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Krise rotes Meer

Mit den Angriffen der Huthi-Rebellen auf westliche Frachter hat sich die Lage im Roten Meer weiter verschärft. Wie schätzen Sie die Situation ein? Wie wird sich der europäische Handel auf eine Krise einstellen müssen?

Tatsächlich sehen wir aktuell, dass der Konflikt im Roten Meer auf absehbare Zeit Bestand haben wird. Wir sehen derzeit, dass die USA und Europa nun direkt intervenieren, über das Pulverfass im Nahen Osten wird seit Wochen diskutiert. Allerdings ist wohl eher nicht damit zu rechnen, dass die Beeinträchtigungen der Suez-Passage langfristig fortbestehen werden. Das politische Interesse der Globalmächte wie China, der USA und Europas an dieser Handelsroute ist dafür zu groß. Eine Fortführung der Angriffe wird in diesem Kontext für die Huthis zunehmend unattraktiver. Dennoch sollten Unternehmen die instabile Lage im Roten Meer für die nächsten Monate und Jahre in ihre Risikobewertung mit einbeziehen. Zweifellos hat dieser multidimensionale Konflikt somit Auswirkungen auf die Planung rund um den europäischen Handel.

Welche Branchen sind am stärksten von Einschränkungen betroffen?
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass besonders die Branchen betroffen sind, die am stärksten von Just-in-Time-Lieferungen aus Asien abhängig sind. Fehlende Produktionsmittel in Form von Werkprodukten oder Rohstoffen machen sich etwa im Maschinenbau, der Medizintechnik sowie in der Pharmaindustrie schnell bemerkbar. Hinzu kommt, dass Lieferengpässe in diesen Bereichen teilweise besonders kritisch sind.

Die 7-10 Tage, die es braucht, um von der Suez- auf die Afrika-Passage umzustellen, führen sicherlich selten zu Komplettausfällen, dennoch könnten komplexe Lieferketten mit geringen Lagerbeständen in Schwierigkeiten geraten. Die deutsche Fabrik von Tesla sorgte hier ja kürzlich für Schlagzeilen, als man einen Produktionsstopp ankündigte. Wichtig ist nun, dass unter Einbezug der branchentypischen Möglichkeiten die Liefernetzwerke so resilient wie möglich gestaltet werden.

Müssen wir mit ähnlichen Einschränkungen wie zu Corona-Zeiten rechnen?
Davon ist nicht auszugehen, auch wenn die Umstellung derzeit einen Kraftakt verlangt und Kapazitäten verknappt. Corona hat primär die Lieferabfertigung in den Häfen und die Containerwirtschaft behindert. Hinzu kamen planerische Unwägbarkeiten. Die Situation in der Suez-Passage betrifft vielmehr die Lieferwege, welche jedoch substituierbar sind. Das macht diese Situation übersichtlicher. Denkbar sind zwei Szenarien: Etwa, dass sich die kritische Lage sukzessive beruhigt. Dies könnte durch die intensivierten Bestrebungen und militärischen Interventionen der USA, des UK und Europas erreicht werden. Sollte dies nicht der Fall sein, ist es grundsätzlich möglich, dass die Lieferrouten langfristig angepasst werden. Dies zieht unter Umständen erhöhte Lagerbestände und Kapitalkosten für Unternehmen mit sich, bleibt aber dennoch eine Option. Dies unterscheidet diese Lage von den Corona bedingten Einschränkungen.

Wie schlägt sich diese Situation auf die Preisentwicklung importierter Güter nieder?
Ich denke, dass wir uns kurzfristig auf die Erhöhung von Preisen für gewisse Güter einstellen müssen. Kapazitäten werden knapp, was die Kosten erhöht, auch Versicherungen steigen und auch die Transportkosten selbst sind nicht unerheblich. Es gibt eine Reihe von Kostenfaktoren, die steigen dürften, selbst wenn die Situation nun zeitnah befriedet wird. Von einer langfristigen Entwicklung wie zu Corona-Zeiten gehe ich allerdings nicht aus. (RED)

LOGISTIK express Journal 1/2024, Politik & Wirtschaft

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