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Studie zur Krisen- und Risikoprävention: Intelligente Instrumente statt „Chicken Run“ und stumpfer Axt

Die zunehmend komplexen Lieferketten lassen sich mit traditionellen Methoden wie Punktebewertungen und Ampeldarstelllungen nicht mehr überwachen. Risikoprävention und Versorgungssicherheit können zukünftig nur durch eine systematische Nutzung von Daten und intelligenten Analysemethoden erreicht werden.

Mittlerweile sind in den Unternehmen mannigfaltige IT-Systeme zur Überwachung von Risiken vorhanden. Doch sind die Daten aus den IT-Systemen für eine effiziente Risikoprävention geeignet? Werden die Daten aus den verschiedenen IT-Systemen systematisch konsolidiert, um ein Gesamtbild über alle Lieferanten und Risiken zu erhalten? In vielen Unternehmen noch nicht! Empfehlung: Total Supplier Management. Dieser Ansatz hat bei Anwendern eine Steigerung des EBIT um bis zu 6% ergeben.

Der BMÖ – Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich hat die Studie „Total Supplier Management – Krisen- und Risikoprävention durch effiziente Nutzung vorhandener Daten und IT-Systeme“ vorgelegt. Die Ergebnisse zeigen den Nutzen adäquater bestehender IT-Landschaften für ein präventives und ganzheitliches Risikomanagement. Dabei wurde untersucht, welchen Mehrwert eine Konsolidierung bestehender Daten zur Wissensgenerierung besitzt, so dass kritische Lieferanten frühzeitig identifiziert und Maßnahmen rechtzeitig initiiert werden können. Ferner analysiert die Studie den Nutzen einer durchgängigen IT-Landschaft vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels. Für einen effektiven Einsatz verfügbarer Ressourcen werden Empfehlungen abgeleitet.

Die 7. Studie „Total Supplier Management“ wurde von der bbw University of applied Science (Berlin) in Kooperation mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ, Wien) und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME; Region Berlin-Brandenburg) durchgeführt. Beteiligt haben sich 85 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung.

Ausgewählte Kernaussagen:

  • Die Notwendigkeit einer bereichsübergreifenden Steuerung des Lieferantenmanagements wird unterschätzt: Nur 57% der Studienteilnehmer haben eine zentrale Organisationseinheit zur Gestaltung und Koordination etabliert.

  • Auffallend: Nur ein Drittel setzt SRM-Systeme im Lieferantenmanagement ein.

  • Derzeit kommen für das Lieferantenmanagement in den Unternehmen durchschnittlich
    4,2 IT-Systeme zum Einsatz (ERP-Systeme am häufigsten). Ein IT-System zu besitzen,
    bedeutet indes nicht, dass dieses auch effizient eingesetzt wird.

  • Es existieren viele Insellösungen, die auf einer historisch gewachsenen IT-Landschaft und (fehleranfälligen) Tabellenkalkulationsprogrammen basieren. Ein durchgängiger Workflow entlang Lieferantenbewertung, Entscheidungsgremium, Lieferantenentwicklung und Lessons Learned ist in den meisten Unternehmen daher nicht vorhanden.

  • Risikomanagement wird vornehmlich als Kostenfaktor betrachtet. Darum unterbleibt eine
    Neuausrichtung auf ein präventives und nachhaltiges Lieferantenmanagement viel zu oft.
    Der Nutzen wird nicht erkannt. Risikomanagement bleibt überwiegend reaktiv.

  • Risikoprävention beginnt mit der Beurteilung von Lieferanten im Rahmen einer Materialgruppenstrategie. Eine solche hat bisher nur die Hälfte der Unternehmen vorgenommen.

  • Ein Viertel der Studienteilnehmer bewertet Lieferanten nur bei Bedarf. Das bedeutet: Man
    analysiert bereits auffällige Lieferanten erst im Anschluss. Das widerspricht einer Risikoprävention.

  • Spezialanwendungen wie Risikomonitoring und Nachhaltigkeitsrating werden auch nach Anschaffung nur sehr selten genutzt. Über 60% geben an, diese Instrumente des Risikomanagements gar nicht einzusetzen. Ausnahme: Finanzrating.
  • Bei auftretenden Krisen und Risiken wird ad hoc eine Task Force zusammengestellt.
    Die Folge: Nun wird das operative Tagesgeschäft vernachlässigt. So entstehen weitere
    Risiken.

  • Standardisierte Abläufe sind selten vorhanden, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
    Es wird weiterhin mit der stumpfen Axt auf einen Mammutbaum eingeschlagen. Durch reaktives Vorgehen und fehlende Standards kommt es zum „Chicken Run“ um den Baum herum.


Ableitungen / Empfehlungen
:

  • Die Machtverhältnisse zwischen Abnehmer und Lieferant haben sich verschoben. Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und -prozessen macht den standardisierten Einsatz neuer Verantwortlichkeiten, Abläufe und Methoden erforderlich.
  • Total Supplier Management ist als workflowbasiertes Assistenzsystem der Grundstein für ein
    ganzheitliches Lieferantenmanagement. Risiken werden frühzeitig identifiziert, Maßnahmen
    gemeinsam initiiert und Schnittstellenprozesse kontinuierlich optimiert. Der TSM-Ansatz hat
    bei Anwendern eine Steigerung des EBIT um bis zu 6% ergeben.
  • Der Reifegrad eines erfolgreichen Lieferantenmanagements zeichnet sich durch sechs
    Qualitätsmerkmale bei der Zusammenarbeit aus:
    partnerschaftlich – bereichsübergreifend –  präventiv – nachhaltig – standardisiert –
    prozessoptimierend.
  • Durch die Optimierung der Schnittstellen zwischen Abnehmer und Lieferant lassen sich
    systematisch Prozess- und Kostenvorteile ableiten (z.B. Optimierung der Abrufsystematik).
  • Datenkonsolidierte Überwachung der gesamten Lieferantenbasis, frühzeitiges Handeln durch
    Risikoprävention und ein bereichsübergreifend abgestimmtes Vorgehen senken die lieferantenspezifischen Prozess- und Fehlerkosten signifikant. Dieses Kostenpotenzial muss dem Aufwand des Risikomanagements gegenübergestellt werden.


Zwei Statements
:

„Pandemie, Engpass an Prozessoren, Suezkanal, Ukraine-Konflikt und jeweilige Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit: Die gegenwärtigen Krisen in den Lieferketten haben die Defizite im Risikomanagement deutlich aufgedeckt. Weitere Risiken schlummern unentdeckt in den globalen Lieferketten. Hinzu kommen gesetzliche Anforderungen, etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. War bisher eine Fokussierung auf die TOP 50-Lieferanten üblich, so muss nun die gesamte Lieferkette präventiv überwacht werden. Die Unternehmen müssen sich dringend mit neuen Methoden, den nötigen personellen und finanziellen Ressourcen sowie geeigneten digitalen Tools befassen.

Prof. Dr.-Ing. Robert Dust
Professor für International Technology Transfer Management an der bbw Hochschule Berlin


„Die Krisen- und Risikoprävention stellt den größten Mehrwert eines ganzheitlichen Lieferantenmanagements dar. Eine frühzeitige Identifikation von Risiken und die Möglichkeit, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Resilienz der Lieferketten. Neben einer robusten Teileverfügbarkeit wird der Aufwand zur Absicherung bzw. Wiederherstellung der Lieferfähigkeit minimiert. Durch standardisierte und frühzeitige Integration von Lieferanten in die eigenen Unternehmensabläufe lassen sich Defizite in der späteren Zusammenarbeit erheblich minimieren. Bei der Analyse bzw. Interpretation helfen Business Analytics und Künstliche Intelligenz. Das gilt im Übrigen für große Unternehmen und KMU gleichermaßen.“

Heinz Pechek
Geschäftsführender BMÖ-Vorstand


Download der Studie
Total Supplier Management – Krisen- und Risikoprävention durch effiziente Nutzung vorhandener Daten und IT-Systeme“: hier

Mehr zum Thema TSM:
https://tsm.berlin/ (Prof. Dr. Robert Dust)

Mehr zum BMÖ:
(Veranstaltungskalender, Akademie, Lehrgänge/MBA, Services etc.):
https://bmoe.at/


Terminhinweise
(ausgewählt):
25.01.2024, Wien

BMÖ-Lieferkettentag
https://bmoe.at/wp-content/uploads/2023/09/BMOe-Lieferkettentag-2024.pdf


Rückfragen und Kontakt:

BMÖ – Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich
Liechtensteinstraße 35, 1090 Wien
Mail: sekretariat@bmoe.at

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