Sicherheitsgipfel 2023: Cybercrime, Deepfake Fraud wachsen rasant
150 hochkarätige Gäste diskutierten beim Gipfeltreffen der Branche über die Sicherheit im stationären Handel sowie im eCommerce. Ebenfalls im Fokus: Auswirkungen der KI auf Cybercrime, Blackout-Prävention & eine Botschaft von Verteidigungsministerin Tanner.
Beitrag: Gerald Kühberger.
Kriminelle Delikte sind 2022 deutlich angestiegen: 82% der österreichischen stationären Händler haben bereits Erfahrung mit Kriminalität in ihren Geschäften gemacht. Bei manchen haben sich die Fälle in letzter Zeit sogar verdreifacht. Hinzu kommt: Zwei Drittel aller Händler waren bereits von Cybercrime betroffen. Aber nicht nur händlerseitig sind kriminelle Aktivitäten angestiegen. Mehr als ein Viertel der österreichischen Bevölkerung waren schon mal Opfer von Fake-Webshops. Wie hoch ist das Schadensausmaß tatsächlich? Welche Maßnahmen können eingesetzt werden, um diesen negativen Trends entgegenzuwirken? Und wie unterstützt die Polizei im Ernstfall? All diese Fragen wurden bei der vierten Ausgabe des HV Sicherheitsgipfels am 10. Mai in der Albert Hall Wien von den führenden österreichischen Sicherheitsexperten beantwortet.
64% aller heimischen Händler waren bereits Opfer von Betrug im Netz
Cybercrime & Betrug im eCommerce nehmen laufend zu. 2021 ist die Zahl der weltweiten Ransomware-Angriffe mit +435% regelrecht explodiert. Im Vorjahr musste der Onlinehandel in Österreich zwar erstmals deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen, doch die Zahl der Delikte und neuen Betrugsmaschen ist erneut angestiegen. Laut Kriminalstatistik gab es 2022 in Österreich insgesamt 60.195 Anzeigen im Zusammenhang mit Cybercrime. „Mittlerweile steht Cybercrime ganz weit oben auf der Liste potenzieller Bedrohungen für den Handel und alle anderen Branchen, denn die Schäden gehen teilweise in die Millionen. Auch die Arten von Betrug im Netz, mit denen Onlinehändler konfrontiert werden, sind mannigfaltig. Die Palette reicht vom Retourenbetrug über Bestellungen, die nicht bezahlt werden können, die Angabe verfälschter Namens- oder Adressdaten bis hin zum Abstreiten des Erhalts der Ware“, so Handelsverband-Geschäfts-führer Rainer Will, der sich in seiner Eröffnungsrede u.a. auch bei Innenminister Gerhard Karner und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner für die gute Zusammenarbeit bedankte.
„Das Wissen über Cybercrime und eCommerce Fraud allein reicht aber nicht, man muss auch anwenden. 64% der österreichischen Handelsbetriebe sind bereits Opfer von Betrug im Netz geworden, ein Drittel der Unternehmen sogar schon mehrmals. Daher appelliere ich an alle Händler: Investieren Sie in eine hochwertige, sichere IT-Infrastruktur und schulen Sie Ihre Beschäftigten“, ergänzte Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.
Initiative „Gemeinsam Sicher“ unterstützt heimische Händler in der Präventionsarbeit
Die Händler müssen die größtmögliche Sicherheit im digitalen Raum gewährleisten, um Neukunden zu gewinnen und Stammkunden nicht zu verlieren. Prävention ist dabei die halbe Miete – je besser die Vorbereitung, desto besser laufen die Geschäfte. Daher ist die langjährige, enge Kooperation mit dem Bundeskriminalamt und der Initiative „Gemeinsam Sicher“ für die Branche von essenzieller Bedeutung.
„Das große Interesse am Sicherheitsgipfel zeigt, wie wichtig das Thema Cyberkriminalität in den letzten Jahren geworden ist. Egal ob Schadsoftware, Datendiebstahl oder digitale Erpressung, die Möglichkeiten von Cyber-Kriminellen nehmen gerade in diesem Bereich rasant zu. Umso wichtiger ist der laufende Austausch mit dem Handel und die langjährige Zusammenarbeit mit dem Handelsverband“, bestätigte Manuel Scherscher, Vizedirektor des Bundeskriminalamts und Leiter der Initiative „Gemeinsam Sicher“ in seinem Eingangsstatement. Auch im Verteidigungsministerium steht die Verbesserung der Cyber-Sicherheit seit Jahren im Fokus, wie Bundesministerin Klaudia Tanner in ihrer Grußbotschaft an den heimischen Handel berichtete.
Ladendiebstahl & Bandenkriminalität wirkungsvoll bekämpfen
Die erste Podiumsdiskussion beim Sicherheitsgipfel 2023 stand ganz im Zeichen des stationären Handels. Petra Huber-Lintner, Leiterin des Büros für Allgemeine Kriminalität im Bundeskriminalamt, Alexander Herberstein, Leitung Sicherheitsmanagement & Versicherung beim Dorotheum, HV Vizepräsident Norbert Scheele, Head of European Expansion bei C&A Mode, Jacqueline Bichler, Rechtsanwältin bei Stadler
Völkel Rechtsanwälte, und Robert Spevak, Audit & Security bei Metro Österreich und Leiter des HV-Ressorts „Sicherheit im Handel“, diskutierten über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Ladendiebstahl, Bandenkriminalität und Vandalismus.
Fazit: Die Fallzahlen haben längst wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, die jährliche Schadenssumme durch Ladendiebstähle liegt mittlerweile bei rund 500 Millionen Euro. Umso wichtiger sind Präventionsmaßnahmen und Schulungen des eigenen Personals.
Blackout: Was geht, wenn nichts mehr geht?
Wenn es um Sicherheit im Handel geht, darf auch das Thema Blackout-Prävention nicht fehlen. Bei einem Blackout, einem überregionalen Zusammenbruch der Stromversorgung, würden weite Teile der Wirtschaft und der Gesellschaft nicht mehr funktionieren, mit dementsprechend gravierenden Folgen. Wie ein breitflächiger Blackout ablaufen könnte, welche Folgen das für uns alle hätte und welche Präventionsmaßnahmen der heimische Lebensmittelhandel ausgearbeitet hat – darüber sprach Elmar Ritzinger, Leiter der Abteilung II / 8 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (BML), mit Michael Pecher, Leiter Filialkoordination & Konzern-Krisenteam bei SPAR.
Deepfake Fraud: KI wird zum kriminellen Massenphänomen
Verfahren zur Manipulation von medialen Identitäten und Bildern existieren seit Jahren, allerdings waren sie früher sehr aufwändig. Durch neue Methoden aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) ist es heute jedoch viel einfacher. Deepfakes können mit wenig Aufwand und Expertise in hoher Qualität erstellt werden. Welche gewaltigen Herausforderungen dadurch auf uns zukommen werden, und wie Deepfake Fraud aufgedeckt werden kann, darüber sprachen die Experten Sven Kurras und Marvin Ehleben von Risk Ident. Die Keynote unterhielt nicht nur die Gäste, sondern bewirkte vor allem eines: Der Vortrag öffnete die Augen, wie schnell man mit moderner KI-Technologie an der Nase herumgeführt werden kann. Daher: Vertrauen ist gut, Kontrolle aber noch besser.
Online? Aber sicher!
Cyber Security ist mittlerweile ein essenzielles Thema für stationäre wie Online-Händler. In der zweiten Podiumsdiskussion des Sicherheitsgipfels diskutierten Sandra Hrastnig, Fachexpertin in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität des Bundeskriminalamts, Gerald S. Eder, Sales Director Digital Services beim Technologieanbieter CRIF Austria, Andreas Schütz, Partner bei Taylor Wessing, Manuel Löw-Beer, Gründer und Geschäftsführer von Spixnet, und Patricia Grubmiller, Head of Legal im Handelsverband, wie man sich ideal vor Onlinebetrug schützen kann und auf was sich Händler und Kunden gefasst machen sollten. Durch neue Technologien werden Betrüger immer erfinderischer – dem gilt es entgegenzuwirken und dementsprechend vorbereitet zu sein. Dies belegen auch die Key Findings aus dem Deloitte Cyber Security Report 2023, welche von Georg Schwondra, Partner für Cyber Risk in der Risk Advisory von Deloitte Österreich, und Marco Geiger, Manager bei Deloitte
Österreich, präsentiert wurden.
Scaleup Zapping: Cyber Security im Fokus
Ein weiteres Highlight des Gipfels in der Albert Hall Wien war das Scaleup Zapping, bei dem vier Firmen aus dem (Cyber) Security Umfeld ihre innovativen Lösungen vorstellen konnten. Live on Stage: Andreas Raab, Head of Corporate Developement bei Nuki Home Solutions aus Graz, Alexander Fried, Gründer und Geschäftsführer von Swilox, Markus Hambrusch, Geschäftsführer von Taurus Sicherheitstechnik, und Gerd Piber, Founder von Better Life Tech. Auch dieses Jahr hat Journalistin Gabriele Jiresch (retailreport.at) mit einer sympathischen und kompetenten Moderation durch die gesamte Abendveranstaltung geführt. Weitere prominente Gäste beim Sicherheitsgipfel 2023 waren: Andreas Hadacek (Axians Austria), Raz Manne und Peter Kaderabek (beide REWE),
Franz Danzinger (BMF), Heinz Holub-Friedreich und Elisabeth Petersmann (beide Bundeskriminalamt), Ruth Moss und Tim Krauss (beide CRIF), Karsa Daranyi (Decathlon), Stefan Haslinger (Deutsche Bank), Alexander Dorfmayr und Hannelore Weihrauch (beide DM Drogerie Markt), Ralph Kruta (EVN), John Bernhardt (Exomys), Philipp Täubel (Hartlauer), Dejan Lakic und Cornelia Mayr (beide Hervis), Helmut Wolf (Kastner & Öhler), Kaspar Berger (LIDL Österreich), Piotr Kwasniak (Mastercard), Nicol Josef Schappelwein (MediaMarkt), Petra Tröbinger und Marion Morawitz (beide Morawa), Heidemarie Kriz (Point of Sale Doctor), Ernst Steininger (WK Wien), Heinz Schiller und Gerald Eder (beide Österreichische Post), Gerd Neuwirth (Samsung), Michael Feichtinger (Unito), Christophe Gevert (Glory) uvm. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 2/2023