Wie sieht die Zukunft der Transportlogistik aus?

Alexander Heine, Geschäftsführer der CM Logistik Gruppe, über die sich wandelnden Ansprüche an Speditionsunternehmen.

Beitrag: Redaktion.

„Logistikverantwortliche wissen: Die Ansprüche an Transporte steigen seit Jahren. Waren sollen an jedem Ort weltweit immer schneller zur Verfügung stehen, produziert wird dabei sowohl in immer größerer Stückzahl als auch ab Losgröße 1. Hinzu kommt bei zeitkritischen Gütern, etwa für Just-in-time-Produktionen, dass die Anlieferungen oft zeitlichen Punktlandungen gleichkommen müssen. Trotz kontinuierlich wachsendem Verkehrsaufkommen führen die Lieferwege dabei vermehrt über die Straße. Bis 2030 wird der Lkw-Güterverkehr im Vergleich zum Jahr 2010 um fast 40 Prozent zulegen.1 Zwangsläufig führt dies zur Suche nach mehr Personal, das durch EU-weit einheitliche Regelungen und Vorgaben zudem ganz speziell ausgebildet und geschult sein muss.

Sicherheitsanforderungen, streng begrenzte Lenk- und vorgeschriebene Ruhezeiten,
schwierige infrastrukturelle Bedingungen auf der ersten und letzten Meile sowie ein hoher Konkurrenzdruck kommen hinzu. Zusätzlich treiben drohende innerstädtische Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vor der Euro6-Generation die Erneuerung von Transportflotten voran. Eine der mittlerweile größten Herausforderungen, der sich unsere Branche gegenübersieht, ist neben dem Fahrermangel der Faktor Umwelt. Dieser zwingt die Logistik zum Handeln und Umdenken. So entsteht ein ganzes Konvolut an Ansprüchen und Herausforderungen, dem Speditionsunternehmen gewachsen sein müssen, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich arbeiten wollen.

Umweltfragen entscheiden über Zukunft der Branche.
Momentan stehen Umweltbewusstsein und Fragen der Nachhaltigkeit aktueller denn je im Fokus des öffentlichen Interesses. Auch Logistikunternehmen sind künftig gezwungen, sich neuen Technologien und vor allem alternativen Antriebsmöglichkeiten zu öffnen. Fakt ist: Die eingesetzten dieselbetriebenen Fahrzeuge stellen eine Belastung für die Umwelt dar. Durch das starke Wachstum der Lkw-Transporte vergrößert sich der ökologische Fußabdruck der Logistikbranche mehr und mehr, entsprechend steigt der Druck, weniger umweltschädliche Antriebsarten zu nutzen. Ich sehe unser Gewerbe daher in der Pflicht, im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft nach Alternativen zu suchen und sich neuen Konzepten und Ideen gegenüber gesprächsbereit zu zeigen. Hier denke ich vor allem an das Flüssigerdgas liquefied natural gas, kurz LNG, das als umweltfreundlicher, aber dennoch leistungs- und reichweitenstarker Treibstoff für die Zukunft der Logistikbranche eine große Rolle spielen wird.

Im Vergleich zu Dieselmotoren entfallen die Emissionen von Feinstaub und Schwefeloxid bei Verwendung von LNG beinahe komplett, die Stickoxid-Emissionen liegen neuesten Studien zufolge deutlich unter den durch die Verbrennung von Diesel hervorgerufenen Werten. Auch der CO2-Ausstoß fällt gegenüber Diesel – abhängig von der Effizienz der Beschaffungs- und Bereitstellungskette – um bis zu 22 Prozent niedriger aus.

Mit Beimischung von regenerativ erzeugtem Methan wäre gar eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um etwa ein Drittel möglich. Zusätzlich zeichnet sich LNG durch eine erheblich geringere Lärmbelastung aus. In finanzieller Hinsicht kann sich der Betrieb ebenfalls lohnen, da sich die Tagespreise für Flüssigerdgas auf ähnlichem Niveau wie die Dieselkosten bewegen. Erheblicher und schneller Nachholbedarf besteht allerdings noch in der Versorgung, eine entsprechende Infrastruktur mit flächendeckend erreichbaren LNG-Tankstellen, vor allem entlang der Haupttransportrouten, sollte schnellstmöglich aufgebaut werden. Dank politischer Maßnahmen kann eine zeitnahe Anschaffung dennoch interessant sein: Bis 2020 fördert das Bundesverkehrsministerium den Kauf von LNG-betriebenen Lkw pauschal mit bis zu 12.000 Euro pro Fahrzeug und befreit sie für diesen Zeitraum zusätzlich von der Maut. Dies soll dem Testbetrieb von erdgasbetriebenen Lastkraftwagen dienen. Energiepolitisch ist das Transportwesen also bereits heute in der Lage, mit LNG-Antrieben zum Klimaschutz beizutragen. Hier ist wiederum die Politik gefragt, die ökologischen Herausforderungen durch eine entsprechende Bereitstellung von LNG so zu managen, dass sie mit unseren wirtschaftlichen Zielen langfristig in Einklang zu bringen ist.

E-Mobility mittelfristig kein Thema für Containerlogistik.
In Sachen elektrischer Mobilität hingegen steht die Entwicklung noch ganz am Anfang, da ELkw für Langstreckenlieferungen derzeit noch überhaupt kein Thema sind. Es fehlt hier bis jetzt an verlässlichen und konstant großen Reichweiten, die an jene der Dieselfahrzeuge heranreichen. Auch kurze Akkuladezeiten und kleine, kompakte Batterien sind für einen rentablen Betrieb zwingend erforderlich.

Hier steckt die Entwicklung jedoch anscheinend noch in den Kinderschuhen. Solange elektrisch betriebene Lkw mit einer Aufladung nur wenige Hundert Kilometer weit kommen, sind sie höchstens für kurze Strecken relevant, der innerstädtische Verteilerverkehr könnte etwa ein denkbares logistisches Terrain für die EMobilität darstellen. Zudem lassen sich zeitkritische Lieferungen kaum realisieren, wenn die Fahrzeuge mitten auf dem Lieferweg stundenlang aufladen müssen – von einer ungenügend ausgebauten Ladeinfrastruktur wiederum ganz zu schweigen. Und obwohl der Bund auch den Erwerb von E-Lkw mit 40.000 Euro bezuschusst, sind Anschaffung und Betrieb vor allem in der Containerlogistik, wo lange Wege zum Tagesgeschäft gehören, derzeit wirtschaftlich nicht ansatzweise lohnenswert. Denn auch, wenn unser Geschäft gerne grüner werden möchte und es das auch muss, bleibt unsere oberste Priorität die Wirtschaftlichkeit.

Erst wenn sich Umweltschutz mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit vereinbaren lässt, kann die Logistikbranche auch mit dem Einsatz elektrischer Lkw dazu beitragen. Ob dies jemals der Fall sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch äußerst fraglich. Hier kommt es nicht zuletzt auf die Innovationsfähigkeit der Autobauer an, das elektrische Fahren auch für Transportunternehmen im Schwer- und Fernverkehr rentabel zu gestalten. Effizienz für wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg Als eine vielversprechende Möglichkeit zur Dezimierung der riesigen Anzahl an Lkw auf den Straßen kommt der Einsatz von Longlinern in Betracht. Diese Lkw mit einer Gesamtlänge von 25,25 Metern verfügen über ein sehr großes Ladevolumen und ermöglichen einen effizienteren Güterverkehr. So kann der Einsatz von zwei Longlinern drei Lkw von normaler Größe ersetzen, wovon wiederum die Umwelt durch eingesparte Fahrten und weniger CO2-Emissionen profitiert. Derzeit gelten hierfür jedoch äußerst eingeschränkte Zulassungsrechte auf streng begrenzten Strecken, was einen normalen Betrieb zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich macht. Hinzu kommt das Problem der Gewichtsbeschränkung. Eine Anhebung des zulässigen Gesamtgewichtes – was derzeit in Deutschland bei 40 Tonnen liegt – ist dringend notwendig, denn nur so würde das Ladevolumen maximiert, weniger Gesamtfahrten und eingesparter Kraftstoffverbrauch wären die angenehmen Folgen. Andere Staaten gehen diesbezüglich teilweise mit gutem Beispiel voran. In den Niederlanden etwa ist die Gesamtmasse für
Gespanne mit fünf und mehr Achsen auf 50 Tonnen begrenzt, die skandinavischen Länder sind hier noch sehr viel liberaler und erlauben teilweise bis zu 74 Tonnen. Eine Anhebung sollte auch auf deutschen Straßen möglich sein. Hier liegt es an der Politik, den Weg zur grenzenlosen, europaweiten Nutzung endlich freizumachen.

Einen weiteren wichtigen Punkt in ökologischer wie ökonomischer Hinsicht stellt die Vermeidung von Leerfahrten, also eine größtmögliche Auslastung der Fahrzeuge, dar. Dafür lässt sich die Tourenplanung vor allem dank digitaler Auftragsbearbeitung optimieren und maximal effizient gestalten, was viele Fuhrunternehmen schon heute erfolgreich umsetzen. Spezielle Chassis ermöglichen weiterhin die Aufnahme verschieden großer Container, was den Transportaufwand erheblich verringert und für Flexibilität sorgt. Umständliche Umwege, der Zeit fressende Austausch von Chassis sowie kosten- und CO2-intensive Leerfahrten entfallen dabei, was die Emissionen zusätzlich verringert. In der Kombination mit den hoffentlich bald überall erlaubten Longlinern bieten Chassis viele weitere Einsatzmöglichkeiten und ein großes Potenzial, um die Anzahl der Fahrten und Wege weiter zu reduzieren. Durch höchstmögliche Auslastung ihrer Lkw leisten viele Transportunternehmen bereits heute einen großen und wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

Lkw der Zukunft – grün, autonom, effizient.
Insgesamt befindet sich die logistische Industrie auf einem guten Weg, grüner zu werden und den modernen Marktanforderungen zu entsprechen. Doch selbstverständlich muss sich der Prozess in Zukunft weiterentwickeln. Neben den umweltfreundlichen Alternativen zu fossilen Brennstoffen schreitet auch die Entwicklung des autonomen Fahrens voran. Autos und Lastkraftwagen, die sich komplett selbstständig fortbewegen und keinen aktiven Fahrer mehr brauchen, sind natürlich noch Zukunftsmusik. Dennoch tut sich auch auf diesem Gebiet einiges. Erste Testfahrten vollautonomer Pkw fanden schon vor Jahren statt, und auch im Lkw-Segment verstärkt sich dieser Trend. Teilautonome Elemente entlasten die Fahrer schon heute. Allerdings liegt bis zur vollständigen Automatisierung noch ein sehr weiter Weg vor uns, dessen Länge hängt wiederum vom technischen Fortschritt der Automobilindustrie auf diesem Gebiet ab. Hier bleibt es sicherlich äußerst spannend zu beobachten, was die Forscher und Entwickler in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf den Markt bringen. Auf jeden Fall sehe ich hier ein großes Potenzial, das Transportwesen langfristig für die Zukunft gut aufzustellen.

Eine Möglichkeit wäre, die Lenk- und Ruhezeiten durch autonomes oder auch teilautonomes Fahren zu flexibilisieren, um höhere Reichweiten am Stück zu ermöglichen und die Fahrer in ihrer Arbeit zu entlasten. Sollte sich die Vision größtenteils oder gar vollkommen autonom fahrender Lkw realisieren, käme dies einer Revolution des Transportwesens gleich. Der Lkw der Zukunft wird eine maximal effektive Auslastung mit höchster Umweltfreundlichkeit und der Automatisierung der Fortbewegung zur wirtschaftlichen Erfolgsformel der Branche vereinen.

Nur wenn alle Parameter visionären, modernen Straßen- und Güterverkehrs – eine hohe,alltagstaugliche Reichweitenstärke, eine flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Tankstellen, schnelles Aufladen kompakter, leichter Akkus sowie ein hochentwickeltes,ausgereiftes System autonomen Fahrens – voll ausgeschöpft sind, kann dies gelingen.“

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 1/2019

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