|

Vorlieferanten-Management – ein komplexes Forschungsgebiet

Die meisten Supply-Chain-Probleme werden von Vorlieferanten verursacht. Supply-Chain Mapping auf Lieferantenebene ist komplex, ein Vorlieferanten-Mapping die Kür. Nur wenige Unternehmen haben sich bisher daran versucht.

Die Beziehungen von Industrie und Handel mit ihren Lieferanten sind komplex. Sie gleichen denen in einer Ehe. Und wie in jeder Ehe sehen Partner und Außenstehende die Partnerschaft ganz unterschiedlich. Die Beziehungen der einzelnen Glieder einer Lieferkette zueinander werden durch verschiedene Interessen (politische, ökonomische, soziale etc.) und unterschiedliche Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse bestimmt. Dabei ist das Ziel der Firmen im Logistiksegment immer gleich. Es geht um eine nachhaltige Kostenoptimierung oder Teiloptimierung der Supply-Chain oder verschiedener miteinander konkurrierender Supply-Chains bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Diese Optimierung der Wertschöpfungskette ist nicht gleichzusetzen mit einer Optimierung der Transportkosten, da u.a. auch eine Optimierung der Lieferfrequenz und Lieferformen sowie eine Reduzierung von Lieferrisiken angestrebt werden.

Um der Komplexität dieser Optimierungsaufgabe Herr zu werden, haben IT-Dienstleister, Verlader und Spediteure Supply-Chain-Mapping Tools, Supply-Chain-Management-Plattformen und Simulationsmodelle entwickelt, die Transparenz schaffen und die Entscheidungsfindung unterstützen sollen. Für eine erfolgreiche Einführung bzw. Nutzung solcher Software-Lösungen ist allerdings auch immer eine Abstimmung verschiedener Konzernabteilungen notwendig – und daran hapert es oft.
Hinzu kommt, dass die meisten Supply-Chain-Probleme (Gesetzesverstöße, Supply-Chain-Bottlenecks, Imagestörungen durch schlechte Arbeitsbedingungen usw.) durch Vorlieferanten verursacht werden. Bei Audi sind es bis zu 80 %, wie Prof. Dr. Jörg S. Hofstetter von der Uni St. Gallen anlässlich eines Vortrags am 9. GS1 Forum Logistics & Supply Chain im März ausführte. Zu diesen Vorlieferanten unterhält der Endabnehmer meist keine direkten Beziehungen. Häufig sind sie ihm sogar unbekannt. Entsprechend schwierig gestaltet sich ein Vorlieferanten-Management.

„In einem ersten Schritt sollten zumindest die für die Produktion kritischen Komponenten und Vorprodukte und damit auch die Lieferanten und Unterlieferanten benannt und die Beziehung dieser Unterlieferanten zum Lieferanten definiert werden. Dies bedingt, dass der Lieferant seine Vorlieferanten bekannt gibt, wogegen sich dieser aus Marktmachtgründen häufig sträubt. Hinzu kommt, dass die Zahl der Lieferanten bei den meisten Firmen übersichtlich ist, die Zahl der Vorlieferanten aber exponentiell höher. Danach müssen die mit diesen Vorlieferanten verbundenen Risiken in Bezug auf Produkt- und Servicequalität, Quantität, Preis und Lieferpünktlichkeit herausgearbeitet und visualisiert werden. Nur so kann das Unternehmen entscheiden, mit welchen Hebeln es Supply-Chain-Störungen beheben möchte. Ein solches Vorlieferanten-Mapping ist sehr arbeitsintensiv und nur ein erster Schritt, denn es muss in das Lieferanten-Mapping integriert werden, um eine optimale Transparenz der Supply-Chains zu erreichen. Ein Vorlieferanten-Management schafft auch Abhängigkeiten, denn jeder Wechsel ist mit einem hohen IT-Aufwand verbunden“, erläuterte Prof. Hofstetter.

Während sich akademische Zirkel bereits seit einiger Zeit mit dem Thema Vorlieferanten-Management auseinandersetzen, steckt die Diskussion in den Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Am weitesten fortgeschritten ist sie in der Automobil- und Hightech-Industrie. Einige Firmen setzen als Konsequenz wieder auf mehr Eigenproduktion und/oder Reduzierung der Lieferanten und Dienstleister. So hat Starbucks begonnen, Kaffee selbst anzubauen, Automobilhersteller schließen Verträge direkt mit Metallherstellern, zum Beispiel mit Aluminiumproduzenten, ab, und IBM bedient sich beispielsweise nur noch eines Logistikdienstleisters.

Tatsache ist, dass eine ganzheitliche Optimierung der Lieferkette bei gleichzeitiger Minimierung von Störungsrisiken nur mit einem ergänzenden Vorlieferanten-Management und einer echten Partnerschaft mit systemkritischen Lieferanten und Vorlieferanten und einem Netzwerk von mindestens zwei starken Lieferanten/Partnern pro strategischer Komponente zu erreichen ist. Eine solche Zusammenarbeit entsteht zudem nur dort, wo ein offener Informationsaustausch bzw. Dialog gepflegt wird und bei den Partnern eine Veränderungsbereitschaft und der Wunsch nach einer langfristigen, nachhaltigen Lösung vorliegen. Letztendlich muss auch der Lieferant/Dienstleister einen Vorteil in der Beziehung für sich sehen.

Quelle: Logistik express Fachmagazin 2/2014

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar