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Amazon plant Angriff auf DHL & Co.

Lange waren sie enge Partner, jetzt greift Amazon die Pakettochter DHL der Deutschen Post nicht nur in ihrem Heimatmarkt frontal an. Der US-Konzern drängt mit Macht in das Logistik-Geschäft. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, schmiedet Amazon im Stillen eine Flotte von Flugzeugen, Lkw und Schiffen. Parallel will der Multi europaweit vollautomatische Packstationen aufbauen. Projektname: „Amazon Locker“.

Autor: Bijan Peymani

Erst jüngst hat Amazon von der amerikanischen Air Transport Service Group (ATSG) 20 Frachtflugzeuge des Typs Boeing-767 geleast. Teil des Deals ist die Option für Amazon, binnen fünf Jahren bis zu 19,9 Prozent an der ATSG zu übernehmen. Vorausgegangen war der Kauf „Tausender“ von Sattelaufliegern für das US-Geschäft, wie der Internet-Konzern mit weltweit mehr als 260 Millionen aktiven Kundenkonten im Dezember vergangenen Jahres bestätigte.

Experten sehen in den Aktivitäten das Bestreben Amazons, sich zum Logistik-Dienstleister aufzubauen. Zudem vermuten sie, dass der Multi mittelfristig ungenutzte Kapazitäten auch anderen Unternehmen anbieten könnte. Parallel dazu drängt der Konzern in Europa Zug um Zug ins Paketgeschäft – und stellt sich damit nicht zuletzt gegen seinen langjährigen Partner DHL, eine Tochter der Deutschen Post. Amazon selbst schweigt auf Nachfrage.

Doch die Indizien sprechen für sich. Im Herbst 2015 hatten die Amerikaner in Olching bei München ihr bundesweit erstes citynahes Verteilzentrum eröffnet. Damit sollen Amazon-Bestellungen innerhalb Münchens noch schneller und vor allem unabhängiger von den angestammten Logistik-Partnern DHL und Hermes ausgeliefert werden. An deren Stelle treten sukzessive lokale Dienstleister; weitere Großstädte in Deutschland sollen folgen.

Ein anderes Projekt namens „Amazon Locker“ lässt vor allem bei DHL, mit 43,7 Prozent Primus im deutschen Paketmarkt, die Alarmsirenen schrillen. Dahinter steht der Aufbau eigener vollautomatischer Packstationen, bisher eine DHL-Domäne. Für die landesweit rund 2.750 gelben Automaten mit über 280.000 Fächern – das einzige flächendeckende Netz – haben sich nach DHL-Angaben bisher acht Millionen Kunden registriert.

Amazon plant, das in den USA und Großbritannien etablierte „Locker“-Modell in Europa auszurollen. Auf der Agenda steht neben Frankreich offenbar auch Deutschland. Darauf lassen Stellenanzeigen schließen, die die Münchner Amazon-Zentrale geschaltet hat. Die Deutsche Post DHL Group kommentiert die Pläne nicht. Stattdessen verweist sie auf ihre „Konzernstrategie 2020“ zum Ausbau des europäischen Paketgeschäfts.

Doch Amazons Nadelstiche im Heimatmarkt schmerzen. Natürlich beobachte man alle Entwicklungen sehr genau, lässt die Deutsche Post verlauten, gibt sich zugleich aber „sehr zuversichtlich, dank unseres marktführenden Netzwerks und der hohen Servicequalität langfristig der führende Paketdienstleister in Deutschland zu bleiben“. Davon habe „im Übrigen“ auch Amazon beim Wachstum im deutschen Markt profitiert. Der Dank des US-Konzerns hält sich in Grenzen: Aus Sicht der Deutschen Post entwickelt sich Amazon immer mehr vom treuen Großkunden zum gefährlichen Konkurrenten.

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