Russland: Ausbau der Verkehrs- und Transportwege braucht Gesamtstrategie

Russlands Infrastruktur bremst das Wirtschaftswachstum des Landes. Die geringe Dichte der Transportwege setzt enge Grenzen für höhere Zuwachsraten. Einem relativ gut entwickelten Westteil steht die Weite im Osten des Landes gegenüber, die kaum von Transport- und Verkehrswegen erschlossen ist. Auch deshalb liegt Russland gemessen am Wirtschaftswachstum mittlerweile auf dem letzten Platz in der Gruppe der BRIC-Staaten. Es mangelt an einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Beseitigung der infrastrukturellen Mängel und Unterschiede im Land. Die anstehenden sportlichen Großereignisse werden dazu nur erste Impulse liefern können. 
 
Gebremstes Wachstum durch fehlende Transportwege 
Russlands Wirtschaft wächst jährlich zwischen drei und vier Prozent. Der Reichtum des Landes an Erdöl und Erdgas, die geringe Arbeitslosigkeit, eine konsumfreudige Mittelschicht und das insgesamt hohe Ausbildungsniveau im Land sorgen für gute Stimmung in der Wirtschaft. Im Vergleich mit anderen BRIC-Staaten bildet Russland aber das wirtschaftliche Schlusslicht. Einer der Gründe: Die seit Sowjetzeiten kaum ausgebaute Infrastruktur und deren landesweit betrachtet geringe Dichte limitieren ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Während der westliche Landesteil über eine verhältnismäßig gut ausgebaute Infrastruktur verfügt, ist der zentrale und asiatische Teil aufgrund der geringen Besiedlung kaum erschlossen. Seiner gewichtigen Rolle als Transitland zu den boomenden Märkten in Asien kann Russland damit kaum gerecht werden. Marc Brenneiser, CEO des russischen Logistik-Dienstleisters STS Logistics, sieht großen Handlungsbedarf: "Im Vergleich mit westlichen Staaten investiert Russland 50 Prozent weniger in Ausbau, Modernisierung und Erhalt seiner Transportwege. Angesichts des Zustandes und der geringen Dichte der Infrastruktur sollten die dafür zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel aber mindestens 50 Prozent höher sein als in anderen westlichen Staaten." 
 
Korruption und fehlender Masterplan für Investitionen behindern Ausbau 
Russland hat die Notwendigkeit leistungsstarker Verkehrswege für sein weiteres Wirtschaftswachstum erkannt und bis 2030 Investitionen in Höhe von insgesamt 125 Milliarden Euro angekündigt. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Schienennetz zu, das mit einer Länge von etwa 85.000 Kilometern zwar das zweitlängste der Welt ist, aber landesweit nur eine Dichte von gerade einmal fünf Metern pro Quadratkilometer aufweist. Zum Vergleich: in Deutschland sind es 117 Meter. Dennoch macht der Schienenverkehr innerhalb Russlands mit 83 Prozent den größten Anteil am Güterverkehr aus. Damit diese Position gefestigt werden kann, stehen für die Modernisierung, den Neu- und Ausbau von Bahnhöfen sowie den Bau von Parallelstrecken jährlich etwa 10 Milliarden Euro zur Verfügung – deutlich mehr als beispielsweise im BRIC-Land Brasilien, wo bis 2020 13 Milliarden Euro für den Bahnausbau vorgesehen sind. 
 
Für den Handel und Gütertransport zwischen Westeuropa und dem westlichen Russland ist das Straßennetz der bedeutendere Transportweg. Die inländische Anbindung im zentralen und östlichen Teil des Landes ist jedoch schlecht. Laut der staatlichen Gesellschaft Rossijskie awtomobilnye dorogi, die im Regierungsauftrag den Bau von Schnellstraßen und Autobahnen realisiert, sind zur Verbesserung der Situation bis 2013 elf Ausschreibungen mit einem Volumen zwischen 160 Millionen und 3,7 Milliarden Euro geplant. 
 
Doch die Zahlen allein trügen. Die in Russland verbreitete Korruption treibt die Kosten für den Bau von Transportwegen in schwindelerregende Höhen. Kirill Vlasov, Vorstandsmitglied von STS Logistics und stellvertretender Sprecher des Chapters Moskau der Bundesvereinigung Logistik (BVL) schätzt, dass rund 30 bis 40 Prozent der gesamten Kosten für Infrastrukturprojekte auf Korruption zurückzuführen sind. 
 
Nicht nur die Korruption erschwert den raschen Ausbau der Transportwege. Für eine koordinierte Verwendung der Finanzmittel fehlt vor allem ein einheitliches Konzept. Einzelne Vorschläge von Expertenkommissionen wie höhere Investitionen, verstärkte Nutzung von Public-Private-Partnerships und die Öffnung militärische Flughäfen für die zivile Nutzung sind nicht bindend. Inwieweit diese Vorschläge umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. 
 
Olympischen Winterspielen und Fußball-WM – Impulse für die Infrastruktur 
Eine Chance für den Ausbau der Infrastruktur bieten die anstehenden sportlichen Großereignisse. 23 Milliarden Euro investiert Russland in die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, weitere 15 Milliarden in den Bau von Stadien, Hotels und Infrastruktur an den zwölf Standorten der Fußball-WM 2018. 
 
Von den Winterspielen in Sotschi ist kaum ein langfristiger, positiver Effekt für die russische Infrastruktur zu erwarten. Sotschi ist eine verhältnismäßig kleine Stadt und es ist fraglich, ob alle Stadien und Einrichtungen später tatsächlich ausgelastet sein werden. 
 
Anders sieht es bei der Fußball-WM aus. Die Austragungsstätten sind über das Land verteilt: Sowohl die Stadien als auch die entstehenden Verbindungswege lassen über den Zeitraum der Veranstaltung hinaus positive Effekte für die Infrastruktur erwarten. So sieht das auch Mirco Nowak, Geschäftsführer von Luno Export and Logistic Services und Sprecher des Chapters Moskau der BVL: "In Russland werden Sportstätten gerne von privaten Investoren übernommen. Das wird mit Sicherheit auch nach den Sportveranstaltungen der Fall sein, wodurch die Nachhaltigkeit gesichert ist." Allerdings wird auch davon nur der Westen des Landes profitieren. Der östlichste Austragungsort der Weltmeisterschaft, Jekaterinburg, liegt am Uralgebirge. 
 
Gelingt es Russland aber, von den Impulsen der kommenden Sportereignisse nachhaltig zu profitieren und sein Infrastrukturnetz auch in der Fläche auszubauen, stehen die Chancen gut, dass auch das Wirtschaftswachstum wieder an Schwung gewinnt.

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