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Market-Player: Österreichische Post

Das Geschäftsportfolio der Österreichischen Post hat sich sehr gewandelt und stellt heut als modernes und innovatives Unternehmen, als Universaldienstleister den Anspruch der Market-Player zu sein.

Redaktion: Peter Nestler

Herr Oblin, Sie sind bereits viele Jahre in der Österreichischen Post AG. Wie hat sich das Unternehmen aus Ihrer Sicht gewandelt?

Das Geschäftsportfolio der Österreichischen Post hat sich sehr gewandelt, wir sind heute wesentlich breiter, internationaler und stärker aufgestellt. Als ich 2009 zur Post gestoßen bin, haben wir über eine Milliarde Briefe und knapp 50 Millionen Pakete befördert. Das Briefgeschäft ist zwar strukturell rückläufig, aber nach wie vor sehr wichtig, und im österreichischen Paketgeschäft haben wir die Schallmauer von 200 Millionen Paketen durchbrochen, was das starke Wachstumspotenzial unterstreicht.

Wir haben uns von unprofitablen Beteiligungen getrennt, mit der Aras Kargo in der Türkei ein veritables Standbein, und neue, zukunftsfähige Geschäftsmodelle in unser Portfolio aufgenommen, wie zum Beispiel die bank99 oder die Agile Actors, einen griechischen Softwareentwicklungsdienstleister. In den vergangenen Jahren haben wir auch viel in Infrastruktur, Digitalisierung und Nachhaltigkeit investiert, um die Transformation von einer klassischen Postgesellschaft in ein modernes Dienstleistungsunternehmen zu vollziehen. Heute beschäftigen wir konzernweit über 1.000 IT-Experten, damit sind wir eigentlich eines der größten IT-Unternehmen des Landes. Man könnte auch sagen, wir sind heute ein Logistikunternehmen mit starkem Technologiefokus.

Welche Rolle spielt die Österreichische Post heute im Logistikmarkt in Österreich und wie ist die Bedeutung der Post im europäischen Markt einzustufen?

Die Post ist einerseits Universaldienstleisterin, wir sind also mit allen Rechten und Pflichten dafür verantwortlich, an rund 4,8 Millionen Adressen in Österreich Tag für Tag Briefe, Pakete, Werbesendungen und Printmedien zuzustellen. Gleichzeitig hat uns der aktuelle Branchenradar erst kürzlich bestätigt, dass 54 Prozent aller Pakete in Österreich von der Post zugestellt werden. Diese Position verdanken wir dem Vertrauen unserer Kunden, und das haben wir uns hart erkämpft. Durch unsere Beteiligungen sind wir in Deutschland und CEE/SEE bis in die Türkei und Aserbaidschan tätig. Hier haben wir ein sehr performantes Netzwerk aufgebaut, durch das wir im vergangenen Jahr konzernweit 475 Millionen Pakete transportiert haben, davon allein 206 Millionen in der Türkei, wo wir mit Aras Kargo auch die Nummer eins am Markt sind. Ich würde sagen, wir haben ein gutes Standing und sind fest im postalischen Herzen Europas verankert.

Was sind die Stärken der Post, wo möchten Sie mit dem Konzern strategisch hin?
Wir haben rechtzeitig die richtigen Trends erkannt und uns für den E-Commerce und digitale Dienstleistungen gerüstet, das alles unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit. Gerade hier haben wir schon heute einen Standard erreicht, den andere erst in Jahren anstreben. Qualität und Personal sind dabei nie auf der Strecke geblieben, auch deshalb haben wir heute allein in Österreich rund 20.000 top motivierte und leistungsfähige Postler am Start.

Mein Anspruch ist es, auch künftig für Kunden, Mitarbeiter und Umwelt gleichermaßen da zu sein. Die Post soll für ihre Kunden ein modernes, innovatives Unternehmen und gleichzeitig für unsere Mitarbeiter ein attraktiver zukunftsorientierter Arbeitgeber sein. Wir wollen weiterhin Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit sein und als verlässliche Akteur am Kapitalmarkt agieren.

Reicht das bestehende geografische Engagement aus oder hält man die Augen nach Möglichkeiten offen?
Wir halten die Augen immer nach weiteren Wachstumsmöglichkeiten offen. Wir sind als Konzern heute international in 13 Ländern tätig und bieten unseren Kunden in elf Ländern Logistiknetzwerke an, von Österreich bis in die Türkei. Unser primärer Fokus ist es, gemeinsam mit unseren Kunden organisch zu wachsen. Gleichzeitig geht es auch darum, neue geografische Märkte zu entdecken und zu erschließen, in denen wir sinnvolle Einstiegsmöglichkeiten und attraktives Wachstum sehen. Aras Kargo in der Türkei ist etwa ein guter Brückenkopf für Expansionen in der Region, wie auch unser erfolgreicher Schritt nach Aserbaidschan bewiesen hat.

Gibt es andere oder neue Geschäftsbereiche, die eine wirtschaftlich interessante Ergänzung darstellen könnten?
Profitables Wachstum in nahen Märkten ist ja Teil unserer Unternehmensstrategie, dazu gehört auch der Ausbau des Filial- und Digitalangebots für Privatkunden und KMU. In der jüngeren Vergangenheit haben wir unsere Fühler in einige interessante Märkte ausgestreckt, wir bieten etwa mit der bank99 eigene Finanzdienstleistungen an oder stellen mit shöpping den bekanntesten Online-Marktplatz Österreichs.

Mit unserem E-Commerce-Leistungsportfolio, vom Fulfillment mit der Post Systemlogistik bis hin zum Betrieb von kompletten Online-Shops mit der ACL, sind wir auch in völlig neue Geschäftsbereiche eingetreten. Rund um den Brief sind wir mit unserer Tochter Post Business Solutions bei Geschäftsprozesslösungen im Bereich Dokumentenmanagement klare Marktführerin und wachsen profitabel. In Zukunft gibt es sicher noch mehr Synergien und angrenzende Bereiche, in die wir mit unserem Beteiligungs- und Dienstleistungsportfolio vorstoßen können.

Welche Herausforderung bestehen für die Österreichische Post in ihren jeweiligen Märkten, besonders in Österreich?
Im Grunde stehen wir überall vor der gleichen Herausforderung: Die Märkte sind nach wie vor von hoher Inflation und geringen wirtschaftlichen Impulsen geprägt. Für Österreich prognostizieren WIFO und IHS nur ein Wirtschaftswachstum von 0,9 bzw. 0,8 Prozent, auf EU-Ebene sieht es nicht viel besser aus. Diese Rahmenbedingungen beeinträchtigen natürlich die Konsum- und Investitionsbereitschaft von Konsumenten und Unternehmen.

Besonders davon betroffen ist der Handel – sowohl stationär als auch online – der sich jetzt in einer Konsolidierungsphase befindet. Aber wie wir in den letzten Jahren gezeigt haben, können wir als Post nicht nur bei Schönwetter segeln, sondern schaffen es auch, uns unter schwierigen Rahmenbedingungen positiv entwickeln.

Hat sich die Situation bei den Arbeitskräften in Österreich entspannt? In welchen Bereichen gibt es Engpässe?
Man muss das richtig einordnen: Wir waren eines der wenigen Unternehmen, die während der Pandemie weiter Personal eingestellt haben. Andere haben abgebaut, wir haben aufgebaut. Wir haben auch immer betont, dass wir durch Insourcing noch mehr Leistungen selbst erbringen wollen – und dafür haben wir zusätzliches Personal gesucht. Natürlich gibt es besonders gefragte Fachkräfte, wir würden zum Beispiel im IT-Bereich sofort Leute einstellen, deshalb haben wir auch den 280 Gekündigten der UniCredit-Tochter ein Angebot gemacht.

Wir suchen derzeit auch über 1.500 Sommerpostler und haben mehr als 130 Lehrstellen zu besetzen, ein Unternehmen unserer Größe ist ständig auf der Suche. Generell merkt man aber schon, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt temporär etwas entspannt, das zeigt ja auch die wieder steigende Arbeitslosenquote.

Welche Hausaufgaben in der Nachhaltigkeit möchte die Post als nächstes erledigen?
Unser Aufgabenheft ist gut gefüllt. Erst im Februar haben wir die Zustellung in Innsbruck auf 145 E-Fahrzeuge umgestellt, heuer folgen noch Salzburg, Wiener Neustadt und die ersten Bezirke in Wien. Pro Jahr schaffen wir ca. 1.000 E-Fahrzeuge an, gleichzeitig werden wir auch die Leistung unserer Photovoltaikanlagen weiter ausbauen. Bis 2030 werden wir in ganz Österreich auf der letzten Meile CO2-frei zustellen.

Offene Herausforderungen gibt es noch in der Transportlogistik, wo die vielversprechendsten Technologien wie E-LKW oder Wasserstoff-LKW noch nicht wirklich praxistauglich sind. Deshalb setzen wir auch auf Brückentechnologien wie etwa HVO (Hydrotreated Vegetable Oils), also auf einen erneuerbaren Treibstoff, der unter anderem aus Pflanzenfetten und Abfällen hergestellt wird und die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent reduziert.

Sind nach dem Ausbau oder Neubau diverser Logistikzentren noch weitere Großprojekte dieser Art im Inland zu erwarten oder reicht die Abdeckung nun aus?
Unser umfangreiches Ausbauprogramm, mit dem wir etwa die Sortierkapazität im Paketbereich verdreifacht haben, ist vorerst abgeschlossen. Jetzt konzentrieren wir uns bei den Investitionen auf die Schwerpunkte Automatisierung, Digitalisierung, Ausbau der internationalen Logistik und E-Mobilität. Denn mit der Anschaffung eines E-Fahrzeugs ist es ja nicht getan, wir brauchen eine Ladeinfrastruktur und decken den Energiebedarf idealerweise durch eigene Stromerzeugung mittels Photovoltaik.

Es stehen Neuwahlen an – gibt es Ihrerseits Wünsche und Anregungen an die Politik?
Ich plädiere für ein Überdenken der immer weiter ausufernden Regulierung. Statt uns mit Innovationen und deren Skalierung zu beschäftigen, müssen wir uns mit einer immer höheren Regulierungsdichte, wachsender Bürokratie und teilweise gut gemeinten, aber nicht zu Ende gedachten Regelwerken wie der EU-Taxonomie beschäftigen. Ich würde mir einen praxisorientierteren Ansatz wünschen. Und als Brief-Vorstand der Österreichischen Post würde ich mir noch eine stärkere Wahrnehmung der Briefwahl wünschen.

In Zeiten, in denen die Demokratie immer mehr in Gefahr zu geraten scheint, ist es aktueller denn je, die Ausübung des Wahlrechts so niederschwellig und unabhängig wie möglich zu gestalten. Wir bieten eine Reihe von Dienstleistungen an, wie z.B. den Versand von Wahlinformationen, Wahlkarten, Sonderentleerungen von Briefkästen oder die Zuführung an Wahlsonntagen. Diese Möglichkeiten sollten der breiten Masse noch stärker nähergebracht werden.

Wo sehen Sie sich mit der Österreichischen Post in ein paar Jahren? Was wird anders sein?
Ich darf eines der spannendsten Unternehmen Österreichs in die Zukunft führen. Wir wollen noch weiter wachsen, um für unsere Kunden eine relevante Partnerin in der Logistik zu bleiben. Digitalisierung wird noch weiter vorangetrieben werden, ohne das gelbe Herz der Post zu verändern. Wir wollen weiterhin eine starke und verlässliche Partnerin für die Bevölkerung und die Wirtschaft sein, sowohl im Logistik- als auch im Finanzdienstleistungsbereich. Und das alles in Zukunft ohne Verbrennungsmotoren und völlig emissionsfrei. (RED)

LOGISTIK express Journal 1/2024, Handel & Distanzhandel

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