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Rivalen auf dem Vormarsch: Hong Kongs sinkender Stern

Der Hong Konger Hafen könnte künftig weiter an Bedeutung verlieren. Im Ranking liegt er bereits hinter Shenzhen auf Platz 4 der weltgrößten Häfen. Shenzhen möchte sich weiter internationalisieren und auch Taiwan drängt durch die Öffnung des Handels mit Festland China und zunehmenden Investitionen als Basis für „Greater China“ nach vorne. Hong Kong sucht bereits nach anderen Betätigungsfeldern.

Die Hälfte des globalen Containerverkehrs passiert laut der Londoner Agentur Drewry asiatische Containerhäfen und bis 2020 soll der Anteil bis auf zwei Drittel angewachsen sein. Asien entwickelt sich zum Zentrum für den Containerhandel. Schon werden 30 Prozent des weltweiten Containerhandels in chinesischen Häfen umgeschlagen – mit steigender Tendenz. Trotzdem sieht es nicht für alle Häfen gleich gut aus. Der Hafen Shenzhen, der in der benachbarten Provinz Guangdong gelegene Hafen Guangzhou sowie Häfen in Taiwan erodieren zuneh-mend die Bedeutung des Hafens Hong Kong in der gleichnamigen Sonderverwaltungszone.

Der Dufthafen ist 2013 laut dem deutschem Statistik-Portal Statista.com mit einem Umschlag von 22,3 Millionen TEU hinter Shenzhen mit 23,3 Millionen TEU auf Platz vier zurückgefallen. Guangzhou liegt mit 15,3 Millionen TEU auf Platz acht. Neil Davidson von der Londoner Drewry’s Maritime Research beschreibt die Situation wie folgt: „Der Hong Konger Hafen ragt unter den zehn Häfen mit sinkendem Containervolumen durch den Verlust an rivalisierende Häfen heraus. Er erfährt aufgrund der geringeren Kosten Shenzhens eine starke Konkurrenz.“ Er fügt an: „Hong Kong war schon immer ein Hafen mit sehr teuren Landressourcen und ein enorm teurer Hafen- allerdings bei hoher Qualität. Shenzhen besitzt geringere Land- und Arbeitskosten und damit niedrigere Tarife.“ Der Dufthafen besitzt zudem fragmentierte Kapazitäten, dh. eine große Anzahl von Boxen muss zwischen den Terminals hin- und hertransportiert werden. Um den Allianzen mit ihren Megaschiffen gerecht zu werden, würde „der Hafen stark von der Zusammenlegung von Terminaleigentum, besser angrenzenden Kailinien und der Möglichkeit, nur an einem Terminal anzulegen bzw. den Transfer zwischen den Terminals vermeiden zu können, profitieren.“ In Hong Kong sind 60 Prozent der Warentransporte Transhipments. In Shenzhen und Guangzhou handelt es sich überwiegend um tatsächliches Be- und Entladen. Fraglich ist daher, ob ein geplantes zehntes Containerterminal in Tsing Yi noch umgesetzt wird.

Wirtschaftsgeografische Veränderungen in China
Hong Kong hat bisher den Vorteil, ein internationales Finanz- und Schifffahrtszentrum zu sein. Die Zehnmillionenstadt Shenzhen gilt aufgrund ihres Status als Sonderwirtschaftszone als eine der bedeutendsten Städte für ausländische Investitionen und ist eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt. Sie soll durch eine sogenannte „Kooperation“ mit Hong Kong auf den Gebieten Finanzen und Logistik internationalisiert werden. Da die Arbeitskosten in Südchina zunehmend anziehen, wandern herstellende Betriebe immer häufiger in den billigeren Norden ab. Daher profitieren die Häfen in der Bohai-Region nördlich von Qingdao. Die Perlflussregion in Guangdong könnte ihren hohen Status als Exportregion laut Davidson künftig verlieren, da die Fertigung zu Niedriglöhnen immer häufiger nach Vietnam, Bangladesch und Kambodscha verlagert wird. Zudem wandert die Elektronikfertigung zunehmend in die Inlandsprovinzen in Städte wie Chongqing in Westchina und Chengdu ab. Auch in Guangdong ändert sich die Wirtschaftsstruktur, was negative Auswirkungen auf den Dufthafen haben wird. Produktionsbetriebe, die weiter in Küstennähe bleiben wollen, wandern ins westliche Perlflussdelta ab und verschiffen dort eher über Nansha als über Hongkong. Da sich viele Betriebe mehr und mehr dem chinesischen Binnenmarkt zuwenden, verlieren Ausfuhren an Bedeutung. Zunehmend werden auch eher hochwertigere und kleinere Güter transportiert, die dann u. a. auch mit dem Flugzeug versendet werden können. Da die chinesische Mittelschicht weiter wächst und der Yuan härter wird, ist allerdings mit vermehrten Importen zu rechnen. Bislang wurde der Dufthafen hauptsächlich als Tor für die Versorgung Südchinas gesehen und die internationale Rolle vernachlässigt. Nun denkt man dort an die Entwicklung eines islamischen Finanzzentrums, an die Schaffung eines Hubs für den Weinhandel sowie an die Subvention eines Kreuzfahrtterminals.

Die Taiwanfrage
Die chinesische Republik Taiwan besitzt große Finanzinstitutionen, eine starke Währung, eine diversifizierte Unternehmenslandschaft, eine aktive Börse, großes Fachwissen in vielen Bereichen und exzellente Hafenanlagen. Sie könnte sich künftig als Hauptgeschäftsstelle von vielen Firmen für „Greater China“ anbie-ten. Allerdings müssten hierzu der Servicesektor liberalisiert und Arbeitsgenehmigungen für Ausländer einfacher vergeben werden. Seit einiger Zeit wird bereits der Warenverkehr zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan etabliert. Künftig könnten nun auch mehr Fabriken auf das chinesische Festland emigrieren. Falls nun die Finanz- und Handelsströme genauso einfach fließen könnten wie zwischen Hong Kong und dem Festland, sollte die chinesische Republik ungeahnte neue Möglichkeiten erhalten. Hong Kongs Rolle als Eingangstor nach China würde dadurch unausweichlich geschwächt. Taiwan könnte unabhängiger von Peking agieren als die SVZ Hong Kong. Zudem ist es näher zu Schanghai gelegen. Allerdings mangelt es an einem international anerkannten Rechtssystem und englischer Sprachkompetenz.

Potentes Hafennetzwerk
Im Rahmen des umfassenden Entwicklungsplan für internationale Häfen in Taiwan (2012-2016) sollen die Häfen Kaohsiung (9,9 Millionen TEU, Platz 14), Taichung, Keelung und Hualien ausgebaut werden. Zur besseren Koordinierung wurde das Management der Häfen im Frühjahr 2012 in der Taiwan International Ports Corp. (TIPC) zusammengefasst. TIPC ist seither verantwortlich für die Planung und Umsetzung des Hafenentwicklungsprogramms. Der Hafen Kaohsiung soll sich laut Plan in einen Containertranshipmenthub, einen umfassenden wertschöpfenden Logistikhafen, ein Import/Export-Zentrum für Energie, Schwerindustrie, Versteinerungen und Petroleum-Produkte sowie in einen Hafen für internationalen Tourismus und gewerbliche Dienste verwandeln. Über ihn wird der Hauptanteil (73 Prozent) des Im- und Exports der Inselrepublik abgewickelt. „Taiwan entwickelt sich gerade von einer serviceorientierten zu einer wissensbasierten Industriewirtschaft. Es ist klar, dass Kaohsiung sich nicht weiter nur auf seine günstige Lage verlassen kann. Der Wandel ist der einzige effektive Ansatz, um in einem brutalen Wettbewerb gewinnen zu können…

Kaohsiung muss eine aggressivere Rolle in der globalen Wirtschaft und im Markt spielen“, besagt der „Port of Kaohsiung 2040 Master Plan Executive Summary“ der Hafenverwaltung von Kaohsiung. Im Mai 2012 wurde des-halb die zweite Ausbauphase des Kaohsiung International Container Terminal offiziell begonnen. Hierfür sind bis 2019 Investitionen von rund 91 Milliarden taiwanesische Dollar (2,2 Milliarden Euro) vorgesehen. 19 Liegeplätze mit fünf Liegeplätzen für Containerschiffe bis 18.000 TEU sind im Aufbau. Bis 2020 soll dadurch der Umschlag um vier Millionen TEU erweitert werden. Für den zweitgrößten Hafen Taiwans, Taichung, liegt der Fokus auf der Erhöhung des Frachtumschlags. Als Durchgangshafen für Importautomobile und als Exportzentrum für die Maschinenbaubranche, die in Taichung konzentriert zu finden ist, spielt der Hafen eine große Rolle. Der Handel mit Festlandchina ist seit der Öffnung der Taiwanstraßenverbindungen im Dezember 2008 laut China Daily auf 197,2 Milliarden US-Dollar (145 Milliarden Euro) in 2013 gestiegen. Der Zuwachs gegenüber 2012 lag damit bei 16,7 Prozent.

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 3-2014

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