Neue Chancen für Österreich als Logistikstandort im erweiterten Europa


Logistik-Branche und Industrie fordern gemeinsam geeignete Rahmenbedingungen für den Aufbau von „regionalen Distributionszentren“ 

Der Logistik-Trend in Europa geht weg von Zentrallägern, hin zu Regionallägern. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL), der Verein Netzwerk Logistik OÖ und der Zentralverband Spedition & Logistik haben daher gemeinsam ein Positionspapier erstellt, das im Rahmen einer Logistikenquete mit Staatssekretär Kukacka in den Räumlichkeiten der Industriellenvereinigung präsentiert wurde. Darin werden die neuen Chancen Österreichs als Standort für „Regional Distribution Centers“ (RDC) für die Alpenregion und SO-Europa aufgezeigt. Um diese Möglichkeiten in Zukunft nicht zu gefährden, gibt es ein Forderungspapier an die Politik.

Österreichs Logistikwirtschaft hat ihre Chancen im erweiterten Europa genützt


Internationalisierung

Österreich steht im Spannungsfeld zwischen einer verkehrsgeografisch herausfordernden Binnenlage mit den Besonderheiten eines Gebirgslandes und den Chancen als Kernzone einer der wachstumsintensivsten Regionen Europas. Leistungsfähige Logistiksysteme stellen daher für das Hochlohnland Österreich einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar.
Hier hat die wettbewerbsintensive österreichische Logistik- und  Speditionswirtschaft sehr viel Know-how und internationale Verbindungen zu bieten.

Die Globalisierung der Wirtschaft und die Zunahme der internationalen Arbeitsteilung beeinflussen auch den Gütertransport ebenso wie die Veränderungen in Europa auch die Handelsströme verändern. Prognostiziert wird für die nächsten zehn Jahre ein weiterer Anstieg von bis zu 50 Prozent im weltweiten Güterverkehr, speziell in wachstumsintensiven Regionen. Eine Chance für Österreich an der Schnittstelle zwischen alten und neuen EU-Ländern. 

Vorbild Niederlande für Gesamteuropa – Standortvorteile Österreichs für den Alpen-Donauraum
Den Niederlanden ist es gelungen, mit einer vorausschauenden Entwicklung der Logistik-Suprastruktur sowie durch attraktive wirtschaftliche und steuerliche Rahmenbedingungen ihre günstige geographische Lage zu nutzen, um einen großen Teil der  gesamteuropäischen Logistikzentren (EDC) und deren Wertschöpfung anzusiedeln. Die Folge ist ein rund dreimal so hoher Prozentanteil dieses Zukunftsbereiches am Bruttoinlandsprodukt wie in vergleichbaren Ländern.
Im Zuge der Ausweitung der EU und der Verteuerung der Transportkosten werden diese EDC zunehmend durch so genannte „Regional Distribution Centers“ (RDC) ergänzt.

Österreich bietet sich aufgrund seiner geografischen Lage, seiner Verkehrsverbindungen nach West und Ost und seines logistischen Know-hows optimal als Standort für RDCs für die Alpenregion und für SO-Europa an.

Österreichs Qualitäten als Logistikstandort
Die Qualitäten Österreichs als Logistikstandort sind umfassend. Zu allererst bietet sich Österreich als Knotenpunkt der Handelswege zwischen Ost und West sowie Nord und Süd an. Österreich verfügt über ein dichtes Netz von zeitgetakteten, direkten Verkehren ab Wien, Linz, Graz, Salzburg, Innsbruck und Vorarlberg von und nach den Ländern West-, vor allem aber auch Mittel- und Südosteuropas. Und dies für alle Verkehrsträger: So steht Österreich bei der Schienenfreundlichkeit an zweiter Stelle im europäischen Verkehrsträgermix.

In der Binnenschifffahrt ist die Donau ein weiterer zentraler Transportweg zwischen West und Ost/Südost. Österreichs Logistikwirtschaft hat die volle Auswahl je nach Zeit- und Leistungserfordernis – vom Expressverkehr auf der Straße über Ganzzugsverbindungen auf der Schiene bis zum Rhein-Main-Donaukanal. Österreich verfügt auch über die volle Auswahl der Seehäfen im Norden und im Süden Europas.

Im Flugverkehr gilt Wien als eine zentrale Ost-West-Drehscheibe und die heimische AUA als der führende Carrier für Passagiere und für Güter nach Südost- und Osteuropa. Eine Reihe globaler Kurierdienste nutzt Wien als Verteilerzentrum.

Österreich verfügt zudem über ein international anerkanntes hohes Know-how in der Logistik. Hochqualifizierte Speditions-, Logistik- und Transportbetriebe haben eigene europäische und internationale Netzwerke aufgebaut. Und diese Unternehmen finden in Österreich gut ausgebildete Fachkräfte vor – vom Lehrling bis zum Absolventen der Fachhochschulen und Universitäten mit den Studienrichtungen für Transport und Logistik – aber auch Spezialisten für EDV, Organisation und Telekommunikation.

An Infrastruktur verfügt Österreichs Logistikwirtschaft über moderne Terminals mit Hochregallagern, ausreichenden Umschlagsbereichen und guter Verkehrsanbindung sowie über eine erstklassige Kommunikationsinfrastruktur mit Breitbandverbindungen, flächendeckenden Mobilfunknetzen und guten Möglichkeiten der elektronischen Geschäftsabwicklung.

Die österreichische Logistikwirtschaft verfügt aber auch über die notwendige Finanzkraft und über das Know-how von Banken mit dem dichtesten Netz an Zweigstellen in den MOE-Ländern. Nicht zuletzt sind das hohe Maß an Rechtssicherheit, persönlicher Sicherheit und sozialer Stabilität ebenso international anerkannte Standortvorteile wie die hohe Lebensqualität, die Österreich als Headquarter für internationale Industrie und Handelskonzerne empfiehlt. Diese Headquarters schätzen auch die Nähe zur kompetenten heimischen Logistikwirtschaft.


Das Forderungspapier der österreichischen Logistikwirtschaft an die Politik 

 
Die Teilnehmer der Logistik Enquete vom 12.06.2006(v.l.n.r.)

Dkfm. Heinz Wiesinger, Geschäftsführer der Spedition Englmayer; Dr. Max Schachinger in seiner Funktion als Repräsentant des Vereines Netzwerk Logistik Oberösterreich; Dipl.Ing.Paul Senger-Weiss, Gebrüder Weiss; Dipl.Ing. Walter Hitziger, Präsident des Bunderverbandes Logistik (BVL) und Vorstand der Österr. Post AG; Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka; Dkafm. Heidegunde Senger-Weiss, Präsidentin des Zentralverbandes Spedition&Logistik (ZV); Harald Bollmann, Wirtschaftskammer Österreich, Bundesobmann der Sparte Verkehr; Dr. Richard Schenz, Vorsitzender des Infrastrukturausschusses der Industriellenvereinigung; Generaldirektor Friedrich Macher, Incoming-Präsident des ZV und Zentraleuropachef von Kühne + Nagel; Mag. Elmar Wieland, Generaldirektor Schenker & Co; Dr. Norbert Anton, WKO, Abteilung für Verkehr-und Infrastruktur; Dr. Thomas Oliva, Industriellenvereinigung Wien


Stärken stärken, Rahmenbedingungen verbessern für nachhaltigen Erfolg
Diesen Standortvorteil Österreichs für den wertschöpfungsintensiven Bereich der Logistik gilt es zu erhalten. Gerade die Logistikwirtschaft ist eine der wenigen Branchen, die in den letzten Jahren zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hat. Dies wurde auch in den letzten Jahren von den politischen Entscheidungsträgern erkannt und unterstützt.

Aber auch der Wettbewerb beim Aufbau von Logistikzentren in unserer Region ist bereits voll im Gange: Von Bayern über Tschechien, die Slowakei bis nach Ungarn. Ohne weitere, politisch umzusetzende Maßnahmen könnten internationale Firmen ihre Distribution aus Österreich abziehen und ihr RDC für die Alpenregion und SO-Europa in einem Nachbarland ansiedeln. Um zu verhindern, dass Österreich in Zukunft primär als Verkehrstransitland fungiert, die Wertschöpfung aus der Logistiktätigkeit aber im Ausland erfolgt, ist rasches, zielorientiertes Handeln gefragt.

Die Bundesvereinigung Logistik (BVL), der Verein Netzwerklogistik OÖ und der Zentralverband Spedition & Logistik haben gemeinsam Maßnahmen und Forderungen an die politischen Entscheidungsträger ausgearbeitet: 

a) Neutrale Güterverkehrszentren
Die Schaffung von neutralen, d.h. nicht ÖBB-abhängigen Güterverkehrszentren für alle Verkehrsträger. Hier entstand in den letzten Jahren nur eines in der Nähe von Graz. Wien-Inzersdorf ist seit über 15 Jahren nur im Planungsstadium, ebenso Wien-Freudenau. Trotz vielfältiger Bemühungen ist noch immer kein konkreter Realisierungszeitpunkt bekannt. Die heimische Logistik braucht die Stärken aller Verkehrssysteme, um die Anschlussfähigkeit der österreichischen Wirtschaft an die internationalen Märkte sicherzustellen. Nur neutrale Güterverkehrszentren ermöglichen die notwendigen Bündelungseffekte.

 
b) Multimodalität und Durchgängigkeit stärken
Weiters braucht die österreichische Logistik eine leistungsfähige Straßen- und Schienen-Infrastruktur, mit der die Durchgängigkeit und Multimodalität der Verkehrssysteme bei künftig weiter steigendem Güteraufkommen sichergestellt wird.
Hier ist in den letzten Jahren einiges geschehen – noch bleibt aber vieles zu tun!
Wesentlich für die Logistikwirtschaft ist die hochrangige Anbindung per Straße und Schiene nach Osten. Im hochrangigen Straßennetz generell aber vor allem die bedarfsgerechte Durchgängigkeit. Jede Engstelle, z. B. einspurige Tunnels, bedeutet nicht nur Gefahrenquelle, sondern ist laufender Staubildner und damit Behinderer auch für die Logistik.
Im Schienennetz ist aus Sicht der Logistik vor allem der Ausbau in und um Wien und die viergleisige Anbindung durchgängig nach Linz – Passau bzw. Salzburg vorrangig. Wie rasch es gehen kann, wenn notwendige Infrastrukturmaßnahmen politisch durchgesetzt werden, zeigt die vorzeitige Fertigstellung der S1 bis Schwechat, deren Fortsetzung nach Norden aber ebenso dringend wäre.

c) Kraftfahrzeugsteuer an Wettbewerb anpassen
Der Verkehrsträger Lkw ist für hochqualitative Logistik unersetzbar. Diese wird in Österreich inkl. Roadpricing, Kfz-Steuer und Mineralölsteuer mit mehreren Milliarden Euro jährlich belastet. Hier gilt es dringend nicht nur weitere politische Begehrlichkeiten einzudämmen, sondern insbesondere auch die im internationalen Vergleich mit Abstand höchste Kfz-Steuer an den Wettbewerb anzupassen.
Anbieter – vor allem aus osteuropäischen Ländern – haben dadurch zusätzlich zu niedrigeren Löhnen, eklatante Kostenvorteile. Durch den Wegfall der Kontingentierungen mit Bulgarien und Rumänien und durch die Freigabe für Kabotagefahrten verschärft sich diese Situation zusätzlich. Die Absenkung der Kraftfahrzeugssteuer auf ein international wettbewerbsfähiges Maß ist daher für den Standort Österreich unabdingbar, da auch die heimische Logistikwirtschaft im Interesse ihrer Kunden immer stärker veranlasst wird, auf kostengünstige Lkws aus den neuen EU-Ländern zurückzugreifen.

d) Rechtliche und sonstige Bedingungen verbessern
Die österreichische Logistik benötigt rechtliche Rahmenbedingungen, die eine vernünftige Entwicklung ermöglichen. Das betrifft technische und organisatorische Anforderungen ebenso wie finanztechnische oder zolltechnische Verfahren. Hier ist durch die flächendeckende Einführung von e-zoll.at ein erster Anfang geglückt, den es nun noch durch Erfahrungen aus der Praxis zu verbessern gilt. Zu gewährleisten ist, dass diese Systeme die globale logistische Abwicklung unterstützen und nicht behindern oder erschweren. Aus heimischer Sicht muss vor allem die Standortqualität des Wirtschaftsstandortes Österreich Priorität haben.

e) Positive Imagebildung für Verkehr und Logistik
Obwohl im Zuge der Lissabon-Strategie die Bedeutung der Infrastrukturpolitik für das Wirtschaftswachstum klar erkannt wurde, wird in der Öffentlichkeit die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Logistik vielfach unterschätzt. Ihre Leistungsqualität wird für selbstverständlich genommen und im Zuge einer scheinbar populären Verkehrsphobie werden diesem Sektor laufend neue Belastungen und Behinderungen zugemutet. Ganz im Gegensatz zu den neuen EU-Ländern, den Niederlanden und sogar Deutschland. Diese Verkehrsphobie, die auch von mancher politischen Seite aus wahltaktischen Gründen gerne geschürt wird, schadet dem Wirtschaftstandort Österreich und verdrängt Arbeitsplätze ins Ausland.
Dr. Puwein vom WIFO hat festgestellt, dass jede vernünftige Investition im Verkehrsinfrastruktur sich direkt auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die Arbeitsplätze auswirkt (1 % vom BIP in die Infrastruktur = 1 % zusätzliches Wirtschaftswachstum = 36.000 zusätzliche Arbeitsplätze).

f) Neue EU-Sicherheitsbestimmungen gefährden die Wettbewerbsfähigkeit. Sie sind zu verändern – dies allerdings EU-weit
Getrieben vom Schock des 11. Septembers will die EU im Güterverkehr verschärfte Sicherheitsbestimmungen einführen, die sogar weit über das Maß hinausgehen, die die USA ihrer Wirtschaft zumuten. Diese Bestimmungen sind im Landverkehr noch in Ausarbeitung. Die dz. aus Brüssel vorliegenden Vorschläge wären ein EU-weites, überteuertes wirtschaftliches Behinderungspaket ohne relevanten Sicherheitsvorteil. Dem gilt es unbedingt entgegen zu wirken!

Hoch brisant und sehr aktuell aber ist das Thema „Luftfracht“. Mit 1.7.2006 treten in Österreich EU-Sicherheitsbestimmungen für Air Cargo in Kraft, die in der geplanten Form auf Dauer nicht verantwortbar sind. Gemäß der neuen Regelung müssten Spediteure ab 1. 7. in der Praxis unerfüllbare Sicherheitsauflagen erfüllen und für ihre Kunden Sicherheitszertifikate ausstellen, um deren Unbedenklichkeit zu bestätigen. Dafür würde die Kontrolle von Gütern dann zu 95 % entfallen. „Es kann nicht Aufgabe einer Spedition sein, die Mitarbeiter ihrer Kunden auf deren politische oder religiöse Einstellung hin zu überprüfen und gar zu beurteilen. Oder Kunden in potentielle Terroristen und Nicht-Terroristen einzuteilen. Dies ist alleine Aufgabe des Staates. Außerdem wird der Öffentlichkeit eine Scheinsicherheit suggeriert. Im Unterschied vom Handgepäck der Passagiere werden im Luftfrachtbereich nur drei bis fünf Prozent der Sendungen durchleuchtet“, so die Präsidentin des Zentralverbandes Spedition & Logistik, Heidegunde Senger-Weiss.

Die EU-Verordnung, die mit 01.07. in Österreich in Kraft tritt, wird in den diversen EU-Ländern unterschiedlich interpretiert. Wir in Österreich sind besonders strikt und bürden die volle Verantwortung dem Spediteur als Reglementierten Beauftragten und der verladenden Wirtschaft als Bekanntem Versender auf, und zwar ohne Haftungsbegrenzung, daher auch letztendlich ohne Versicherungsmöglichkeit! Die volle Einhaltung aller Bestimmungen verursacht hohe Kosten und behindert den Ablauf dieser zeitkritischen Sendungen. Eine wesentlich bessere Lösung wäre die EU-weite Verpflichtung, alle Luftfrachtsendungen vor dem Verladen in das Flugzeug zu screenen (durchleuchten). Dies gibt mehr Sicherheit, aber auch mehr Wettbewerbsgleichheit und ist letztendlich auch kostengünstiger für die Wirtschaft der EU.

In diversen EU-Ländern wie Dänemark, Polen oder Tschechien wird die lückenlose Kontrolle der Güter beim Verladen in das Flugzeug durchgeführt, in Großbritannien und Frankreich übernimmt der Staat die Überprüfung der Firmen. „Statt dieser, auch in Hinblick auf den Datenschutz, bedenklichen Bestimmungen sollte EU-weit die lückenlose Kontrolle der Güter beim Verladen in das Flugzeug erfolgen. Nur so kann die Sicherheit für die mitfliegenden Passagiere und das Personal der Maschine verbessert werden, so Friedrich Macher „Incoming“-Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik“.

Die dringende kurzfristige Forderung der gemeinsamen Plattform ist daher, Maßnahmen, die in anderen Ländern praktiziert werden, auf ihre sinnvollere Anwendung in Österreich zu prüfen.

Gleichzeitig gilt es aber diese vorschnell und praxisfremd entstandene EU-Verordnung möglichst rasch zu verändern.

Die gemeinsame Plattform erwartet dazu die volle Unterstützung der österreichischen Regierung und der österreichischen EU-Parlamentarier. Die EU-Luftfracht-Verordnung, die nun mit 01.07.2006 in Österreich in Kraft tritt, hat derart viele Mängel (ca. 100 Abänderungsanträge wurden von diversen Ländern und Institutionen bereits eingebracht), dass sich das Inkraftsetzen der bereits in Ausarbeitung befindlichen Novelle noch erheblich verzögern wird. Wer aber sorgt inzwischen für die Sicherheit und für die Risikominimierung der österreichischen Logistikwirtschaft, der öster-reichischen verladenden Industrie und der österreichischen Flugpassagiere?

Kontakt:
Zentralverband Spedition & Logistik: Mag. Andreas Demmer,
Telefon: +43/( 0)1/ 512 35 38-10, E-Mail: andreas.demmer@spediteure-logistik.at

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