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Alles auf Schiene, wenig im Fluss

Ein leistungsfähiger Hinterlandverkehr hat aus europäischer Sicht eine Schlüsselfunktion im Transportgeschäft und ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Seehäfen. Besonders der steigende Containertransport bringt Seehäfen leicht an ihre Kapazitätsgrenze und macht sie abhängig von einem guten Hinterlandverkehr. 

Rein-runter-rauf-raus – und zwar möglichst schnell, ist deshalb zum Beispiel eine zentrale Zielsetzung des Hamburger Hafens. Nur so wird die Hafenfunktion als Umschlagsplatz voll umgesetzt. Wie und durch wen der Hinterlandverkehr in Zukunft bewältigt werden soll, ist derzeit Gegenstand von zahlreichen Projekten, Planungen, Konzepten und Förderungen. Antriebsfeder ist die Prognose rasch wachsender Warenströme, die in Form immer größerer Seeschiffe auf die Häfen zukommen. Dabei ist eines klar: allein mit der Förderung des kombinierten Verkehrs wird es nicht getan sein, weil diese Förderung hauptsächlich eine Hafenförderung ist und deshalb noch lange keine nachhaltige Bewältigung des Hinterlandverkehrs garantiert. Eine Verkehrsverlagerung von der Straße zur Wasserstraße ist durch die gegenwärtige Förderpolitik ebenfalls Wunschdenken. Was durch die Transportförderpolitik tatsächlich gefördert wird, zeigt eine gesamt EU-Studie aus dem Jahre 2008 (Subventionen des Verkehrs in Europa/EUA), wo deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass die Förderung für den Straßentransport weit vor dem Bahntransport liegt und die Schifffahrt mit ca. 10 Porzent der Fördermittel gleichauf mit dem Flugverkehr liegt, obwohl das Flugzeug im Transportbereich kaum ins Gewicht fällt. Die Studie kommt außerdem zu dem Schluss, dass der Umweltgedanke selten Grund für Subventionen ist.

EU Verkehrspolitik: Zementsäcke in der Mercedes E-Klasse
Geht man davon aus, dass die Bahn ein hoch entwickeltes und sündteures Transportmittel ist, dann ist der Kohlezug quer durch Europa eigentlich ein volkswirtschaftlicher Schwachsinn und vergleichbar mit dem Transport von Zementsäcken im Mercedes der E-Klasse. Eine Differenzierung bei der Förderung des kombinierten Verkehrs ist aber nicht vorgesehen. Deshalb fährt parallel zur viel zu wenig ausgelasteten Wasserstraße ein Kohlezug, der dem Containerzug den Platz weg nimmt und so für Kapazitätsengpässe auf der Bahntrasse und eine Zunahme des LKW-Verkehrs sorgt. Noch in diesem Jahr sollen die vorrangigen Vorhaben (dzt. 30 prioritäre Projekte) überarbeitet werden. Ob es jetzt gelingen wird, mehr Nachhaltigkeit in die europäische Verkehrsinfrastruktur zu bringen und so den Hinterlandverkehr auf der Wasserstraße zu unterstützen, wird sich zeigen. Bereits bekannte Neuerungen lassen jedoch für die Binnenschifffahrt wenig Hoffnung aufkommen: Mit entscheidend für die überproportionale Ausrichtung der Verkehrspolitik auf die Bahnnetze dürfte die Entscheidung der EU sein, dass die Kohleförderung für den inländischen Bergbau deutlich früher als geplant auslaufen soll. Diese Entscheidung wird ganz sicher nicht der Umwelt dienen – wie das als Begründung für die Streichung der Förderung betont wird, denn Kohlekraftwerke werden weiter geplant und gebaut. Von einer Reduzierung der Kohleverbrennung ist also auf lange Sicht gar keine Rede, ganz im Gegenteil. Dafür wird aber künftig mehr Kohle importiert werden müssen, und zwar per Bahn aus Russland. Vielleicht kommt auch noch mehr Kohle aus Kolumbien. Davon wird die Umwelt zwar auch nicht besser, die Binnenschifffahrt könnte aber wenigstens einen kleinen Hinterland-Transportanteil abbekommen. Ein anderes Projekt, die Baltic-Adria-Achse per Bahn von Danzig über Österreich zu den Adriahäfen, verschlingt nicht nur enorme Finanzmittel. Sie wird den Hinterlandverkehr auf der Donauachse auch nicht gerade stärken, weil in Verbindung mit der Adria-Meeresautobahn die Bedeutung der Donauhäfen im Schwarz–Meer-Schlamm versinkt. Außerdem fahren bereits jetzt Seeschiffe aus dem Verkehr über den Suez-Kanal lieber um Europa herum zu den Nordsee-Häfen, anstatt die näher liegenden Schwarzmeer-Häfen anzusteuern. Der Grund ist wohl im schwachen Hinterlandverkehr auf dem Wasserstraßensystem zu suchen. Einzig der Po und das norditalienische Wasserstraßensystem dürften künftig ein wenig von den neuen Prioritäten profitieren. Hier hat gerade gegen den Widerstand der Naturschützer das erste Containerschiff Venedig in Richtung Mantua verlassen und große Ausbaupläne warten auf die Umsetzung. Realistisch betrachtet, wird aber diese Wasserstraße auf lange Sicht keine bedeutende Rolle im Hinterlandverkehr spielen, sondern eher eine „Blumenkistl“-Funktion übernehmen.

Ex-Jugoslawien vereint im Verkehr
Die Entscheidung von drei Regierungen aus Ex-Jugoslawien, nämlich Serbien, Kroatien und Slowenien, ihre Bahninteressen künftig gemeinsam zu verfolgen, ist zwar durchaus als historisch zu bewerten. Immerhin zeigt es, dass Verkehr verbindet und die Chance genutzt wird, an die wichtigen Türkeitransporte zu kommen. Die gigantischen Summen, die dieses Ausbauvorhaben auf dem Korridor 10 (Salzburg-Ljubljana-Zagreb-Belgrad-Istanbul) verschlingen wird, werden aber ganz sicher in dringend notwenigen Infrastrukturmaßnahmen für den Hinterlandverkehr an der Donau, Save und Theiß fehlen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn selbst Transporte, die bestens für die Wasserstraße geeignet erscheinen, lieber mit der Bahn durchgeführt werden. Jüngstes Beispiel sind 100.000 PKW pro Jahr, die in Ungarn – kaum 50 km vom Donauhafen entfernt – vom Band laufen, aber (noch) nicht per Schiff zum Abnehmer gelangen. Dabei könnten leicht 1.000 PKW und mehr pro Schiff den Hinterlandverkehr zu den Schwarz-Meer-Häfen besorgen. Das europäische Wasserstraßensystem ist geeignet, den Seehafen-Albtraum zu verhindern. Allerdings werden vorher wohl noch Anpassungen auf der prioritären Liste der europäischen Verkehrspolitik notwendig sein.

Straße und Bahn dominieren den europäischen Hinterlandverkehr
Rund elf Milliarden Euro sind nötig, um das Schienennetz in Deutschland durch Ausbauten und teilweise sechs-spurige Neubauten innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte so zu ertüchtigen, dass darauf die doppelte Gütermenge transportiert werden kann. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesumweltamtes in Deutschland und verlangt weiters, dass der Güterverkehr in Zukunft so organisiert werden muss, dass den Erfordernissen des Klimaschutzes Rechnung getragen wird. Um dieses Ziel zu erreichen, soll laut UBA der Güterverkehr stärker auf die Schiene verlagert werden. Gleichzeitig verlangt das UBA keinen zusätzlichen Flächenverbrauch für den Verkehr. Neue Infrastruktur darf keine unzerschnittenen Räume durchschneiden und die Binnenschifffahrt soll nur auf bereits ausgebauten Wasserstraßen als (Verkehrs)Alternative dienen. Dieser Zugang zur Lösung künftiger Verkehrsaufgaben entspricht zwar der gegenwärtigen EU-Verkehrspolitik, eine oft erwünschte Verkehrsverlagerung hin zur Wasserstraße wird damit aber sicher nicht zu erreichen sein. Ändert sich dieser Zugang zur Bewältigung künftiger Verkehrsaufgaben nicht, darf man sich nicht wundern, wenn es im hochwertigen Bahnnetz immer wieder zu Engpässen kommt und der Hinterlandverkehr zum Erliegen kommt. (PB)

Logistik express Redaktion: Peter Baumgartner

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