Zitternde Mitarbeiter kosten Geld


Warum Angst um den Arbeitsplatz den Mitarbeitern, den Unternehmen und auch der Wirtschaft schadet

Wer um seinen Job fürchtet, ist nur halb so produktiv. Derzeit bangen laut einer aktuellen Studie 600.000 Österreicher um ihre Stelle – vom Arbeiter bis zum Top-Manager.

Viele Arbeitnehmer in Österreich leben in Angst. Laut einer soeben veröffentlichten Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Spectra machen sich 15 Prozent der Bevölkerung Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Vier Prozent bezeichnen ihren Job sogar als „sehr unsicher“. In Summe sind das 600.000 Österreicher, die um ihre Stelle bangen.

Diese Stimmung schadet nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch den Unternehmen und der Wirtschaft. „Jeder Mitarbeiter, der um seinen Job zittert, ist für das Unternehmen nur noch die Hälfte wert“, sagt Andreas Landgrebe, Partner beim Personalberatungsunternehmen Jenewein & Partner. Thomas Cook Austria-Vorstandschefin Petra Sikorsky ergänzt: „Wer mit Ängsten belegt ist, kann nicht mehr so gut arbeiten. Deshalb sind Informationen sehr wichtig. Denn ohne sie entsteht Verunsicherung.“

Chefs fürchten sich

Die Panik vor dem Arbeitsamt macht auch vor Hierarchien nicht Halt. Andrea Ristl, verantwortlich für Human Resources bei Eblinger & Partner, bestätigt, dass sich selbst Geschäftsführer und Vorstände vor einer Kündigung fürchten: „Das sind meist Personen, die sich nicht mit sich selbst auseinander gesetzt haben und nicht sehr zielorientiert arbeiten.“

Eine bessere Stimmung durch optimistischere Umfragewerte ist vorerst nicht in Sicht. Denn nach der Rekordarbeitslosigkeit im Jänner sind auch Mitte Februar bereits knapp 312.000 Menschen auf Arbeitssuche. Das sind um 1,2 Prozent mehr als 2004. Rechnet man rund 45.000 Kursteilnehmer dazu, sind derzeit 360.000 ohne Beschäftigung. Das wiederum wollen vor allem zwei Branchen nicht hören: Handel und Tourismus. Denn ihre Umsätze hängen primär vom Einkommen und der Kauflust ab. Und wer Angst um seinen Job hat oder vom Arbeitslosengeld leben muss, geht einfach seltener einkaufen oder auf Reisen.

Ein Geschäftszweig profitiert jedoch vom ständigen Ringen um den Arbeitsplatz: „Verunsicherte Menschen arbeiten zu viel und bekämpfen ihr daraus resultierendes Burn-out-Syndrom immer öfter mit Wellness-Tagen“, sagt Manuela Lindlbauer, Chefin der Personalberatungsfirma Lindlpower.

Andreas Landgrebe, Partner Jenewein & Partner: „Jeder Mitarbeiter, der um seinen Job zittert, ist für das Unternehmen nur noch die Hälfte wert. Trotzdem läuft derzeit alles auf den Kostenfaktor Mitarbeiter hinaus – nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Allerdings bewerten Unternehmen auch das Know-how ihrer Mitarbeiter wieder höher, also könnten diese ruhig mehr Selbstbewusstsein haben, nicht nur bei Gehaltsverhandlungen.“

Johann Schenner, Tourismus-Obmann: „Jene 19 Prozent, die um ihren Job bangen, können nicht im Tourismus beschäftigt sein. Wir haben die sichersten Arbeitsplätze. Bei uns wandert niemand ab. Aber solche Ängste führen dazu, dass der Urlaub in der näheren Umgebung verbracht wird, um schneller wieder am Arbeitsplatz zu sein. Denn wer drei Wochen unterwegs ist, weiss nicht, was gerade im Unternehmen vorgeht.“

Peter Voithofer, Chef KMU Forschung Austria: „Die Sorge um den Arbeitsplatz beeinflusst die Kauflust und damit den privaten Konsum. Und wer Angst hat, ist nicht so produktiv. Das steht ausser Zweifel, weil sich der Arbeitnehmer zwangsläufig natürlich auch während der Arbeitszeit gedanklich damit auseinander setzt.“

Petra Sikorsky, Chefin Thomas Cook Austria: „Mitarbeiter mit Existenzängsten werden entweder überaktiv, um zu beweisen, dass es ohne sie nicht geht, oder sie arbeiten nicht mehr so gut. Und wenn sich fast ein Fünftel fürchtet, betrifft uns das auch. Auf den Urlaub wird zwar nicht so leicht verzichtet, weil er dazugehört. Die Konsumenten werden aber immer preissensibler. Das ist im Moment der Zeitgeist, der auch andere Branchen trifft.“

Martin Zieger, Chef Vögele Austria: „Diese Jobangst überrascht mich nicht, weil sie sich schon in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Ich glaube aber, dass jetzt der Tiefpunkt erreicht ist. 2005 wird für den Handel sicher das letzte schlechte Jahr werden. Ich rechne sogar mit einem Wachstum, wobei ich ein Plus von einem bis 1,5 Prozent für realistisch halte. Denn die Steuerreform bringt Entlastungen, die hoffentlich in den Konsum fliessen.“

Andrea Ristl, GF Eblinger & Partner HR: „Jobangst ist abhängig von Branchen und Schwerpunkten. Die Angst um den Arbeitsplatz bleibt allerdings nicht unten hängen, sondern geht bis zu Geschäftsführerpositionen. Berufserfahrung macht die Menschen prinzipiell selbstsicherer – und wie überall gehört eine Portion Glück dazu.“

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