Handelsverband fordert Vereinfachung der Corona-Hilfen und drastische Erhöhung des FKZ 800.000 auf 1,5 Mio. Euro pro Monat
Modehandel sitzt auf 50 Mio. unverkauften Winterartikeln. „Überlebenshilfe“ mit Ersatz der Ausgaben für Saisonware notwendig. HV begrüßt MwSt-Befreiung für FFP2-Masken.
Die Verlängerung des dritten harten Corona-Lockdowns bis 7. Februar verschärft die Liquiditätskrise im stationären österreichischen Non-Food Handel von Tag zu Tag. Die gesamte Branche muss für den sechswöchigen Lockdown einen Umsatzverlust von fast sechs Milliarden Euro verkraften, 100.000 Arbeitsplätze sind akut gefährdet. Viele Großhändler, die indirekt von den behördlichen Schließungen der Gastronomie und Hotellerie betroffen sind, warten seit Monaten, um überhaupt Entschädigungen für ihren Umsatzentfall beantragen zu können.
Um die Stabilität der Volkswirtschaft weiterhin zu gewährleisten, braucht es sofortige Liquiditätsspritzen für alle direkt und indirekt betroffenen Unternehmen. Die ausständigen Hilfen müssen auf den Konten der Betriebe ankommen, monatelange bürokratische Verzögerungen sind in Zeiten wie diesen schlicht untragbar. Die heute von Vizekanzler Kogler und Finanzminister Blümel verkündete Verlängerung der Corona-Wirtschaftshilfen bis Juni begrüßt der Handelsverband ausdrücklich, ebenso die geplante MwSt-Befreiung für FFP2-Masken.
Höhere Obergrenzen des „Befristeten Beihilferahmes“ oder Notifikation nach dem Katastrophenbeihilfe-Paragrafen erforderlich.
„Wenn wir einen Händler-Exodus im Frühjahr verhindern wollen, dann reicht die heute angekündigte Verlängerung der Wirtschaftshilfen allein nicht aus. Vielmehr muss die Bundesregierung die Corona-Hilfen jetzt drastisch vereinfachen und bei der Höhe ordentlich nachbessern. Konkret fordern wir eine Erhöhung des Fixkostenzuschuss 800.000 auf 1,5 Millionen Euro pro Monat“, spricht Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will Klartext. „Die Zeit für die Anhebung des EU-Beihilfendeckels drängt. Deutschland hat es mit der jüngst präsentierten Erhöhung seiner Überbrückungshilfe III auf 1,5 Millionen Euro pro Unternehmen pro Fördermonat vorgemacht. Wir müssen jetzt nachziehen.“
Eine Notifikation und Genehmigung der Corona-Unterstützungsmaßnamen auf Basis des „Katastrophenbeihilfe-Paragraphen“ durch die Europäische Kommission ist dann alternativlos, wenn die Obergrenzen des „Befristeten Beihilferahmes“ nicht rasch erhöht werden. Der österreichische Fixkostenzuschuss I, der auf 90 Mio. Euro pro Unternehmen beschränkt ist, wurde bekanntlich noch auf Basis des Katastrophenbeihilfe-Paragraphen genehmigt. Was im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 möglich war, sollte jetzt im dritten Lockdown und in größter Not erst recht möglich sein.
Ausfallsbonus besonders für mittelständische und große Händler nicht geeignet.
Der für Jänner und Februar als Nachfolger des Umsatzersatzes vorgesehene Ausfallsbonus ist hingegen für alle mittelständischen und großen Händler eher ein Totalausfall:
- Die Höhe von 30% der Umsatzausfälle im Vergleich zum Jänner 2019 ist völlig unzureichend. Zumal nur die Hälfte, also lediglich 15 Prozent, tatsächlich als Ausfallsbonus ausbezahlt werden sollen. Die andere Hälfte ist lediglich ein Vorschuss auf den Fixkostenzuschuss II.
- Die extrem niedrige Obergrenze von 60.000 Euro (de facto 30.000 Euro) verkennt die problematische Liquiditätssituation vieler Firmen. Gerade für beschäftigungsintensive mittelständische und große Händler würde das nur einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Umsatzverluste im Lockdown decken.
- Die Auszahlungsbedingung von mindestens 40% Umsatzausfall ist viel zu hoch angesetzt. Der Handelsverband fordert daher eine Senkung der Antragsberechtigung auf zumindest 30% Umsatzausfall (analog zur Fixkostenhilfe in Deutschland).
- Es ist unverständlich, warum als Vergleichszeitraum Jänner/Februar 2019 und nicht Jänner/Februar 2020 (wo es hierzulande noch keine Corona-Restriktionen gab) gewählt wurde.
„Der Ausfallsbonus ist mit dem 60.000 Euro Deckel ein Liquiditätskiller für den Mittelstand und Großbetriebe. Darüber hinaus werden damit gerade auch jene Betriebe bestraft, die in den letzten zwei Jahren gegründet oder expandiert und damit Arbeitsplätze geschaffen haben. Diese Firmen spürten die Starrheit des Systems bereits beim Umsatzersatz schmerzlich, jetzt fallen sie erneut um einen Großteil der Hilfen um“, appelliert Will an die Bundesregierung, bei diesem Instrument nachzubessern.
4.200 Mode-, Schuh- und Lederwarenhändler kämpfen um’s wirtschaftliche Überleben.
Kreativität und dringende Nachbesserungen sind auch bei den Hilfen für die besonders stark von der Corona-Krise betroffenen 4.200 stationären Mode-, Schuh- und Lederwarenhändler gefragt. Sie beschäftigen hierzulande mehr als 45.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verzeichneten aber von März bis Dezember bereits Umsatzverluste von teilweise weit über 40 Prozent. Aufgrund des verlängerten dritten Lockdowns türmt sich mittlerweile ein Berg von rund 50 Millionen unverkauften Winterartikeln in den Geschäften und Lagern.
„Eine Rabattschlacht nach der Wiedereröffnung am 8. Februar im Mode-, Schuh- und Lederwarenhandel wird damit ausgelöst. Viele der 4.200 Händler werden wohl oder übel unter dem Einstandspreis verkaufen müssen und damit riesige Verluste in Kauf nehmen. Eine Einlagerung für die nächste Wintersaison rechnet sich für die meisten stationären Händler nicht“, sagt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch. Was vom Wintersortiment übrigbleibt und auch nicht mehr in Outlets verkauft werden kann, wird vom heimischen Handel an karitative Einrichtungen gespendet.
Unbürokratische ‚Überlebenshilfe‘ für Händler mit Saisonware analog zu Deutschland.
In Deutschland ist die Lage ähnlich schlimm, allerdings sollen dort betroffene Mode-, Wohnbedarf/Dekoration- oder Schmuckhändler die Ausgaben für Saisonware fast vollständig ersetzt bekommen. Geplant ist, dass die Händler derartige Ausgaben zu 100 Prozent auf die ungedeckten Fixkosten anrechnen können, die wiederum der Bund zu maximal 90 Prozent erstattet.
„Derzeit bekommen unsere österreichischen Händler im Rahmen des Fixkostenzuschusses bei einem Wertverlust der saisonalen Waren von mindestens 50 Prozent nur die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem erzielten bzw. erzielbaren Verkaufspreis ersetzt. Das reicht aber nicht. Daher fordern wir analog zu Deutschland ebenso die Anerkennung von unverkäuflicher oder saisonaler Ware als erstattungsfähige Fixkosten im vollen Ausmaß des Wertverlusts“, so Branchensprecher Rainer Will.
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