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Konjunktur 2011 – alles bleibt anders

Im Rahmen des diesjährigen Neujahrsempfangs des BMÖ präsentierte der Wirtschaftsforschungsexperte Dkfm. Dr. Ewald Walterskirchen die Konjunkturaussichten 2011 aus seiner Sicht. Neben essenziellen globalen Fragen standen die EU und Österreich im Vordergrund. Man kann sagen: Vieles ist im Wandel, aber manches ändert sich wohl nie.

Obwohl der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) sich tendenziell eher mit dem Einkauf beschäftigt, ging es bei den Präsentationen anlässlich des traditionellen Neujahrsempfangs um weitreichendere Themen. Mit Dkfm. Dr. Ewald Walterskirchen konnte ein Vollprofi auf dem Gebiet der Wirtschaftsforschung gewonnen werden, der interessante Einblicke gewährte – sei es über Asien, Österreich oder auch die Europäische Union.

Asien lässt nach

Nach der extremen Expansion 2010 und einem Wirtschaftswachstum von 10,5 Prozent allein in China erwartet Walterskirchen eine Abschwächung für 2011: „Es kommt zu Überhitzungserscheinungen. Nachdem die Wirtschaft jährliche Wachstumsraten von rund 10 Prozent verzeichnete, beträgt die Inflation nun 5 Prozent, die Immobilienpreise sind immens gestiegen. Um die Inflation zu bremsen, hat die Regierung die Zinsen erhöht und die Währung aufgewertet, um die Exporte einzudämmen und so die Übernachfrage zumindest kurzfristig zu bremsen.“

Arabische Krise fast ohne Auswirkung

Derzeit überschlagen sich die Schlagzeilen über Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände sowie Machtumstürze im arabischen Raum. Bis auf das starke Steigen des Ölpreises sieht Walterskirchen kaum Auswirkungen: „Typisch für Krisensituationen wie diese ist, dass der US-Dollar als sicherer Hafen für den globalen Handel angesteuert wird und damit das langfristige Schwächeln des Dollar gegenüber dem Euro aufgrund des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits kurzzeitig gestoppt ist. Natürlich fahren auch weniger Touristen in diese Gebiete, dafür fahren sie woanders hin, das trifft die Wirtschaft insgesamt nicht wirklich, es kommt nur zu Verschiebungen. Geplante Exporte jedoch sind meiner Meinung nach nur kurzzeitig betroffen. Kritisch wäre es, wenn es zu radikalen Mullah-Regimen käme, aber auch diese sind über kurz oder lang auf den Erdölexport angewiesen.“

Schuldenerlass für Griechenland?
Die Wirtschaft der EU wächst trotz Euro-, Schulden- und Südeuropakrise. Für manche der Länder unter dem Rettungsschirm – wie etwa Griechenland – rechnet Walterskirchen mit einem „Haircut“, einem zumindest teilweisen Schuldenerlass. „Zwar sind die betroffenen Länder zuversichtlich, die Rückzahlung zu schaffen, aber ich erwarte im ersten Schritt eine Fristerstreckung zu niedrigem Zinssatz und dann – sollte es in ein paar Jahren immer noch starke Probleme geben – im nächsten Schritt einen Schuldenerlass wie es ihn früher bereits für Polen oder Argentinien gab. Das hängt ganz vom politischen Verhandlungsgeschick ab, beschlossen würde es bei einem Treffen der Finanzleute wie etwa dem ‚Pariser Club‘. Das wird sich in den nächsten drei bis vier Jahren zeigen. So ein Erlass trifft dann in erster Linie die Banken und all jene, die vermeintlich aussichtsreiche Staatsanleihen zu hohen Zinsen gekauft haben.“

Problemfeld Lohnstückkosten
Derzeit sind die Lohnstückkosten und die Verbraucherpreise in Südeuropa noch relativ billig, eine Gefahr sieht Walterskirchen jedoch, wenn diese rascher steigen als in den restlichen EU-Ländern. „Bevor diese Länder, wie etwa Spanien, der Eurozone beigetreten sind, gab es nach starken Preissteigerungen einfach eine allgemeine Abwertung. Allerdings ist das nun nicht mehr möglich, und das stellt diese Staaten vor ein ernsthaftes Problem. Nur wenn es keine weitere Steigerung gibt, besteht die Chance, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Bislang gab es keine Anpassung an die Nordländer, weil eine hohe Inflation niedrige Realzinsen bedeutete und somit große Investitionen in Immobilien oder auch die Infrastruktur. Auch Rumänien wird dieses Problem bekommen! Ist die Inflation einmal höher als die Zinsen, könnte es zudem zu einer neuen Immobilienblase kommen.“

Situation in Österreich
Bei der generellen Konjunkturerholung ortet der Wirtschaftsforscher keine besonderen Probleme. Nur das leichte Zaudern der Industrie ist für ihn hinderlich: „Normalerweise steigen die Exporte und beflügeln die Wirtschaft, wodurch auch die Inlandsnachfrage und damit die Kapazitätsauslastung der Betriebe steigt. Derzeit halten sich jedoch die darauf normalerweise folgenden Ausrüstungsinvestitionen leider noch in Grenzen.

Das Risiko ist jedoch, dass jene Unternehmen, die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, neue Werke im günstigeren Ausland statt in Österreich errichten und damit die Konjunktur bremsen. Da Österreich in den letzten Jahren zur Stützung sehr viel in den Infrastrukturausbau investiert hat und jetzt öffentliche Bauvorhaben verschoben wurden, sieht es auf dem Bausektor eher schlecht aus. Auch die Wohnbaubewilligungen gehen merklich zurück. Dafür steigt der private Konsum langsam, aber stetig an. Um den Schuldenabbau zu finanzieren, ist dringend eine öffentliche Verwaltungsreform nötig! Doppelgleisigkeiten müssen eliminiert, dafür mehr Positionen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Bildung geschaffen werden. Das ist ein langfristiger Prozess, aber dieser sollte besser heute als morgen beginnen“, appelliert Walterskirchen.

Logistik express Redaktion: Angelika Thaler
 

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