Materialflusssystem steuert Gabelstapler intelligent

Ständig wachsende Anforderungen und schnelle Veränderungsprozesse in der internen Logistik von Alstom Transport benötigen ein ausgetüfteltes Materialflusskonzept. So erhielt der Hamburger Intralogistiker und Gabelstaplerhersteller STILL von dem Schienenfahrzeughersteller den Auftrag für ein intelligentes Materialfluss Management System zur Steuerung der internen Transporte zwischen den Produktionshallen auf dem 123 ha großen Werksgelände in Salzgitter.

Alstom Transport gehört weltweit zu den führenden Komplettanbietern von Bahntechnik und Dienstleistungen rund um die Bahn: Das bekannteste Produkt ist der TGV. Mit etwa 2300 Mitarbeitern entwickelt und produziert Alstom Transport Deutschland Schienenfahrzeuge für den Personen- und Güterverkehr am Standort Salzgitter. Die Produktion von U- und S-Bahnfahrzeugen, Straßen- und Stadtbahntriebwagen sowie Zügen für den Personennahverkehr gehören hierbei zum umsatzstärksten Produktionsbereich.

Ferner befindet sich in einer der 26 Produktionshallen das vom Eisenbahnbundesamt zugelassene Ausbesserungswerk. Neben Umbau- und Modernisierungsarbeiten im Produktbereich der Waggonreparatur bietet Alstom Transport seinen Kunden also auch einen lebenslangen Service.

„Damit etwa jeden vierten Tag ein kompletter Zug ausgeliefert werden kann, müssen die verschiedenen Produktionsstätten auf dem 123 ha großen Werksgelände durch den internen Transport Just-in-Sequence beliefert werden. Gemäß unseren Erfahrungen werden etwa 4 000 Ladungsträger wie etwa Paletten, Gitterboxen und Gitterschränke im Zweischichtbetrieb mit unseren Staplern bewegt. Hierbei war der Leerfahrtenanteil sehr hoch“, erinnert sich Kurt Schingen, Leiter Supply Chain bei Alstom Transport in Salzgitter. Aus diesem Grund hat der Schienenfahrzeughersteller zusammen mit der Still GmbH aus Hamburg ein Materialflusskonzept entwickelt, das den Anteil an Leerfahrten deutlich reduziert.

Das eingesetzte Leitsystem „MMS.i“ optimiert den Einsatz der Flurförderzeuge. Dabei berücksichtigt es wichtige Eckpunkte im Materialfluss, wie etwa den schnellen Abfluss von Waren aus dem Wareneingang und der Produktion oder die zeitgerechte Bereitstellung von Waren im Versand.

In erster Linie versorgt das Materialfluss Management System „MMS.i“ von Still die Produktion mit den im Wareneingang angelieferten Komponenten und Fertigungsteilen aus den Lagern. Transportaufträge werden dabei im „MMS.i“ erfasst und anschließend per Datenfunk an verfügbare Stapler übertragen. Bei der Wahl des Staplers berücksichtigt das Leitsystem automatisch die Tonnage oder optimiert die Zusammenstellung der Ladungsträger für die Anhänger. Bis 9 t Last – auf drei Anhänger verteilt – können die Stapler ziehen. „90 % aller Fahrten führen wir mit Anhängern durch. Dies vermeidet Leerfahrten und bewirkt eine erhebliche Reduzierung der erforderlichen Transportmittel“, erklärt Robert Heuser, Leiter Logistik bei Alstom in Salzgitter.

Im Leitsystem ist ein Artikel immer einem Ladungsträger und Lagerort zugeordnet – auch die Stapler und Anhänger sind solche Lagerorte. Alle Anhänger, Ladungs- und Sonderladungsträger werden via Barcode per Scanner identifiziert und im Materialfluss Management System verwaltet. Wird ein Anhänger eines bestimmten Typs an einer Ladestelle benötigt, sucht das Leitsystem den am nächsten gelegenen freien Anhänger. Die Zuweisung von Anhängern in Art und Menge zu einem bestimmten Stapler erfolgt entweder durch den Leitstand oder manuell durch die Erteilung eines Transportauftrages am PC.

Das „MMS.i“ dient auch als Plattform zur Integration innovativer Datenfunk-Techniken im operativen Lagerbereich. Deshalb sind die Still-Gegengewichtsstapler „RX 70“ mit Tragfähigkeiten von 2,5/3,0 und 4,5 t mit dem leicht bedienbaren Still-Datenterminal „Lambda*4x.i“ ausgerüstet (Bild 4). Per Funk werden die Transportauftragsdaten im WLAN-Netzwerk übertragen. Bei der Erstellung werden diese Daten genau beschrieben, und der Staplerfahrer kann sie sich auf dem Terminal anzeigen lassen.

Zur komfortablen Auftragseingabe dient die anwenderfreundliche Web-Oberfläche. Neu ist auch die übersichtliche grafische Darstellung, die dem Fahrer alle erforderlichen Details anzeigt. In den Stapler-Dialogen sind daher etwa die Ladungsträger in Verbindung mit den Transportzielen als Bilder dargestellt.

Alle von Staplern angefahrenen Bahnhöfe (Materialbereitstellungsflächen) sind an den Halleneingängen angeordnet und mit einem Barcode im Außenbereich für die Identifikation der Zielankunft versehen. Zwei weitere Barcodes sind zur Bestätigung für die richtige Anlieferung im Inneren der Halle angebracht. Die Bestätigung der Auf- und Abgabe der Transporte wird durch Quittierung am Staplerterminal oder durch Scannen der OK-Beschilderung durchgeführt.

Daneben überwacht der Leitstand alle Aufträge im System. Frank Abel, einer der beiden Mitarbeiter im Leitstand, bekundet: „Mit dem Leitsystem hat die Zettelwirtschaft endlich ein Ende gefunden. Viele Fehlerquellen wurden mit dem neuen Leitsystem von Still automatisch ausgeschaltet. Nebenbei lassen sich durch die Auswertung von Systemberichten Stoßzeiten besser vorhersehen. So konnten wir die Steuerung der Transporte effizient steigern.“

Damit die Materialtransporte rechnergestützt optimiert werden können, sind die 84 zu beliefernden Bahnhöfe im Werk derzeit zu zehn Bahnhofsgruppen zusammengefasst. Von einer Gruppe aus erfolgt die Verteilung durch die Stapler an die entsprechenden Bahnhöfe. Überdies werden die einzelnen Transportaufträge so zusammengefasst, dass nach Möglichkeit die Belieferung nur mit einem Anhänger durchgeführt werden kann.

Ein weiteres Ziel der Transportoptimierung war die Vermeidung von Doppelfahrten zur gleichen Gruppe. Zu diesem Zweck wurde im Leitsystem eine Transportmatrix für jede Fahrzeuggruppe und Schicht erstellt, in der die Transportbeziehungen eingetragen werden. Diese beschreiben zugelassene Transporte nur in bestimmten Zeitfenstern. Wenn z. B. die Hallentore verschiedener Bahnhöfe nach Schichtende aus Sicherheitsgründen verschlossen sind, dann werden Transporte auch nicht zugelassen.

Darüber hinaus müssen auch die im Leitsystem eingebundenen Fahrzeuge ebenfalls zu Funktionsgruppen zusammengefasst werden, in denen die entsprechenden Eigenschaften der Stapler hinterlegt sind. Anschließend werden auch diese Staplergruppen in einer weiteren Matrix den gruppierten Bahnhöfen gegenüber gestellt. Auf diesem Wege können die Transportbeziehungen und die zur Abwicklung einzusetzenden Fahrzeuge transparent dargestellt werden. So wird verhindert, dass alle Stapler das gesamte Werk befahren und unnötige Leerfahrten entstehen.

Eine effiziente Reduzierung der Wegstrecken und Transportzeiten ist also nur dann möglich, wenn die Algorithmen gleichzeitig jeden Start- und Zielpunkt berücksichtigen. Dadurch lassen sich alle möglichen Transportkombinationen betrachten.

Wird ein Anhänger für „Leitsystemfremde“ Zwecke benötigt, so kann dieser auf einen virtuellen Stellplatz umgebucht werden, also vom verfügbaren Bestand im „MMS.i“ ausbuchen. Dies erhöht die Flexibilität. Zudem akzeptiert das Leitsystem auch, wenn vom Staplerfahrer über die Arbeitsanweisungen hinaus noch weitere Ladungsträger aufgeladen werden. Hierbei ist das Stapeln der Ladungsträger auf dem Anhänger jedoch verboten.

Im „MMS.i“-Report sind alle Kennzahlen hinterlegt. Damit können ohne weitere Datenaufbereitung z. B. folgende Auswertungen erstellt werden: Auslastungsgrad der Fahrzeuge und Bahnhöfe oder Transportzeiten und Transportaufkommen. Für jeden bewegten Ladungsträger sind daher alle wichtigen Informationen dokumentiert. Diese Daten lassen sich unter Angabe des gewünschten Zeitraumes jederzeit abfragen und werden vom System in eine Excel-Datei geschrieben, die anschließend zusätzlich bearbeitet werden kann.

Schingen zeigt sich mit den konkreten Ergebnissen zufrieden: „Bereits nach einem Jahr haben wir mit dem neuen Materialfluss Management System von Still eine Kosteneinsparung von 20 % erzielt. Heute haben wir eine Produktivitätssteigerung von bereits 78 % erreicht.“

Um den ständig wachsenden Anforderungen und den schnellen Veränderungsprozessen im internen Materialfluss bei Alstom Transport gerecht zu werden, ist die Einführung des Materialflusssystems ein erster wichtiger Schritt. Dieser bildet die Basis für weitere Optimierungen der unternehmensinternen Logistik. Daraus ergeben sich wichtige Anforderungen an die installierte Software für den internen Transport. Über das intelligente Leitsystem erfolgt also nicht nur Disposition, Beauftragung und Steuerung der Stapler. Es muss mehr als nur ein Transportleitsystem sein, eben ein System zum Management von Material- und Informationsfluss.  (Mehr Artikel von Logistik für Unternehmen)

Quelle: MyLogistics       
Portal:  www.logistik-express.com

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