| |

Shanghai 2020: Kopf des Drachens

Shanghai will bis 2020 in den Olymp der globalen Finanz- und Schifffahrtszentren aufsteigen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, da die Strukturen und insbesondere höhere Serviceleistungen noch nicht entwickelt sind. Außerdem besteht eine Konkurrenzsituation mit Hong Kong im eigenen Lande.

Stark getroffen und inmitten der globalen Krise entschloss sich die chinesische Regierung im März 2009, einen Plan für Shanghai als „globales Finanz- und Schifffahrtszentrum bis 2020“ zu veröffentlichen. Am 25. März 2009 nahm das durch den Premierminister Wen Jiabao angeführte State Council den Plan an und beauftragte die Stadtregierung von Shanghai mit der Ausführung. Zudem wurde der südostchinesischen Metropole der „Doppelzentrum“-Status (shuang zhongxin) verliehen. Shanghai – jetzt auf Platz fünf – soll in Zukunft den Olymp der großen Finanz- und Schifffahrtszentren dieser Welt, namentlich London, Hong Kong, Tokio und New York anführen. Dafür sollen die „vier Zentren“ Wirtschaft, Finanz-, Schifffahrt und Handel entwickelt werden.

China will die Kraft und das Potenzial des Landes durch den „Kopf des Drachens“ demonstrieren. Mit dem Kopf ist in erster Linie Shanghais Finanzzentrum Pudong gemeint. Allerdings ist es bis dahin noch ein langer Weg, da der Finanzsektor in 2008 nur mit zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Stadt beitrug – London dagegen mit 13 Prozent. Die Stadt am Yangtze beherbergte ebenso in 2008 nur rund 100 ausländische Banken. London besaß in 2005 bereits über 500. Von den rund 300 Milliarden US-Dollar (223 Milliarden Euro) Schiffskrediten, rund 52 Milliarden Euro Schiffsleasing-Transaktionen und rund elf Milliarden Eigenkapital- und Anleihenfinanzierungen weltweit, trug Shanghai nur mit einem Prozent bei.

Staatsanreize für 2020
Die Vision 2020 für Shanghai und den nächsten Aufstieg Chinas zur Weltmacht soll durch viele politische Maßnahmen, Steueranreize, Marktliberalisierungsmaßnahmen und die schrittweise angesteuerte hundertprozentige Konvertibilität des Yuan erreicht werden. Alle Maßnahmen zielen auf die Entwicklung einer modernen Service- und Fertigungsindustrie in der Stadt ab. Zusätzlich sind drei bedeutende Projekte geplant: Der Bau des weltweit sechsten Disneylands, die Beijing-Shanghai-Hochgeschwindigkeitstrasse und eine riesige Fertigungsstätte für Zivilflugzeuge. Anfang des Jahres hat die People’s Bank of China bilaterale Währungsaustausch-Vereinbarungen mit Indonesien, Russland, Südkorea, Hong Kong, Malaysia und Argentinien im Wert von 650 Milliarden Yuan (rund 71 Milliarden Euro) geschlossen. Laut des Direktors der Bank, Zhou Xiaochuan, soll in Zukunft die chinesische Währung selbst den US-Dollar als internationale Währungsreserve ersetzen. Dadurch sollen die eigenen Währungsreserven gesichert werden. Die Entwicklung des Doppelzentrums wird zur wechselseitigen Stimulierung der Finanz- und Schifffahrtsindustrie des Großraums Shanghai führen.

Entwicklung der maritimen Struktur
Die chinesische Regierung hat im 11ten Fünfjahresplan von 2006 bis 2010 die Entwicklung der logistischen Infrastruktur zum Schlüsselprojekt erklärt. Neben dem weiteren Ausbau des Yangshan-Tiefwasserhafens sollen insbesondere die Yangtze-Flussdelta-Hafenressourcen in das Hafensystem des Großraums Shanghai einbezogen werden. Phase eins bis drei des nördlichen Hafenbereichs wurden fertiggestellt (Phase 3 Ende 2008). Nun wird auf den östlichen Hafenbereich fokussiert, in dem zwischen 10 und 12 neue Liegeplätze auf einer Kailänge von vier Kilometern bis 2013 entstehen sollen. 2012 wird Yangshan eine Kailänge von insgesamt rund zehn Kilometern mit verschiedenen Terminals vorweisen können. Simultan können nach Abschluss der Arbeiten 30 Containerschiffe gehandelt werden. Der jährliche Umschlag wird bei 15 Millionen TEU liegen. Zusammen mit den anderen Terminals der Stadt (zum Beispiel Jungonglu, Zhanghuabang, Waigaoqiao, Baoshan, etc. ) wird Shanghai dann das umschlagsreichste Terminalcluster (30 Millionen TEU) der Welt noch vor Singapur und Hong Kong besitzen. In 2008 wurde zudem der Bau des internationalen Wusongkou-Terminals begonnen, das Kreuzfahrtschiffe mit einer Kapazität von 80.000 Tonnen beherbergen soll.

Nach dem Bau aller Phasen wird allein Yangshan in 2020 25 Millionen TEU bewältigen können. Rund 5.000 Containerlader  passieren schon jetzt täglich die Donghai-Brücke, über die Yangshan mit dem Festland verbunden ist. Da die meisten Container auf der Straße zwischen Yangshan und anderen Städten im Yangtze-Flussdelta transportiert werden, hat die Zentralregierung die Yangtze-Strategie eingeführt, um die Anzahl der Containerschiffe zu erhöhen, die im Yangtze-Flussdelta abgefertigt werden können. Andere Städte im Flussdelta sollen die Container ins Hafengebiet Waigaoqiao in Pudong transportieren. Von dort werden sie via Wasserbus nach Yangshan befördert. Ende März 2010 wurde die dritte Phase der Erweiterung des Tiefwasserkanals in der Yangtze-Mündung vollendet und abgenommen.

Der 12,5 Meter tiefe und 92,2 Kilometer lange Kanal verbindet das Waigaoqiao-Terminal mit dem Ostchinesischem Meer. Chinas Vize-Transportminister Weng Mengyong sagte: „Die Fertigstellung des Projekts wird die Formierung Shanghais als internationales Schifffahrtszentrum unterstützen und die Yangtze-Kapazität maximieren.“ Weiterhin sollen die Städte Nanjing, Wuhan und Chongqing weiter flussaufwärts am Yangtze-Fluss schon bald 1.000, 500 beziehungsweise 200 Containerschiffe handeln können. Die Transporteinrichtungen und -Dienstleistungen auf dem „goldenen Wasserweg“ sollen standardisiert werden. Weiterhin steht die Erweiterung der Inlands-Linienverbindungen wie zum Beispiel Zhaojiagou, Dalu, Hangzhou-Shanghai and Suzhou-Shanghai auf dem Programm.

Erweitertes Transportnetzwerk und Doppel-Expresshub
Darüber hinaus werden das Straßen- und Eisenbahnnetzwerk sowie der internationale Flughafen in Pudong und der Flughafen Hongqiao als Ergänzung entwickelt werden. Beide Flughäfen werden mittels Magnetschwebebahn verbunden. Der Masterplan für Pudong sieht bis 2015 neben einem dritten Passagierterminal, einem Satellitenterminal, zweier neuer Startbahnen auch eine Frachtkapazität von sechs Millionen Tonnen jährlich vor. Im Dezember 2008 eröffnete UPS sein neues internationales Hub am Pudong International Airport.  „Das Hub öffnet die Türen zum Handel mit China weiter. Wir glauben, Shanghai wird dadurch ein noch attraktiveres Geschäftszentrum werden und unsere Kunden werden davon profitieren“, sagte Derek Woodward, Präsident von UPS Asia Pacific. Mit der Eröffnung des DHL Nordasien Hubs ebenfalls in Pudong in der zweiten Hälfte von 2010 wird Pudong der einzige Flughafen mit zwei internationalen Expresshubs sein. Er ist schon jetzt der drittgeschäftigste Flughafen der Welt und wird durch die Eröffnung des DHL-Expresshubs nochmals einen gewaltigen Schub erhalten. 

Konkurrenz im eigenen Lande
Neben dem Ausbau des Transportnetzwerkes, der Linienverkehre und dem Transshipment steht die Entwicklung von hochwertigen Logistik- und Finanzdienstleistungen auf dem Plan. Die Schifffahrts- und Handelsdienste des nördlichen Bundes sollen unter anderem erweitert werden. Pudong soll in eine Test- und zukunftsweisende Zone für Reformen, Öffnungspolitik, unabhängige Innovationen und moderne Dienstleistungen überführt werden. Eine Informationsplattform für den Schifffahrtsbereich wird geschaffen werden. Ebenso muss die Palette der Finanzdienstleistungen, Schiffsfinanzierungen und -Versicherungen diversifiziert werden. Ein weiteres Problem sind die hohen Geschäftskosten. Zum Beispiel hat Singapurs Neptune Orient Line (NOL) Ende 2009 entschieden, ihr Greater China-Hauptquartier von Shanghai nach Chongqing zu verlegen. Ebenso entschied die Maersk Group im Oktober 2009 ihr Dokumentenbearbeitungs- und Logistikmanagement-Zentrum sowie das Global Service Center in Chengdu aufzubauen. Weiterhin besteht eine Konkurrenzsituation mit Hong Kong im eigenen Lande. Die Stadt am Perlfluss ist Shanghai im Finanz- und Schifffahrtsbereich noch weit voraus. Shanghai will deswegen Hong Konger Schifffahrts-Unternehmen und Finanzexperten anlocken. Allgemein besteht bisher noch ein Mangel an Fachkräften, Erfahrung und adäquaten Produkten. (DR)

Logistik express Redaktion: Dirk Ruppik

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar