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Wer hoch steigt, kann tief fallen

Lebensmittel-Discounter, Modefilialisten, DIY-Märkte: Ungeachtet seiner Positionierung bemüht sich der Handel marktbreit darum, den eigenen Auftritt aufzuwerten. Das bezieht nicht nur die Ladengestaltung mit ein, sondern auch die Art, wie und in welcher Tonalität für Marke und Sortimente geworben wird. Angesichts wachsender Kundenerwartungen halten Experten dies für eine zwangsläufige Entwicklung – und für einen schwierigen Spagat.

Autor: Bijan Peymani

Es ist eine der ersten Filialen nach dem neuen Konzept: In Offenau bei Heilbronn zeigt Lidl in doppeltem Sinn, wie der Lebensmittel-Discounter sein Geschäft zeitgemäß interpretiert. Helle Räume, breite, aufgeräumte Gänge und eine klare Orientierung prägen den Muster-Store des Unternehmens aus Neckarsulm. „Mit dem neuen Filialkonzept wollen wir für die Kunden ein Einkaufserlebnis schaffen“, betont ein Lidl-Sprecher. Denn nicht mehr nur die günstigen Preise stünden im Mittelpunkt, sondern auch die Atmosphäre im Laden.

„Der weiter zunehmende Wettbewerb im Einzelhandel führt einerseits dazu, dass sich die Händler attraktiver aufstellen müssen“, erklärt Markus Wotruba, Leiter Standortforschung beim Beratungsspezialisten BBE in München. Andererseits steigen die Ansprüche der Kunden. Wotruba: „Wenn die Supermärkte als Reaktion der Marktanteilsgewinne der Discounter immer schicker
werden, dann zieht der Discounthandel nach.“ Auch im Modebereich gehe der Trend zu großen Erlebnisfilialen. So hat Zara in Köln gerade einen Flagship-Store eröffnet. Dafür wurden zwei kleinere Zara-Läden in der näheren Umgebung geschlossen.

„Uptrading“: Losung und Gratwanderung
Verbesserung des Leistungsangebots zum Edel-Discounter? Eine Strategie, die auch helfen kann, sich aus der unbequemen Preis- und Qualitätsmitte zu lösen. „Hier gibt es oft das Problem, sich mit Mehrwerten gegenüber den vielfach sehr guten Angeboten im Preiseinstieg zu profilieren“, sagt Olaf Roik, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE) in Berlin. Ziel des Strebens nach Höherem sei vor allem, mit wertsteigernden Angeboten ein Preispremium zu erzielen, so Dr. Gerrit Heinemann, Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

Uptrading bleibt eine Gratwanderung und sei „sicherlich kein Selbstläufer“, bestätigt HDE-Experte Roik. In der ersten Phase seien häufig höhere Renditen zu beobachten, die auch einen besseren ROI der Anfangsinvestitionen ermöglichen könnten, analysiert Wirtschaftswissenschaftler Heinemann. Uptrading eröffne Firmen die Chance, „für einen gewissen Zeitraum den vergleichbaren Umsatz pro Filiale zu steigern oder zumindest zu stabilisieren“.

Grundsätzlich müsse man unterscheiden, ob ein Händler seine Filialen nur schick mache oder ob er auch die Preislagen seiner Produkte anhebe, so BBE-Berater Wotruba. Könne er-steres dem Erhalt der Marktanteile und der Gewinnung zusätzlicher Zielgruppen dienen, sei die Erschließung einer neuen Preislage „sehr viel riskanter“.

Viele Anbieter gehen hier über eine Zweitmarke – im Modebereich etwa H&M mit „COS“, Zara mit „Massimo Dutti“ oder S.Oliver mit „Collection“. Wotruba: „Die Gefahr, Kunden zu verlieren, ist sonst hoch.“ Auch, sich mit Uptrading vom eigenen Markenkern zu entfernen und dauerhaft Potenziale des Aktionsgeschäftes aufzugeben, ist riskant. „Diese Gefahr besteht, weshalb es ein Spagat ist, das richtige Maß zu finden“, bestätigt Wotruba. So lange die Konsumlaune gut ist, sei das Risiko geringer. „Es ist aber eben nicht so, dass schickere Läden automatisch ein höheres Preisniveau oder eine höhere Preiswahrnehmung bedeuten“, relativiert der BBE-Experte. Oft gingen Verbesserungen für Kunden zudem mit Einsparpotenzial beim Händler einher. Dennoch erkennt Heinemann gerade bei den LEH-Discountern ein Dilemma: „Das Trading-up führt dazu, dass Aldi, Lidl & Co. teurer werden müssen.“ Die beiden Marktführer stecken mittelfristig
Milliardensummen in die Aufwertung ihrer Filialen. Allein Lidl wolle bis 2020 für mehr als drei Milliarden Euro fast alle 3.200 Verkaufsstellen in Deutschland modernisieren, verdeutlicht er. Auch Aldi plane, binnen drei Jahren allen 1.860 Filialen bundesweit einen freundlicheren, modernen Auftritt zu verpassen.

„Mehr Tageslicht, warme Holzverkleidung, Kundentoiletten, Kaffeeautomaten, Service – Wohlfühlatmosphäre eben“, illustriert der Handelsprofessor. Damit rücken Supermärkte und Discounter einander näher. Heinemann: „Am Ende wird es Händler geben, aber keine Trennung zwischen den Formaten mehr, zumal die Vollsortimenter selbst genug Discount-Angebote machen.“ Lidl kontert, das eigene Konzept werde lediglich konsequent ent-lang der Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse weiterentwickelt. Man bleibe seinen Wurzeln treu.

In diesem Sinne will auch Modefilialist Adler seine aktuelle Kampagne verstanden wissen. Das Unternehmen aus dem unterfränkischen Haibach hat sich in den vergangenen Jahren zu einem modernen Anbieter entwickelt, der nach eigener Überzeugung alle Altersgruppen und jeden Geschmack bedienen kann. Doch das hätten viele potenzielle Kunden noch gar nicht auf dem Zettel, räumt Adler-Marketingchef Frank Mayerhofer ein: Der neue Auftritt soll „unsere Markenbotschaft an eine längst bestehende Realität anpassen“ [BP].

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