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Österreichisches EinkaufsForum 2023 des BMÖ

Einkäufer-Expertengipfel in Wien: KI versus Mensch? Lösungsansatz: Formel „3M“ – Mensch mit Maschine.

Redaktion: Sabine Ursel

Multidimensionale Krise, Disruption, volatile Lieferketten und Preise, Risikomanagement, strenge Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit und Compliance sowie der Faktor Veränderung: Rund 100 europäische Experten aus Einkauf, Logistik, Supply Chain Management und Wissenschaft diskutierten vom 5. bis 6. Oktober 2023 in Wien auf dem „Österreichischen EinkaufsForum“ des BMÖ – Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich, welche Lösungen der Einkauf zur Versorgung, Wertsteigerung und Kostensenkung im globalen Umfeld der Unternehmen beitragen kann.

In welch diffiziler Lage der Einkauf seine komplexen Prozessketten zu dirigieren hat, skizzierte Dr. Stephan Schulmeister. „Wir befinden uns in einer multidimensionalen Krise“, so der Ökonom und Uni-Lektor (vormals Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, WIFO). Als Hauptprobleme nannte er u. a. Erderhitzung, Verlagerung des Profitstrebens von der Real- zur Finanzwirtschaft, Inflation und eine Zinspolitik, die nicht spezifisch Inflation bekämpfe, „wohl aber die Realwirtschaft“. Schulmeisters Gesamtdiagnose: „Es kommt zum Verlust der sozialen, ökologischen und politischen Nachhaltigkeit.“

Der Weg zurück zu den Stärken des österreichischen Gesellschaftssystems werde durch wachsende Polarisierung und politischen Ertrag für die ‚Polarisierer‘ immer unwahrscheinlicher. Österreichs Wirtschaft werde Schulmeisters Prognose zufolge „bestenfalls im europäischen Trend wachsen“. Der Ökonom regte an, Preissteigerungen durch Gründung einer ‚Agentur für Markttransparenz‘ (AMT) zu begegnen.

Zwei weitere Schwerpunkte des BMÖ-EinkaufsForums bildeten die erfolgskritischen Faktoren „Veränderung“ und „Künstliche Intelligenz“. „Einkauf wird zunehmend auch zum Taktgeber der Veränderung im Unternehmen“, bekräftigte BMÖ-Präsident Stefan L. Braun. „Wir müssen KI lieben lernen, denn sie hilft uns dabei, wesentliche Information belastbar zusammenzuführen und unsere Wertbeiträge ebenso wie unser Image radikal zu steigern“, so der Chief Procurement Officer der ÖBB-Holding AG. Heinz Pechek (geschäftsführender BMÖ-Vorstand) unterstrich, dass KI geeignete Entscheidungsvorlagen generieren könne, eine Reihe von Faktoren aber auch in Zukunft emotional entschieden würden. „Der Mensch wird weiterhin die Schnittstellen intern und extern steuern – freilich mit Hilfe adäquater digitaler Hilfsmittel.“

Prof. Horst Bischof (Rektor der TU Graz) verwies auf globale Vorreiter: „Während die USA in Sachen Systeme und China bei Daten dominieren, sucht Europa noch seine Rolle. Die darf aber keinesfalls in Regulierung bestehen.“ Untersuchungen zeigten, dass Menschen derzeit noch kein rechtes Vertrauen in KI hätten. Aber überall dort, wo genügend Daten vorhanden seien, dominiere heute schon die Maschine. Bischof propagierte für die Zukunft die Formel „3M“ – Mensch mit Maschine.“

Prof. DDDr. Waldemar Hummer (Universität Innsbruck) beschrieb die von Vielen unterschätzte Komplexität des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Die Medien seien nicht in der Lage, die Probleme der Regelungen zu erfassen und somit seien auch Leser bzw. Unternehmen oft nicht richtig informiert. „Viele deutsche Unternehmen waren nicht gut auf das Gesetz vorbereitet. Dort hat man aber schon festgestellt, dass man als Lieferant auch ohne ausdrückliche Verpflichtung von Kunden nach entsprechenden Maßnahmen gefragt wird, wenn man im Geschäft bleiben will“, betonte Hummer. Österreichische Unternehmen seien folglich gut beraten, sich auf Kommendes einzustellen, auch wenn sie in der ersten Welle noch nicht betroffen seien. In diesem Zusammenhang verwies Hummer auf das ‚Lieferkettengesetz Volksbegehren‘ vom April 2023 in Österreich, das in der Öffentlichkeit bisher kaum Widerhall gefunden habe.

Prof. Dr. Helmut Zsifkovits (Montanuniversität Leoben) bezog sich als Jury-Vorsitzender des „Austrian Supply Excellence & Digital Procurement Award“ (ASEA) auf die großen Herausforderungen, vor denen der Einkauf stehe, aber auch auf die Chancen, die es zeitnah zu nutzen gelte. Der BMÖ begebe sich dafür jedes Jahr auf die Suche nach Unternehmen, die im Einkauf Besonders geleistet hätten und damit einen Wertbeitrag zur Existenzsicherung schafften: „Dafür zeichnen wir Projekte aus, von denen andere Organisationen und Verantwortliche lernen können“, erklärte Zsifkovits. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2023

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