Teileversorgung einer Montagelinie – ein Fahrerloses TransportSystem (FTS) übernimmt umfangreiche Logistikfunktionen
Die Hauptaufgabe des FTS besteht darin, Material vom Versorgungszentrum zuverlässig, in „Sequenz“ und „Just in Time“ an die jeweiligen Verbautakte der Montagelinie zu transportieren.
Im Versorgungszentrum werden Lagerteile in vier unterschiedlichen Lagertypen bevorratet: Kleinteile befinden sich in einem automatischen Kleinteilelager (AKL). Ein Hochregallager (HRL) ist für Teile konzipiert, die in großer Anzahl verbaut werden und in DIN-Behälter passen. Im Blocklager (BL) werden Teile gelagert, die so sperrig sind, dass sie nicht in die DIN-Behälter passen und damit nicht HRL-fähig sind. Für bestimmte variantenstarke Teile schließlich gibt es noch das Sequenzlager (SQL).
Das FTS
Das FTS bedient alle vier Lagertypen und bringt die Teile an die jeweiligen Verbauorte in der Montage. Das gesamte Streckenlayout hat eine Länge von 14,5 km mit 65Aufnahmestationen im Versorgungszentrum und ca. 400 Bahnhöfen – so werden die Last-aufnahme- und -abgabestationen im Bereich der Montage genannt.
Für die Teileversorgung sind insgesamt 74 FTF im Einsatz (LxBxH 2.400x800x380 mm). Diese sind als Dreirad-Fahrzeuge ausgeführt und werden von einem Drehstrom-Radnabenmotor angetrieben und gelenkt. Als Ladehilfsmittel werden mehr als 2.000 Rollwagen in zwei unterschiedlichen Ausführungen eingesetzt. Je FTF ist es möglich zwei kleine Rollwagen, zur Aufnahme von Behältern bis DIN-Größe, oder ein so genannter übergroßer Rollwagen zur Aufnahme von Großbehältern einzusetzen. Eine Ausnahme bilden die Sequenziergestelle aus dem Sequenzlager mit Sonderaufbauten.
Um einen Rollwagen zu transportieren wird dieser vom FTF unterfahren und angehoben. In Hauptfahrtrichtung fahren die Fahrzeuge mit einer maximalen Geschwindigkeit von 1,2 m/s. Den Personenschutz und die Hinderniserkennung übernimmt dabei ein Laser-Scanner, der den Bereich vor dem Fahrzeug überwacht.
Rückwärts fahren die Fahrzeuge lediglich um zu positionieren – und das mit maximal 0,3 m/s und eingeschaltetem akustischen Warnsignal. Eine Tritt-Schaltleiste, die an der Rückseite des Fahrzeuges angebracht ist, sorgt für die entsprechende Absicherung während der Rückwärtsfahrt.
So genannte Line-Runner ermitteln den Teilebedarf an den Verbauorten in der Montage. Sie scannen den Barcode der leeren Behälter ein. Per WLAN wird der Abruf ins SAP-System übertragen, wodurch automatisch ein entsprechender Auftrag an das jeweilige Lager generiert wird. Die gesamte Material-Wiederbeschaffung dauert je nach Priorität von 20 Minuten bis zu maximal zwei Stunden.
Die ausgelagerte Ware wird in einer Gitterbox oder auf einer Palette an einem der 65 FTS-Bahnhöfe bereitgestellt und dort auf einen leeren Rollwagen gebracht.
Per Scanner wird die Ware mit der aktuellen Bahnhofsadresse (Quelle) verheiratet. Der Ziel-Bahnhof wurde bereits mit der Bedarfsanforderung durch den Line-Runner festgelegt.
Um die Transportwege in der weitläufigen Montagehalle zu reduzieren, ist das Steckenlayout in drei Standard-Routen aufgeteilt. Bei der Auslagerung aus dem HRL, aus dem 60% der Transporte erzeugt werden, wird systemseitig geprüft, ob zeitnah weitere Transporte für die eine der drei Routen aus dem AKL und BL anliegen.
Ist dies der Fall, findet eine so genannte Pärchenbildung statt, d.h. auf einem FTF werden gleichzeitig Teile aus unterschiedlichen Lagern transportiert. Die Zuordnung dieser Pärchen erfolgt am Dispositionspunkt. Hier stehen bis zu zehn FTF in Warteposition und können wahlfrei für die anstehenden Aufträge herangezogen werden.
Versorgungszentrum und Montage sind mit einer Brücke verbunden. Das Niveau der Brücke erreichen die FTF über jeweils vier Heber an den Brücken-Enden. Auf dieser Brücke befinden sich auch die automatischen Batterie-Ladestationen. Hier werden die Batterien der Fahrzeuge auf der Rückfahrt von der Montage in das Versorgungszentrum nachgeladen.
In der Montage hat jeder Verbauort (=Takt) einen eigenen Abgabebahnhof mit jeweils zwei Haltepositionen. Je nachdem ob der vordere oder der hintere Rollwagen vom FTF abgesetzt werden soll, wird die entsprechende Haltposition angefahren.
Der Line-Runner verschiebt den vollen Rollwagen vom FTF auf den Montageplatz und gibt einen leeren oder mit Wertstoffen beladenen Rollwagen wieder auf. Per Fußtaster am FTF wird der Rückweg bzw. die Weiterfahrt gestartet. Zurück geht es wieder über die Brücke in das Versorgungszentrum, bzw. zur Leerguthalle wo die Wertstoffentsorgung erfolgt.
Für den Teileabruf aus dem Sequenzlager wurde ein abweichender Prozess definiert. In den Sequenziergestellen werden verschiedene Varianten spezieller Teilefamilien gemäß Montagereihenfolge kommissioniert und manuell an den dafür vorgesehenen FTF-Bahnhöfen bereitgestellt. Da jedes Sequenziergestell nur für eine bestimmte Teilefamilie geeignet ist, verschlüsselt eine Festcodierung jedes Gestell in Bezug auf Teilefamilie und dem Verbauort (Ziel). Diese Codierung wird von der Leittechnik verwaltet und somit ist das Ziel für das jeweilige Sequenziergestell (Fahrzeug) bekannt. Transporte der Sequenziergestelle haben immer eine hohe Priorität. Leere Sequenziergestelle werden zum Ausgangspunkt in der Sequenzierzone zurück gebracht!
Thema: Navigation
Die Fahrerlosen Transportfahrzeuge finden ihren Weg mit Hilfe der so genannten freien Navigation. Damit ist gemeint, dass es im Boden keine physikalische Leitspur für das Fahrzeug gibt.
Die freie Navigation arbeitet nach einem kombinierten Prinzip aus Kopplung und Peilung. Kopplung bedeutet die Auswertung von fahrzeuginternen Sensoren (Messräder und ein faseroptischer Kreisel), wodurch der zurückgelegte Weg mitsamt Kurven bestimmt wird. Etwa alle fünf bis zehn Meter wird gepeilt. In diesem Abstand sind über das gesamte Layout verteilt kleine Dauermagneten im Boden eingelassen. Diese Magneten haben einen Durchmesser von 20 mm und sind 10 mm hoch. Sie werden beim Überfahren von einer Magnetsensorleiste, die an der Unterseite des Fahrzeuges befestigt ist, erkannt und ausgewertet.
Bei jeder Peilung werden aufgetretene Fahrfehler, die durch Schlupf der Räder oder durch Veränderungen des Raddurchmessers auftreten können, korrigiert.
Thema: Energiekonzept
Die Fahrerlosen Transportfahrzeuge sind mit schnellladefähigen NiCd-Batterien ausgestattet (104 Ah bei 24 V). Das bedeutet, dass sie nicht wie konventionelle Blei-Batterien vollständig entladen und dann wieder ganz aufgeladen werden müssen. In dieser Anwendung sind Zwischenladungen, also das kurze Aufladen mit hohem Ladestrom, in den Ablauf integriert. Auf jeder Rückfahrt über die Brücke halten die FTF auf Bodenkontakte und bekommen automatisch die Energie nachgeladen, die sie für den nächsten Einsatz benötigen.
Während einer Rundfahrt verbrauchen die Fahrzeuge nur ca. 20 % der gepufferten Energie – so ist immer genügend Reserve vorhanden. Es müssen keine Batterien getauscht werden und die Fahrzeuge sind rund um die Uhr einsatzfähig.
Thema: Leitsteuerung
Die FTS-Leitsteuerung (im Bild: TMS-Leitrechner) ist der stationäre, übergeordnete Koordinator der Fahrerlosen Transportfahrzeuge. Sie ist über das Ethernet-Netzwerk und den hausinternen WLAN-Breitbandfunk sowohl mit den Fahrzeugen (als Auftragausführende) als auch mit dem SAP-System (als maßgeblicher Auftraggeber) verbunden. Die FTS-Leitsteuerung kommuniziert auf diese Weise ebenso mit den peripheren Einrichtungen wie Heber, Batterie-Ladestationen und Brandschutztore.
Eine Hauptfunktion der FTS-Leitsteuerung ist die Transportauftragsabwicklung. Alle Transportaufträge werden in einer Liste geführt und entsprechend ihrer Dringlichkeit priorisiert. Auf diese Weise wird die Reihenfolge der Auftragsabwicklung festgelegt.
Die Fahrzeugdisposition wählt nach verschiedenen Kriterien für jeden Transportauftrag ein FTF aus. Ist dies geschehen, überwacht die Fahrauftragsabwicklung die Durchführung des Auftrages. Dabei unterstützt sie das Fahrzeug auf seinem Weg bei der Bedienung der Heber und der weiteren peripheren Einrichtungen.
Thema: Visualisierung
Dem TMS-Leitrechner steht ein Visualisierungs-Rechner zur Seite. Hier erfolgt eine übersichtliche und gesamthafte Darstellung der FTS-Anlage. Alle aktiven Elemente im System – also die FTF, Bahnhöfe, Batterie-Ladestationen, Heber und Brandschutztore – werden mit ihrem jeweiligen Status angezeigt. Mit Hilfe von Zoom-Funktionen können diese Status-Informationen weiter detailliert werden. Für die FTF sind das z.B. die Auftragszuordnung, Transportdaten oder eventuelle Störungen. Über ein übersichtliches Maskensystem sind weitere wichtige Funktionalitäten realisiert:
• Die Eingabe und Pflege der erforderlichen Stammdaten, • die Parametrierung des Systemverhaltens, • das Beobachten und Beeinflussen des Produktionsablaufs, • die Anzeige von historischen Daten, • eine Übersicht über vorliegende Störungen.
Die Kombination TMS-Leitrechner und Visualisierung ergibt ein leistungsstarkes Paket zum Bedienen und Beobachten des Fahrerlosen Transportsystems.
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