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Kommt eine neue Aufbruchstimmung?

Aufwind für Österreichs kleine und mittlere Unternehmen: Es herrscht deutlich mehr Optimismus als anderswo in Europa. Auch die Eigenkapitalausstattung wird als durchwegs ausreichend befunden. Allerdings scheint es ein wenig an Sicherheitsmaßnahmen gegen die nächste Krise zu mangeln.

KMU gegen die Krise – „Der österreichische Mittelstand trotzt den Konjunktursorgen und den Turbulenzen an den Kapitalmärkten und setzt weiter auf eine gute Geschäftsentwicklung“, sagt Helmut Maukner, Country Managing Partner bei Ernst & Young in Österreich. Laut „Mittelstandsbarometer“ rechnen 40 Prozent der Unternehmen in den kommenden Monaten mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage. Mehr als jeder vierte Mittelständler will mehr investieren und zusätzliche Jobs schaffen. Gegenüber dem Jahresbeginn hat sich die Geschäftslage der Unternehmen etwas eingetrübt, ist aber nach wie vor sehr gut: 93 Prozent der Mittelständler bewerten ihre aktuelle Situation positiv. „Der Aufschwung in Österreich hält zwar noch an, hat aber an Kraft verloren und ist deutlich fragiler als noch zu Jahresbeginn“, stellt Maukner fest. „Die Risiken haben eindeutig zugenommen – auch wenn sich die österreichische Wirtschaft derzeit robust zeigt gegenüber der europäischen Schuldenkrise und den wirtschaftlichen Problemen einiger Nachbarländer. Die starke Binnennachfrage und auch das Wachstum in den Schwellenländern sorgen für ausreichend Wachstumsimpulse.“

 

„Die Finanzierung passt!“

Die Kreditversicherung Atradius hat vor kurzem weit mehr als 1.000 Unternehmen in ganz Österreich detailliert nach ihrer aktuellen Situation befragt – mit teilweise verblüffenden Resultaten. So sind etwa erstaunliche 67 Prozent – also genau zwei Drittel – der befragten Firmen mit ihrer Unternehmensfinanzierung sehr zufrieden bzw. „zumindest“ zufrieden. Dabei hat weit mehr als ein Drittel bereits „eine unternehmerische Notsituation durchlebt“, davon wiederum ein durchaus nennenswerter Prozentsatz erst im Vorjahr. Deutlich weniger als die Hälfte (!) gaben an, sich noch nie in einer prekären Lage befunden zu haben. Hingegen erachten mit nur 43 Prozent deutlich weniger Betriebe ihr Eigenkapital als ausreichend für neue Innovationen und Expansionen. Logische Schlussfolgerung aus diesen beiden Ergebnissen: Die Unternehmen sind zwar in der jetzigen Situation finanziell durchaus gut aufgestellt, haben aber nicht ausreichend finanzielle Möglichkeiten, um an einem etwaigen Aufschwung mitpartizipieren zu können.

 

„Der Standort ist ok!“

87 Prozent meldeten, dass sie mit dem Standort des Unternehmens in Österreich sehr zufrieden sind. Während 57 Prozent angaben, gute Kontakte zu Großunternehmen und öffentlichen Trägern zu haben, sehen gleich 91 Prozent (! also praktisch alle) der kleinen und mittleren Unternehmen Benachteiligungen der KMU bei den Ausschreibungsmodalitäten. Deutlich skeptisch äußerten sich die Firmen hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung. Hier glauben 65 Prozent, dass man es hätte besser machen können. Und während knapp die Hälfte mit dem Förderangebot in Österreich zufrieden ist, sehen gleich 72 Prozent der Befragten starken Verbesserungsbedarf auf EU-Ebene. 75 Prozent der KMU sind mit der Qualifikation ihres Personals zufrieden – das allgemeine Problem „Facharbeitermangel“ ist damit natürlich keineswegs gelöst … Keine restlose Zufriedenheit herrscht bezüglich der „Verfügbarkeit von Fachkräften“, auch der Ausbildungsstand könnte nach Meinung der Unternehmen durchaus besser sein. Und noch ein eher erstaunliches Resultat: Nur 21 Prozent der österreichischen KMU glauben, dass sie, um wettbewerbsfähig zu sein, ihre Produkte oder Dienstleistungen noch weiter verbessern müssen. Es herrscht also durchaus Selbstbewusstsein…

 

Insgesamt bewegen sich Österreichs KMU somit sehr positiv gestimmt durch das Jahr 2011. So glauben 75 Prozent der befragten Betriebe, dass es heuer „ein gutes Geschäftsjahr werden“ wird. Angesprochen auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung bis 2015, glauben 34 Prozent der Befragten, dass sich die Situation verbessern wird, und 49 Prozent, dass es gleich gut wie 2011 bleiben wird. 11 Prozent fürchten, dass es „weiterhin schlecht“ bleibt, aber nur 3 Prozent vermuten, dass es zu einer weiteren Verschlechterung kommen wird. (3 % machten keine Angabe.)

 

Gute Eigenkapitalausstattung

„Die letzte Krise hat vielen schmerzlich gezeigt, dass ausreichend Eigenkapital ein lebensnotwendiger Baustein für viele Mittelständler ist, wenn die Gewinne ausbleiben“, sagt Erich Lehner, verantwortlicher Partner für die Agenda Mittelstand bei Ernst & Young. 44 Prozent der Unternehmer gaben beim „Mittelstandsbarometer“ an, über eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent zu verfügen, deutlich weniger (25 %) haben eine Eigenkapitalquote von 20 bis 30 Prozent.

 

Für den Großteil der Befragten (70 %) ist die Unabhängigkeit von Banken ein wichtiger Grund zur Erhöhung der Eigenkapitalquote, für 68 Prozent ist auch eine verbesserte Flexibilität relevant. Doch mehr als die Hälfte der Mittelständler in Österreich (53 %) würde externe Kapitalgeber ablehnen, wenn andere Finanzierungen ausreichen. 44 Prozent der Befragten betrachten die klassische Beteiligungsgesellschaft als wichtigste Quelle, um ihre Eigenkapitalausstattung zu verbessern, gefolgt von strategischen Investoren und der Venture Capital Gesellschaft, die 42 bzw. 40 Prozent der Befragten für wichtig halten. Einen IPO (= Börsegang) hält weniger als jeder vierte Mittelständler (22 %) für wichtig. Um zu verhindern, dass sich der Fachkräftemangel zu einem existenziellen Problem entwickelt, müssen die Unternehmen rechtzeitig gegensteuern. Hier sei Kreativität gefragt, so Lehner: „Ob stärkere innerbetriebliche Weiterbildung, Kooperationen mit Hochschulen oder anderen Mittelständlern aus der Region, flexible Arbeitszeitmodelle insbesondere zur Familienförderung – es gibt viele Möglichkeiten, wie Unternehmen ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern können.“

 

Über den Tellerrand: Jenseits der Grenzen

Der Logistik express wollte es genau wissen und hinterfragte beim international renommierten Consultingunternehmen Roland Berger Strategy die Situation im benachbarten Ausland. Resultat: „Deutsche und internationale Unternehmen bewerten die wirtschaftliche Erholung positiv, jedoch nur teilweise als nachhaltig.“ Gleich 83 Prozent (!) der Firmen weltweit (!) halten kontinuierliche Restrukturierung für unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Parallele zu Österreich: Nur 54 Prozent der internationalen und gar nur 42 Prozent der deutschen Unternehmen setzen auf Risikomanagement, um etwa Rohstoff- oder Währungskursrisiken vorzubeugen.

 

„Nach der schweren Wirtschaftskrise hat sich die Stimmung bei den Unternehmen wieder aufgehellt“, sagt Max Falckenberg, Partner bei Roland Berger. „Inzwischen erwarten in Deutschland 80 Prozent einen Anstieg des BIP von mindestens zwei Prozent in diesem Jahr.“ 2012 rechnen immerhin noch 53 Prozent mit einem solchen Plus. Während 73 Prozent der befragten Unternehmen von einer Umsatzsteigerung von mindestens 10 Prozent ausgehen, befürchtet etwa ein Viertel stagnierende Umsätze im laufenden Jahr. Geteilte Meinungen gibt es – Griechenland, schau obi! – zur Nachhaltigkeit des Aufschwungs. So glaubt gerade einmal die Hälfte der deutschen Unternehmen, dass die wirtschaftliche Erholung lange halten wird. International bezeichnen sogar 71 Prozent der befragten Firmen den Aufschwung als nicht substanziell.

 

Und noch eine deutliche Parallele zur Atradius-Untersuchung: Mögliche Behinderungen für künftiges Wachstum sehen in Deutschland 73, weltweit 68 Prozent in der mangelnden Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter. „Hochqualifiziertes Personal einzustellen und langfristig an das Unternehmen zu binden, sind wichtige Voraussetzungen, um erfolgreich am Markt zu sein. Denn gute Mitarbeiter sorgen für nachhaltiges Wachstum – kein Wunder, dass qualifizierte Fachkräfte immer stärker umkämpft sind“, resümiert Falckenberg.

 

Krisen? Welche Krisen?

Dieses inzwischen sprichwörtlich gewordene Zitat (Anm.: zum ersten Mal „urkundlich erwähnt“ Wissens von Supertramp mit ihrem Album „Crisis? What Crisis?“ anno 1975) hat mit CSC Austria eines der größten IT-Beratungsunternehmen zum Ausgangspunkt für eine umfassende Studie mit mehr als 500 Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Verwaltung gewählt. Das gar nicht unkritische Resultat: Die Hälfte (!) der Befragten meint, dass Regierung und öffentliche Einrichtungen schlecht auf die Wirtschaftskrise vorbereitet waren. Weitere 28 Prozent finden, dass von der öffentlichen Hand mehr getan hätte werden können, und nur 17 Prozent glauben, dass alle Möglichkeiten zur Krisenbewältigung ausgeschöpft wurden. Beachtlich auch die Selbstkritik: Als größte Fehler und Problembereiche der heimischen Wirtschaft nennen 59 Prozent „zu starre Strukturen“, weiters „zu viel Fremdkapital“ (47 %), „zu optimistische Geschäftsannahmen“ (37 %) und „veraltete Infrastruktur, z. B. in Produktion und IT“ (21 %) – Einschätzungen, die sich beinahe identisch durch alle Unternehmensgrößen und Branchen ziehen.

 

Trotz aller Mängel sieht sich unsere Wirtschaft im internationalen Vergleich bei Risikomanagement und Krisensicherheit gut aufgestellt. Gleich 65 Prozent sehen die Austro-Unternehmen im Vergleich mit Mitbewerbern aus anderen Ländern als eher gut auf Krisen vorbereitet. Nur ein Drittel (!) der heimischen Firmen hat jedoch für den „Fall des Falles“ wenigstens einen Krisenplan in der Schublade. Dabei sehen „in Zeiten wie diesen“ mehr als die Hälfte (57 %) der Top-Manager weitere Finanzkrisen als größtes Unternehmensrisiko, gefolgt von Produktions- und Nachfrageeinbrüchen (30 %) und Reputationskrisen (29 %). Auch mögliche „politische Veränderungen“ werden von mehr als einem Viertel (27 %) als Risiko für ihr Unternehmen bzw. ihre Branche bezeichnet. Fehler bei der Planung und Umsetzung von Projekten bewerten jedoch nur 21 Prozent als großes Risiko. Motto: Die nächste Krise kommt bestimmt, aber was wir dann machen, wird uns schon noch rechtzeitig einfallen.  (PJ)

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