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Warum die Mautausweitung stinkt!

Deutschland hat per 1. August die LKW-Maut auf die Bundesstraßen ausgeweitet, und prompt wurde auch in Österreich von einigen Seiten der Ruf nach einer Ausdehnung laut. Das Budgetdefizit mit Mehreinnahmen von LKW oder gar einer abermals höheren Mineralölsteuer zu stopfen, erscheint wohl verlockend – ist in den Augen von Verkehrsexperte Univ.-Prof. Dr. Sebastian Kummer jedoch ein Schuss ins Knie. 

Jene Bundesstraßen Deutschlands, welche nun bemautet werden, mit denen Österreichs zu vergleichen, hinkt. Es handelt sich nämlich hierbei um rund 1.100 km mindestens vier- oder mehrstreifige Straßen, die als Zubringerstrecken zu ohnehin mautpflichtigen Bundesautobahnen dienen. „Die vom VCÖ vorgerechneten 500 Millionen Mehreinnahmen durch eine Ausweitung der Maut auf Bundesstraßen in Österreich sind schlicht und einfach falsch“, ärgert sich Kummer, „mit der bestehenden Technologie (Mikrowellen, Anm.) ist es ohne horrende Investitionskosten unmöglich, so viele weitere Strecken zu erfassen. Die Kosten für weitere Mauterfassungsstellen würden die Zusatzeinnahmen weit übersteigen.“ 
 
Eine Alternative wäre der Umstieg auf eine andere Technologie, wie etwa das (im Betrieb etwa doppelt so teure) GPS-System in Deutschland, allerdings: „Im internationalen Vergleich funktioniert unser System hervorragend. Warum sollten wir es ändern, hat der Staat zu viel Geld?“ Aus Kummers Sicht ist eine Ausdehnung zum jetzigen Zeitpunkt vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet Unsinn. In ein paar Jahren hingegen, wenn das aktuelle System veraltet sei und ohnehin Ersatzinvestitionen fällig seien, könne man über eine Umstellung nachdenken.
 
Zielscheibe
Denkt man darüber nach, wer die Bundesstraßen nutzt, kommt man zu dem Ergebnis, dass eine solche Maßnahme fast ausschließlich den Ziel- und Quellverkehr und damit insbesondere österreichische Transporteure betrifft. „Das ist eine Schlechterstellung des österreichischen Verkehrs, denn der Transitverkehr findet auf den Hauptrouten statt“, gibt Kummer zu bedenken. Eine positive Wirkung aus ökologischer Sicht erkennt er ebenso wenig, da der Distributionsverkehr sich kaum auf andere Verkehrsträger umleiten lässt, es also keine Verkehrsreduktion geben wird. Fakt: In Österreich sind vergleichsweise mehr Strecken bemautet, die man in Deutschland als Bundesstraße bezeichnen würde, als in Deutschland selbst. „Bei dieser ganzen Debatte handelt es sich meiner Meinung nach um die Sommerlochdiskussion ideologisch verblendeter Menschen. Ich frage mich: fehlt dem VCÖ das Know-how, oder handelt es sich um eine absichtliche Täuschung?“ Hinzu kommt, dass – wenn wir schon den Vergleich mit unseren Nachbarn suchen – in Deutschland generell erst LKW ab 12 Tonnen Maut zahlen, hierzulande bereits ab 3,5 Tonnen. Sollen wir das auch nachmachen? Kummer: „Es ist auch falsch, dass Klein-LKW unter 3,5 Tonnen keine Maut bezahlen, denn sie müssen ebenfalls eine zeitabhängige Maut (Vignette, Anm.) entrichten, nur eben keine kilometerabhängige.“
 
Streitpunkt MÖSt
Von der Erhöhung der Mineralölsteuer (MÖSt) per 1.1.2011 erwartete sich die Finanz erhebliche Mehreinnahmen – vergeblich. Denn höhere Treibstoffpreise reduzieren den Tanktourismus, von dem Österreich stark profitiert. Das zeigt auch eine Analyse der MÖSt-Erhöhungen 2011 durch das Institut für Transportwissenschaft und Logistik: „Obwohl die Fahrleistung in Österreich 2011 deutlich gestiegen ist (Jänner bis August, Fahrzeuge > 3,5t hzG + 7,7 %; Fahrzeuge <= 3,5t hzG + 2,2 %), ist der Mineralölabsatz im gleichen Zeitraum gesunken (Diesel – 0,7 %; Benzin – 2,7 %). Die Differenz ist nur auf den starken Rückgang des Tankens ausländischer LKW + PKW zurückzuführen“, erläutert Kummer. Korrigiert man die MÖSt-Einnahmen um die gestiegene Fahrleistung, gesunkene USt-Zahlungen der ausländischen privaten Fahrzeuge und LKW, die keine USt-Rückerstattung beantragen, sowie weitere indirekte Effekte, so betragen die Mehreinnahmen nur ca. 100 Mio. Euro. Daher begrüßt Kummer die politische Entscheidung, die MÖSt nicht wie geplant 2012 erneut zu erhöhen. „Trotz schwacher Konjunktur sind die Einnahmen gestiegen (im ersten Halbjahr 2012 um 0,7 Prozent auf 1,83 Milliarden Euro, Anm.), ein Hinweis darauf, dass Österreich stark vom Tanktourismus profitiert“, so Kummer. In Kombination mit den derzeit niedrigen Kosten für den Zukauf von CO2-Zertifikaten ein lohnendes Geschäft für Österreich. Eine Erhöhung als Lenkungsmaßnahme sollte gut überlegt sein, um diesen Vorteil zu erhalten.
 
Das Anliegen des VCÖs ist eine Reduktion des LKW-Verkehrs, ein an und für sich durchaus ökologisch sinnvoller Gedanke. Doch eine „Bestrafung“ in Form von zusätzlichen Belastungen ist ökonomisch der falsche Weg für alle Beteiligten. Besser wäre es, das Alternativangebot zu verbessern und zu fördern, um den Umstieg schmackhafter zu machen. „In der kombinierten Nutzung aller Verkehrsträger liegt der Schlüssel zum Erfolg“, schließt Kummer. Und dieser Aussage schließt sich der Logistik express an.  
(AT)

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