Logistikimmobilienmarkt im Spagat

Der Logistikimmobilienmarkt in Deutschland stand durch die Vorgabe der großen Auftraggeber 2011 vor großen Herausforderungen, denen sich die Marktteilnehmer stellen mussten. Diese Herausforderungen werden sich im Jahr 2012 etwas verändern, jedoch deshalb nicht einfacher zu bewältigen sein. Adrian Zellner, Senior Consultant der Realogis Investment GmbH, hat vier Szenarien für Projektentwickler und die logistiktreibende Wirtschaft entworfen.

Logistiker brauchen geringe Vorlaufzeiten für die Anmietung von Logistikflächen von einem bis drei Monate. Jedoch stehen zum jetzigen Zeitpunkt landauf landab Hallenflächen ab 10.000 Quadratmeter im Bestand kaum noch zur Verfügung. Für die Umsetzung einer Neubaulogistikimmobilie benötigen Projektentwickler, abhängig von den bisher eingeholten Genehmigungen, sechs bis zehn Monate.

Weit auseinander klafft auch die Zeitschiene zwischen angebotenen und benötigten Vertragslaufzeiten der Mietverträge. Während Spediteure und Logistiker aufgrund der kurzen Laufzeit der ausgeschriebenen Dienstleistung maximal drei Jahre anmieten wollen und können, verlangen Logistikimmobilienentwickler Mietvertragslaufzeiten von mindestens fünf Jahren in sehr guten Lagen. In B-Lagen liegen die Mietvertragslaufzeiten bei mindestens sieben Jahren. Und weit abseits der großen Ballungszentren oder bei einem Spezialbau mit einer eingeschränkten Drittverwendbarkeit sogar bei zehn Jahren.

Viele Projektentwickler haben 2011 die Zeichen der Zeit erkannt und sich bundesweit in guter Lage entsprechende Grundstücke optioniert, teilweise auch gekauft und die entsprechenden Genehmigungen für eine Neubauentwicklung bereits eingeholt. Durch diesen Schritt haben sie sich in eine bessere Situation gegenüber der am Markt vorherrschenden, sehr starken Konkurrenz gebracht. Im Wettbewerb mit anderen Anbietern können sie potenziellen Kunden eine deale Verkehrslage und eine Zeitersparnis durch bereits eingeholte Genehmigungen, Bodengutachten oder Vorbescheide anbieten. Das kann dann zu den ausschlaggebenden Kriterien für den Zuschlag zählen.

Vor diesem Hintergrund, dessen Entwicklung in 2011 seinen Lauf nahm und sich in 2012 verschärft fortsetzen wird, werden sich diverse Player in der Kunst des Spagats üben müssen. Vier verschiedene Szenarien kristallisieren sich aktuellen unterschiedlich stark am Markt heraus.

Szenario 1:
Unternehmen/Auftraggeber mieten langfristig an strategisch wichtigen Standorten in Deutschland
Die großen Unternehmen und Auftraggeber unterzeichnen mit einem Projektentwickler einen langfristigen Mietvertrag und lassen sich eine auf ihren Bedarf angepasste Immobilie bauen. Auf Basis dieses Objektes wird die entsprechende Dienstleistung wie bisher auf ein bis drei Jahre an Logistikdienstleister ausgeschrieben. Nach Ablauf eines Logistikkontraktes schreibt das Unternehmen seine Dienstleistung in den eigenen Flächen am Markt neu aus.

Der Vorteil liegt hier in der Transparenz der Mietpreise, welche er im Angebot an seine Kunden hinterlegen kann, sowie in der Verfügbarkeit einer Halle, die bereits auf den benötigten Bedarf angepasst ist. Das spart eine zeitintensive Suche nach einer geeigneten Lagerfläche. Zugleich ist auch die Ausstattung, Aufteilung und die Lage der Halle bekannt, so dass hier die Angebote ohne divergierende Variablen gut miteinander vergleichbar sind. Nachteilig ist, dass man sich über einen langen Zeitraum selbst an eine Liegenschaft bindet und nicht wie in der Vergangenheit kurzfristig durch Kündigung oder Reduzierung der Lagerkapazität diese Fläche wieder abgeben kann. Demzufolge werden diese Unternehmen einen solchen Schritt nur an strategisch wichtigen Punkten, also vor allem in Werksnähe oder als Zentrallager gehen.

Szenario 2:
Logistikunternehmen erschließen eigene Liegenschaften
Der Logistiker eruiert für sich selbst einen neuen, strategisch wichtigen Standort. Er erschließt sich dort eine neue Liegenschaft, ohne im Hintergrund einen konkreten Auftrag eines Kunden zu haben. Dadurch kann er im Gegensatz zu seiner Konkurrenz bei seinem Kunden eine Bestandsliegenschaft am Zielstandort mit einer deutlich flexibleren Reaktion auf Vertragslaufzeit und Verfügbarkeit als kaum zu schlagendes Angebot platzieren. So sichert er sich die Ausschreibung und den Kunden.

Nachteilig hierbei ist das enorme Risiko, sollte die momentan sehr starke Nachfrage nachlassen und die langfristig angemietete Liegenschaft ganz oder teilweise leer stehen. Ausschließlich die großen Logistikunternehmen in Deutschland haben durch ein internes, großes Netzwerk aus verschiedenen angemieteten Immobilien die Möglichkeit, entsprechende Lagerkapazitäten zu verschieben und ggf. kurzläufige Mietverträge in anderen bewirtschafteten Immobilien zu kündigen. Damit sind jedoch auch erhöhte Kosten durch Umstrukturierung und im schlimmsten Fall erhöhte Transportzeiten und -wege verbunden.

Szenario 3:
Logistikimmobilienentwickler investieren spekulativ
Logistikimmobilienentwickler gehen wie vornehmlich in den Jahren 2006/2007 ins Risiko und investieren spekulativ in einen Neubau ohne bereits einen konkreten Nutzer für diese Fläche zu haben. Bei diesem Szenario ist zu erwähnen, dass die Entwickler aus den Fehlern gelernt haben, welche sie in den Jahren 2008/2009 abseits der absoluten Toplagen eingeholt haben. Hier kam es durch den Einbruch der Wirtschaft und durch den damit verbunden Auftragsrückgang zu einer Kündigungswelle von kurzfristig angemieteten Lagerflächen. Dadurch wurden neuwertigen Immobilien entweder gar nicht erst bezogen oder nach kurzer Zeit wieder geräumt. Durch diese riskante Strategie sind einige Marktteilnehmer in wirtschaftlich enorm unruhiges Fahrwasser geraten. Das resultiert eine gewisse Vorsicht bei den Entwicklern gegenüber diesem Szenario.

Möglicherweise wird eine spekulative Errichtung von Neubauentwicklungen im Jahr 2012 vereinzelt vorkommen. Jedoch wird sich eine solche Entwicklung ausschließlich an den Core-Standorten wie Hamburg, wo eine solche Entwicklung gerade realisiert wird, in München, sowie in Toplagen rund um den Frankfurter Flughafen durchsetzen und finanzieren lassen. Im Idealfall für den Entwickler wurde oder wird auf dem gleichen Areal bereits eine Immobilie von ihm selbst entwickelt. Unter solchen Rahmenbedingungen ist es mit einem Eigenkapitaleinsatz von in der Regel 30 bis 40 Prozent im kommenden Jahr möglich, spekulativ zu bauen.

Szenario 4:
Logistikkontrakt plus Neubau auf kurze Zeit
Industrieunternehmen, Hersteller und Handelsunternehmen schreiben die benötigte Logistikdienstleistung mit der entsprechenden Lagerkapazität auf die Minimallaufzeit für einen Neubau am gewünschten Standort aus. Die an der Ausschreibung beteiligten Logistiker werden sich von ihrem bevorzugten Immobilienentwickler mit dem Hintergrund der Ausschreibungsunterlagen einen passenden Neubau planen lassen und bieten diesen in Verbindung mit ihrer Logistikdienstleistung beim Auftraggeber an.

Dieser Ansatz wurde in der Vergangenheit häufig gelebt und wird mit Sicherheit auch im Jahr 2012 wieder verstärkter durchgesetzt. Das Risiko für Auftraggeber, Logistiker und Projektentwickler ist zwar sehr gering, aber auch hier gibt es mehrere Schwachstellen: Der Mietzins, der vom Logistiker an den Auftraggeber weitergegeben wird, ist aufgrund der minimal benötigten Vertragslaufzeit im Vergleich zu einer langfristigen Anmietung relativ hoch. Gleichzeitig erhält der Logistiker den Auftrag nur für eine gewisse Laufzeit und hat so auch nicht die Möglichkeit, entsprechend langfristige Investitionen in Infrastruktur, Personal und Immobilie zu tätigen. Der Entwickler steht vor der Problematik, dass seine Neubauimmobilie ausschließlich für die abgeschlossene Vertragslaufzeit vermietet ist, hier jedoch kaum eine komplette Refinanzierung möglich ist, da er sonst mit den konkurrierenden Anbietern das Nachsehen haben wird.

Fazit
Wie auch immer sich alle Marktteilnehmer entscheiden, eines wird gewiss sein: Die Mietpreisentwicklung für ältere Bestandsimmobilien ist bereits auf einem seit zwei Jahren gleich bleibenden Level angelangt und es sind momentan kaum noch adäquate, gut zu bewirtschaftende Flächen am Markt verfügbar. Aus diesem Grund und trotz Flächenknappheit können es sich die Bestandshalter nicht erlauben, eine enorme Erhöhung der Mietpreise durchzusetzen. Denn die Neubaupreise befinden sich durch den großen Konkurrenzkampf der zahlreichen Entwickler momentan auf einem niedrigen Mietniveau. Gleichzeitig weist ein Neubau durch eine effizientere Bewirtschaftung sowie eine bessere energetische Bauweise nicht selten das bessere Preis- Leistungsverhältnis auf.

Spannend und entscheidend wird es, für welches von den oben genannten Szenarien sich die Nutzer entscheiden werden. Alle vier Szenarien können für sich der ideale Ansatz für die Realisierung der optimalen Logistikimmobilie sein. Entscheidend ist, durch gute Berater den Überblick zu behalten und die immer unterschiedlichen Vorzeichen für eine solche Entscheidung richtig zu deuten, um sich schlussendlich für die wirtschaftlichste Vorgehensweise und den richtigen Partner zu entscheiden. 

Quelle: MyLogistics
Portal: www.logistik-express.com

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