hofer oder Zielpunkt. Der Umsatz verteilt sich auf diese zwei Lieferschienen: eigene Filialen und Einzelhandel. 2008 hat Ankerbrot in Österreich mit 1.800 Mitarbeitern einen Umsatz von 145 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Filialen sind die verlängerte Backstube, wohin auch Tiefkühlware gebracht wird, um sie dort in den stationären Backöfen ofenfrisch aufzubacken. Denn Ankerbrot garantiert Frische und die Kunden erwarten auch noch fünf Minuten vor 18 Uhr eine krachfrische Semmel. Aufbacken im Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren herausgebildet, wie auch in der Handelslogistik der Trend immer stärker in Richtung Bündelung der Logistik geht.

Kleine Zeitfenster sind großes Problem
Doch die zunehmenden Nachtanlieferverbote zu den Geschäften verhindern zunehmend das Bündelungsbemühen. Das Problem: Die gesetzlich verordneten Nachtlieferungsverbote werden immer mehr. Beinahe jeden Tag treten solche Verbote in Kraft, die vorschreiben, dass bei Geschäften eine Anlieferung erst ab 6 Uhr morgens gestattet ist. Diese Auflage hängt meist damit zusammen, dass Geschäfte umgebaut werden und seitens der Behörde eine neue Betriebsanlagengenehmigung ausgestellt wird. Sobald eine solche auf dem Tisch liegt, kommt Raub mit seinem Team in Stress, weil er dann mit den LKW möglichst alle Geschäfte ab 6 Uhr beliefern soll.

Zuvor konnten die 130 täglichen Touren durch die Wiener Stadt zeitlich flexibler disponiert werden. Einen LKW um 3 Uhr morgens durch die Stadt zu schicken ist wirtschaftlicher, weil er schnell vorankommt und die Stadt in einer halben Stunde durchquert. Ab 6 Uhr morgens ist auf Wiens Straßen der Teufel los und „braucht der LKW für die gleiche Wegstrecke eineinhalb Stunden“. Das kostet mehr Treibstoff und verdreifacht den CO2-Austoß, gibt Raub zu bedenken. Nicht selten kommt es vor, dass zwei Lieferadressen nicht weit voneinander entfernt liegen, doch wenn für eine Adresse ein Nachtanlieferverbot besteht, kann nur an einer Adresse (weil ohne Verbot) um 3 Uhr abgeladen werden. Und der LKW muss zum Nebengeschäft wegen des Nachtanlieferverbots um 6 Uhr morgens noch einmal kommen. Raub ist in Gesprächsrunden mit der Stadt Wien und der Wirtschaftskammer zu diesem Thema involviert und hat wiederholt auf diesen Hemmschuh hingewiesen. Hier sei die Politik gefordert, die strengen Auflagen des Nachtanlieferverbots zu überdenken, plädiert der Logistiker. (MT)

Logistik express Redaktion: Markus Trostmann

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