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Wertschöpfung ohne Grenzen?

Die Globalisierung im weltweiten Wirtschaften ist zwar nicht umkehrbar, aber immer mehr macht sich die Erkenntnis breit, dass sie sowohl in betriebswirtschaftlicher als auch volkswirtschaftlicher Sicht nicht der ökonomischen Weisheit letzter Schluss ist und sein kann. Wem hat die Globalisierung in den vergangenen Jahren primär genutzt? Es sind die multinationalen Konzerne, die Kapital und Arbeit je nach Belieben zwischen Ländern und Kontinenten hin und herschieben. Solche Konzerne sind per Definition Unternehmen, die in mehr als drei Ländern produzieren, kooperieren, verkaufen, einkaufen und investieren. Da kommen schnell einige zusammen. Die Zahl dieser Firmen ist seit den 70er Jahren weltweit um das Fünffache gestiegen, derzeit gibt es 40.000 Unternehmen in dieser Kategorie, die 75 Prozent des Welthandels abwickeln und rund 25 Prozent des Weltsozialprodukts zustande bringen. Diese Konzerne beschäftigen rund 80 Mio. Arbeitskräfte. Von diesen Konzernen sind wiederum 250.000 Unternehmen abhängig, hinter denen 200 Mio. Menschen als Arbeitskräfte stehen.

Die Wertschöpfung ohne Grenzen bekommt zunehmend Konkurrenz durch die Denke in regionalen Dimensionen. Kritische Ökonomen haben der Globalisierung mit Präsenz rund um den Globus ohnehin nie so recht getraut. Zunehmend wird von der steigenden Bedeutung regionaler Netzwerke gesprochen, kommt die Rückbesinnung darauf, dass es sich nicht immer lohnen muss, Produkte in Fernost zu produzieren die Bestandteile dafür von der anderen Erdseite herbeizuschaffen, nur weil der Transport ohnehin nicht viel kostet und die Arbeitskräfte in Fernost vielfach billiger sind als etwa in Europa. Energieverknappung und Klimaschutzmaßnahmen entpuppen sich in der Supply Chain als massive Kostentreiber. Steigende Emissionsabgaben und die Volatilität des Ölpreises provozieren gleichsam die Ausweitung regionaler Beschaffungskonzepte. Studien belegen, dass bis zum Jahr 2030 Emissionen in jedem Glied der Lieferkette erfasst und den Verursachern zugeordnet werden dürften. Die mit Emissionen verbundenen Kosten würden dem Produktpreis zugerechnet. Fazit: Der Endverbraucher bezahlt den Preis der Globalisierung. Eben diese Studien prognostizieren auch, dass bis 2030 globale Lieferketten stark sinken werden, die regionale Beschaffung hingegen erstarkt und neue Logistik-Modelle bedingt. Regionale Zuliefer- und Distributionszentren bekommen so Aufwind. Abhängen wird die Regionalisierung von der Strategie der Hersteller, ob sie Produktionskapazitäten in Richtung wachsender Märkte verlagern, dort aber enge Kooperationen mit Zulieferern in Produktionsnähe aufbauen. Regionale Netzwerke in einer globalisierten Wirtschaft werden die Folge sein.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es legitim, wenn sich Unternehmen neue Märkte erschließen und so organisch wachsen können. In volkswirtschaftlicher Sicht hat die Globalisierung dennoch scharfe Ecken und Kanten, die gern vom Schlachtruf „Hinaus in die Welt und hinein in neue Märkte“ übersehen werden. Die Globalisierung hat ein Machtvakuum zwischen Wirtschaft und Politik entstehen lassen: Die Konzerne haben durch ihre Mobilität die Chance, den Investitionsstandort, Produktionsstandort, Wohnort und Steuerort getrennt voneinander zu bestimmen und so den Standortwettbewerb bis zur absoluten Absurdität auszureizen.

Auf politischer Seite gibt es noch keine wirksamen Instanzen zur Kontrolle dieses Treibens der multinationalen Konzerne. Der Turbokapitalismus verliert aber dann seine Berechtigung, wenn er die Erwerbsarbeit zurückdrängt und das Sozialnetz der Staaten unterwandert, indem er keine Steuern mehr bezahlt und die Gewinne globalisiert. Anderseits sind Konzerne nicht zimperlich, die Politik zur Kasse zu bitten, wenn es ihnen wirtschaftlich temporär nicht so gut geht. Einfach die Drohung von Massenkündigungen aussprechen und schon soll die öffentliche Hand mit Geld zu Hilfe eilen. Probleme werden sozialisiert, Gewinne hingegen privatisiert. Die Banken sind ein typisches Beispiel dafür in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte.  

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