Von Zeitfensterplattformen profitieren Unternehmen und Spediteure

In den letzten Wochen und Monaten sind Zeitfensterplattformen, auf denen Speditionen auf Geheiß der Handels- und Industrieunternehmen ihre Anlieferungen anmelden müssen, in die Kritik geraten. Vor allem Spediteure, die den Handel beliefern, beklagen, dass günstige Zeitfenster für die Anlieferung zu schnell ausgebucht seien, sie deshalb ungünstige und teure Routen fahren müssten. Darüber hinaus seien 2,50 Euro pro Buchung zu zahlen, zu denen sich ein Vielfaches an zusätzlichen Administrationskosten addierten. Die versprochenen Vorteile der geringeren Standzeitkosten hätten sich dagegen nicht eingestellt; unter anderem auch deshalb, weil die Handelsunternehmen nicht in der Lage seien, die Lkw pünktlich zu entladen.

Diese Kritik kontrastiert scharf zur Lage in der Automobilindustrie, in der sich Zeitfensterplattformen breit etabliert haben und von beiden Parteien, Automobilherstellern und Speditionen, als „Win-Win-Systeme“ akzeptiert sind.  Analysiert man, warum auf den ersten Blick gleiche Systeme in der einen Branche mit großer Unzufriedenheit bei den Speditionen, in der anderen von den Transporteuren als Gewinn gesehen werden, ergeben sich aus Inform-Sicht die folgenden Punkte:

Die im Handel hauptsächlich eingesetzten Applikationen sind als reine Buchungssysteme lediglich Kommunikationsschnittstellen zwischen Belieferten und Speditionen (und werden als solche von den Herstellern auch positioniert). Sie stellen ohne eigene Intelligenz Zeitfenster bereit, die gebucht werden können, ohne die dahinter liegenden Rampenprozesse zu organisieren oder zu reagieren, wenn Zeitfenster nicht eingehalten werden.
Die Systeme der Automobilhersteller arbeiten dagegen mit intelligenten Verfahren, die das Zeitfenstermanagement flexibler machen und den gesamten Wareneingangsprozess optimieren. Statt nur starre Zeitfenster zur Buchung bereitzustellen, können diese Systeme die Anlieferwünsche der Spediteure für ein „Poolzeitfenster“ entgegennehmen und vergeben die konkreten Zeitfenster dann nach fein einstellbaren Kriterien. So lassen sich die Bedürfnisse beider Parteien aufeinander abstimmen. Können Spediteure Zeitfenster nicht einhalten, verteilen die Systeme sie automatisch neu.

Die Industrieanwendungen integrieren zudem die Rampenprozesse in das Zeitfenstermanagement, indem sie zusätzlich intelligente Optimierungsverfahren einsetzen, um die Verkehre im Werk an die Rampen zu steuern. Diese Systeme reagieren damit ständig auf die aktuelle Situation im Werk und disponieren bei Verspätungen selbständig um. Sie informieren das Rampenpersonal und die Disponenten über die Veränderungen, so dass bei Bedarf auch manuell eingegriffen werden kann. So ist gesichert, dass die Transporte in den meisten Fällen innerhalb der gebuchten Zeitfenster und mit optimalen Durchlaufzeiten abgefertigt werden können; was im Handel anscheinend Schwierigkeiten bereitet.
Die Kosten pro Buchung auf der Zeitfensterplattform inklusive Online-Steuerung zur Rampe mit Hilfe von Telematikgeräten sind in der Automobilindustrie mit ca. 1 Euro mehr als deutlich geringer als die 2,50 Euro im Handel. Betrachtet man die Kosten nur auf das Buchungsmodul bezogen – also die Funktionalität, über die hinaus die Systeme im Handel nichts  bieten –, betragen diese sogar nur 0,40 Euro pro Buchung. (Abgesehen davon, sind die Prozesse in der Automobilindustrie etwas anders organisiert: Speditionen zahlen dort grundsätzlich nichts für eine Buchung auf den von den Herstellern betriebenen Plattformen.)

Aus diesen Gründen rentieren sich in der Automobilindustrie Zeitfensterplattformen auch für die Speditionen. Der erhöhte administrative Aufwand wird durch die schnelleren Durchlaufzeiten in den Werken mehr als kompensiert und die flexiblere Zeitfenstervergabe zwingt sie nicht zu Touren mit abenteuerlichen Kilometerzahlen.
Fazit ist: Die im Handel kritisierten Missstände liegen eher nicht am Konzept des Zeitfenstermanagements an sich. Ergänzt man die reinen Buchungssysteme um intelligente Optimierungsverfahren und integriert die Rampenprozesse, würde dies auch im Handel zu einer Win-Win-Situation wie in der Automobilindustrie führen (auch wenn sich die Belieferungsprozesse im Detail unterscheiden).

Quelle: Inform GmbH

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