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Österreichs Industrie in der ersten Jahreshälfte 2023: Dramatische Einbrüche bei Auftragseingängen

Ein nicht gerade rosiges Bild zeigt die Betrachtung der heimischen Industrie in der ersten Hälfte dieses Jahres: „Die Entwicklung bei der Produktion und den Auftragseingängen ist besorgniserregend“, führte Sigi Menz, Obmann der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), heute, Freitag, vor Medienvertreter aus. Gemeinsam mit Bundessparten-Geschäftsführer Andreas Mörk beleuchtete er die Konjunkturentwicklung der Industrie Österreichs.

„Fehlende Aufträge heute sind der Produktionsstillstand von morgen“

WKÖ-Bundesspartenobmann Menz

Demnach ist die abgesetzte Produktion in der heimischen Industrie in der ersten Jahreshälfte 2023 im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um ein Zehntel zurückgegangen. Dabei zeigt die Quartalsbetrachtung, dass sich die negative Dynamik beschleunigt hat – auch bei den Auftragseingängen. In keinem einzelnen Monat konnte der Wert des Vorjahresmonats überschritten werden.

Heftige Einbrüche bei Auftragseingängen, besonders aus dem Ausland

 „Fehlende Aufträge heute sind der Produktionsstillstand von morgen!“, warnt Mörk. Insgesamt gehen die Auftragseingänge im ersten Halbjahr 2023 deutlich zurück und liegen um 4,6 Prozent unter dem Wert des Vorjahreshalbjahrs. Die Auftragseingänge aus dem Ausland brechen um 7,4 Prozent ein. „Bei den Auftragseingängen hatten wir zum Teil eklatante Einbrüche zu verkraften – etwa im Bereich Metalltechnische Industrie im zweiten Quartal um ganze 17,8 Prozent -, Tendenz weiter stark fallend“, so Mörk weiter.

Beschäftigungssituation in der österreichischen Industrie (noch) stabil

Das Personal in der heimischen Industrie wird weitestgehend gehalten. Das Eigenpersonal wächst im ersten Halbjahr 2023, beim Fremdpersonal gibt es in den letzten Monaten stärker werdende rückläufige Tendenzen.

Aufgrund des Mangels an Arbeits-, noch mehr aber an Fachkräften, werden Mitarbeiter:innen trotz geringerer Auslastung in den Industriebetrieben gehalten. Dies führt jedoch zu einer sinkenden Produktivität und einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. „Das macht die entsprechende Begründung von Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung und hohen Lohnsteigerungen obsolet“, hält Sparten-Geschäftsführer Mörk fest.

Erste Konjunktureinschätzungen der Industriefachverbände für das dritte Quartal 2023

In mehr als der Hälfte der Fachverbände der Bundessparte Industrie wird ein Rückgang der Produktion im dritten Quartal erwartet, die Auftragseingänge sind weitgehend rückläufig oder stark rückläufig, bei vier Fachverbänden wird eine Stagnation erwartet. Das zeigt die regelmäßig von der Bundessparte Industrie durchgeführte Konjunkturbefragung.

Wo die Industrie Handlungs- bzw. Verbesserungsbedarf sieht

Um Arbeitsplätze, Einkommen und Wohlstand in unserem Land zu erhalten sowie dem Arbeitskräftemangel effizient entgegenzuwirken, sieht Bundessparten-Obmann Sigi Menz Handlungs- bzw. Verbesserungsbedarf in folgenden Bereichen:

  • Bei der derzeit mangelnden Finanzierung und der realitätsfernen Abwicklung der Kurzarbeit: Es gelte, Rechtssicherheit für Unternehmen durch eine rasche verbindliche Zu- oder Absage herzustellen. Gefordert werden weiters eine seriöse und rechtlich saubere Abwicklung aller Kurzarbeitsanträge, eine einheitliche Vorgangsweise bei der Abwicklung in allen Bundesländern sowie eine bedarfsgerechte Dotierung, die ein „First come, First serve“ hinten anhalten muss.
     
  • Beim Stromkosten-Ausgleichsgesetz: „Diesbezüglich braucht es jetzt die Verlängerung des Stromkosten-Ausgleiches für die von der EU vorgesehenen Industriesektoren bis 2030. Unumgänglich sind auch eine zeitnahe Veröffentlichung sowie die Vereinfachung der Förderregelungen für 2023 bis 2030“, so Menz.
  • Bei den Förderungen nach dem Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz (UEZG): „Diese sind auch für 2023 dringend notwendig. Die Unternehmen verlassen sich auf die Versprechungen der Politik, die in Gesetzen Förderungen vorsieht, die für die Auszahlung der Förderungen notwendigen Förderrichtlinien aber nicht erlässt“, führt Menz aus. „Daher muss der bereits im Dezember 2022 angekündigte Energiekostenzuschuss (EKZ) 2 nun endlich rasch kommen“, fordert Menz ebenfalls.
  • Bei der nationalen CO2-Steuer gemäß dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz (NEHG): Österreich hat mit diesem Gesetz schon 2022 im Alleingang eine CO2-Bepreisung eingeführt, die EU-weit erst ab 2027 schlagend wird. „Die im Gesetz zugesagten Ausnahmen für besonders von der Abwanderung betroffene Sektoren warten allerdings immer noch auf beihilfenrechtliche Genehmigung“, so Sigi Menz. Er spricht sich gegen Belastungen auf die Energiekosten ohne zumindest europaweit einheitliches Vorgehen und damit gegen nationale Alleingänge aus und fordert schnellere Beihilfeverfahren für den produzierenden Bereich.
  • Bei der Ankurbelung der Bauwirtschaft: Zu diesem Zweck plädiert die Industrie für die Abschaffung der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen- (KIM-)Verordnung sowie für eine Mehrwertsteuer-Rückvergütung oder die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bis 100.000 Euro.
  • Bei der Förderung von Forschung, Innovation und Technologie (FTI): „Die Dotierung der FFG-Basisprogramme ist kritisch. Es muss damit gerechnet werden, dass 2023 nicht ausreichend Mittel vorhanden sind. 2022 wurde bereits auf das Budget 2023 vorgegriffen, 2023 soll ein Vorgriff auf das Budget von 2024 erfolgen“, schildert Menz. Und weiter: „Die Zahl der Projektanträge, vor allem im Bereich Transformation, steigt laufend, zusätzlich erfordert die steigende Inflation eine Anpassung der Forschungsbudgets. Um die Finanzierung zukunftsweisender Projekte weiterhin zu gewährleisten, ist kurzfristig ein Zusatzbudget für 2023 von rund 60 Millionen Euro notwendig.“ Auch mittelfristig müsse eine ausreichende Dotierung der Basisprogramme für 2024 bis 2026 sichergestellt werden, so Sigi Menz und Andreas Mörk abschließend. 

Die Bundessparte der Wirtschaftskammer Österreich

Die WKÖ-Bundessparte Industrie vereint 16 Fachverbände und vertritt die Interessen von mehr als 5.000 Mitgliedern in Österreich. Die heimische Industrie erwirtschaftet einen Produktionswert von rund 200 Mrd. Euro und trägt mit rund 50 Milliarden Euro zur österreichischen Bruttowertschöpfung bei. Die Industrieunternehmen Österreichs beschäftigen mehr als 450.000 Mitarbeiter und sind mit einer Exportquote von 69 Prozent stark international vernetzt. (PWK338/JHR)

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