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Blick auf den Osten

Österreichs Wirtschaft ist der Hauptprofiteur der EU-Osterweiterung, sagt die Wirtschaftskammer. In der Transportbranche ist die Einschätzung schon deutlich differenzierter. 

In der Wirtschaftskammer Österreich gerät beim Thema EU-Ostweiterung geradezu ins Schwärmen: Von der EU-Osterweiterung habe Österreich und damit dessen Wirtschaft am meisten gewonnen. Seit 1989 erlebt das reale Bruttoinlandsprodukt allein durch die Erweiterung eine jährliche Steigerung von 0,5 Prozent und entstanden in der Folge 20.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr, sagt Christian Mandl, Leiter der Stabsabteilung EU-Koordination in der Wirtschaftskammer Österreich. Österreich als kleine Volkswirtschaft ist stärker abhängig vom Zugang zu einem größeren Markt ohne Handelsbarrieren als große Länder. „Die Wirtschaft hat deshalb von der laufenden Ausweitung der Handelsmöglichkeiten nach Osteuropa durch die Ostöffnung und durch Teilnahme am EU-Binnenmarkt sehr profitiert“, betont Mandl ausdrücklich.

Fazit: Das BIP ist in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern deutlich stärker gewachsen. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) um 0,4 Prozent stärker als im Durchschnitt der EU-Länder. Dabei wurde Deutschland oder die Schweiz beim BIP-Wachstum sogar um 0,8 Prozent überflügelt. Allein die Exporte nach Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Polen haben sich von 1995 bis zuletzt vervierfacht, nämlich von vier auf mehr als 16 Mrd. Euro. Mit der Wirtschaftskrise kam zwar auch eine Delle, doch jetzt zeigt der Trend wieder nach oben.  Als Bonus gilt zweifellos die unmittelbare Nachbarschaft zu den neuen Märkten, was dazu führte, dass Österreich in den Jahren 2009 und 2010 mit den neuen EU-Staaten einen Handelsbilanzüberschuss von fast vier Mrd. Euro erzielte.

Und was haben die kleinen
Transporteure davon?
Wie hat sich die Erweiterung bislang auf kleine bis mittelständische Transportunternehmen ausgewirkt? Profitieren die Kleinen in dieser Branche überhaupt von diesem Bonus? Mandl sagt ja. Die zeitraubenden und komplizierten Zollabfertigungen gibt es nicht mehr, die Wartezeiten an den Grenzen sind Vergangenheit und allein die Kosten für das Zoll- und Grenzprozedere mit einem Anteil von zwei bis fünf Prozent sind praktisch über Nacht weggefallen. Schön aus Sicht der Produzenten und weniger schön für die Spediteure, die damit das Verzollungsgeschäft über Nacht verloren haben.

Der steirische Logistikdienstleister i-log mit Sitz in Graz beispielsweise sieht die EU generell und die Ostweiterung sehr positiv. „Früher hat es so kleine Sendungen, wie wir sie heute transportieren, gar nicht gegeben“, erinnert sich i-log-Geschäftsführer Rolf Hadolt, dessen Unternehmen gut in KMU-Größe agiert. Die Mengen sind für sein Unternehmen dank Ostöffnung stark gestiegen. Früher brauchte ein LKW nach Bulgarien zwei bis vier Tage inklusive unberechenbarer Steh- und Wartezeiten an den Grenzen. „Heute sprechen wir von fixen Regellaufzeiten in zwei Tagen nach Bulgarien“, so Hadolt. Dank offener Grenzen, ohne Verzollung etc. Die andere Seite der Medaille aber: Die Transportpreise nach Osten sind infolge der grenzenlosen Freiheiten gesunken und i-log macht derzeit mehr Transporte innerhalb der alten EU-Länder als in die neuen. Trotzdem: Wenn Kroatien ab 2013 in die EU kommt, „werden sich die Lieferungen rasch erhöhen und wir rechnen mit einem Wachstum von 30 Prozent in den ersten beiden Jahren nach dem Beitritt“, betont der Manager, der mit i-log auch in Zagreb schon präsent ist und die Öffnung der EU-Türen für Kroatien sehnsüchtig erwartet. Diese Erwartung deckt sich mit anderen kleinen Transportunternehmen, die im Ostgeschäft aktiv sind. Es sind die kleinen Mengen, bei denen sie zum Zug kommen, während früher große LKW große Ladungen nach Osten brachten. In der Wirtschaftskammer kennt man die Kehrseite der Medaille gut, sprich Preisverfall durch das Hereindrängen östlicher Mitbewerber auf den österreichischen Markt, wovon allerdings wieder die heimische verladende Wirtschaft profitiert, weil die Transportkosten günstiger werden.

Daher wird auch nicht beschönigt: Für die klassischen Frächter hat die EU-Erweiterung bislang mehr Nachteile als Vorteile gebracht. Anders hingegen die Einschätzung unter den Spediteuren. „Mitbewerber aus den angrenzenden neuen Mitgliedstaaten werden in Österreich nicht als Konkurrenz gesehen, da diese nicht über das gleiche Know-how wie österreichische Unternehmen verfügen“, liest man etwa  in einem umfassenden Status-Bericht über die Auswirkungen der EU-Erweiterung für die österreichische Wirtschaft.

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