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Lehren aus der Krise

Kostenkontrolle, Ausgabenmanagement, mehr Transparenz und Stabilität in den Lieferketten-Ökosystemen haben jetzt Priorität. IT-Lösungen basierend auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen können Supply-Chain-Managern in dieser Situation wertvolle Hilfe leisten.

Beitrag: Thomas Kofler

Nach der Krise ist vor der Krise. Die letzten Wochen und Monate haben Schwächen in vielen logistischen Ketten aufgedeckt. Jetzt gilt es diese kritisch zu analysieren und dann schnellstmöglich zu beseitigen, um für die nächste Krise gerüstet zu sein. Wo sind Lieferketten abgebrochen? Wo haben sich Lieferungen verzögert? Warum gab es Unklarheit über Kundenbedarfe, die zudem oft sprunghaft anstiegen oder zusammenschrumpfen? Hätten diese Probleme verhindert oder verringert werden können?

Eine Herausforderung war und ist mangelnde End-to-end-Transparenz und Echtzeit-Informationen über Probleme bei Lieferanten und Vorlieferanten sowie Warenbestände entlang der gesamten Lieferkette – vom Vorlieferanten bis zum eigenen Auslieferlager. Hinzu kamen und kommen Service- und Kapazitätsprobleme in vielen Häfen, auf Flughäfen, bei Reedereien und Fluggesellschaften weltweit.

Kundenzufriedenheit.
In der Seefracht ist es für den Warenversender oder -empfänger zum Teil sehr mühsam, herauszufinden wo gerade die dringenden Lieferungen sind. „Blank Sailings“, „Slow Steaming“, Abfertigungsprobleme in den Häfen, längere Laufzeiten werden nicht unbedingt in Echtzeit kommuniziert. Wenn Verschiffungsdaten- oder Ankunftszeiten (ETA) nicht stimmen oder Transportverzögerungen zu spät von Reedereien übermittelt werden, können Ausliefertermine bei Endkunden nicht eingehalten werden. Selbst Grossverlader kennen die Laufzeiten ihrer Containertransporte nur ungefähr und müssen Pufferwarenbestände vorhalten, um eine 100%-ige Lieferfähigkeit Just-in-time sicherzustellen. Dies erhöht die Kosten. Doch auch in Corona-Zeiten sollte der Kunde im Mittelpunkt jeder Supply-Chain-Optimierung stehen. Die heutige Erwartungshaltung im B2B-Geschäft geht klar in Richtung Amazon: 24/7 Zugriff auf Sendungsinformationen, die absolut akkurat und korrekt sind.

Störende Systemvielfalt.
Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaft und Praxis mit dem Thema Supply-Chain-Transparenz – vom Rohstofflieferanten bis zum Endkunden. Hohe Erwartungen wurden mit der Digitalisierung verknüpft. In der Realität haben Supply-Chain-Manager häufig immer noch meist nur eine ungefähre Vorstellung wie viel Ware gerade wo im Einkauf oder Verkauf unterwegs ist.

Die Gründe sind vielfältig. Die Softwarelösungen, die heute bei Versendern, Spediteuren und Transporteuren im Einsatz sind, sind alle Insellösungen. Hinzu kommen Unterschiede bei Datenstandards, Datenumfang und angewandter Semantik bei der SCM-Software.

Es besteht wenig oder keine Interoperabilität. Dies verhindert, dass alle Beteiligten der Lieferkette eine ganzheitliche Sicht auf den Warenfluss haben. Dadurch ist weder ein schnelles Erkennen noch eine proaktive Kommunikation von Lieferproblemen möglich. Insbesondere, wenn die Probleme bei Tier 2- oder Tier 3-Lieferanten ihren Ursprung haben.

Digitale Transformation.
Neue technische Plattformlösungen gestützt auf „Künstliche Intelligenz“(KI) und „Maschinelles Lernen“ (ML) könnten die Arbeit von Supply-Chain-Managern in Zeiten hoher Nachfrageschwankungen, unzuverlässiger Verkehrsträger, gestörter Warenabfertigung in den Hubs erheblich erleichtern und die Transparenz einzelner Lieferketten oder ganzer Ökosysteme massiv verbessern. Hinzu käme eine ganz neue “Customer Experience” als Schlüssel zum Erfolg und zusätzlichen Erträgen.
Verschiedene Softwarehäuser bieten Kunden eine multi-modale Sendungsverfolgung sowie zuverlässige Prognosen auf Basis einer grossen Bandbreite von Informationsquellen und Erfahrungswerten an, die sie mit eine Vielzahl Kunden gesammelt haben. Sie versprechen Einsparungen von beispielsweise 2-3 Prozent bei den Logistikkosten. Damit sind die Kosten für die Plattformnutzung abgedeckt, aber die Steigerungen der Prozesseffizienz noch gar nicht bewertet. Eine Implementierung dauert nur zwei bis sechs Monate je nach Komplexität der Aufgabenstellung.

Zahlreiche Grossverlader in der Chemie-, Papier-, Lebensmittel-, Getränke, Tabak und Prozessindustrie nutzen bereits solche Plattformen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit. Kommt es nun aufgrund der Corona-Pandemie zu einem Nachfrageboom? Bringt sie einen massiven Schub in der digitalen Transformation? Wohl eher nicht. In fast allen Konzernen regiert der Rotstift. IT-Budgets wurden/werden massiv gekürzt oder komplett auf Eis gelegt. Selbst wenn die finanziellen Vorteile neuer IT-Lösungen schnell realisiert werden können, ist die Investitionsbereitschaft des Top-Managements gering.(TK)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2020

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