BVL/DIW Logistik-Indikator im zweiten Quartal 2009

Nach dem sehr kräftigen Einbruch zu Jahresbeginn zeigt sich die deutsche Logistikkonjunktur im Frühjahr in noch schwächerer Verfassung. Der BVL/DIW Logistikindikator gab in der Maibefragung gegenüber dem Vorquartal um gut 7 Punkte nach (Rückgang um knapp 10 Prozent) und liegt nunmehr mit nur noch bei 68,2 Punkten mehr als 30 Punkte vom konjunkturellen Normalwert von 100 entfernt.

Indes hat sich der freie Fall, der noch im Winter zu beobachten war, nicht fortgesetzt. Zwar fällt die Lagebeurteilung insgesamt erneut deutlich schlechter aus (kräftiger Rückgang um 30 Prozent auf 49,9 Punkte), jedoch haben sich die Erwartungen, die zuletzt drei Quartale in Folge rückläufig waren, wieder etwas aufgehellt und konnten um knapp neun Prozent zulegen. Mit einem Wert der Erwartungskomponente von 86,5 Punkten sehen die Befragten den kommenden 12 Monaten allerdings immer noch überwiegend pessimistisch entgegen. Die wesentlichen Triebkräfte der Logistikkonjunktur rühren – anders als noch im Vorquartal – von der Anwenderseite (Industrie und Handel) her. Für diese hat sich das Logistikklima deutlich um 14 Prozent eingetrübt, während sich der – insgesamt deutlich schlechtere – Wert für die Anbieterseite (Logistikdienstleister) im Vorquartalsvergleich nahezu stabilisiert hat (Rückgang um weniger als 3 Prozent).

Kennzeichnend für die Anbieterseite sind die deutlich auseinanderfallenden Einschätzungen für die gegenwärtige Lage einerseits und die Erwartungen für die nächsten 12 Monate andererseits. Die Schere zwischen beiden hat sich im laufenden Quartal noch weiter geöffnet: einer gegenüber dem Vorquartal noch düsteren Lagebeurteilung (der entsprechende Teilindikator ist um ein Drittel auf nur noch 26,1 Punkte geschrumpft) steht eine Verbesserung der Erwartungen um 15 Prozent auf 84,8 Punkte gegenüber. Insbesondere wird mit keiner weiteren Verschlechterung der Geschäftslage gerechnet und hinsichtlich der Auftragsentwicklung wird mehrheitlich sogar eine Verbesserung für möglich gehalten. Allerdings hat der Absturz der Logistikkonjunktur binnen eines halben Jahres deutliche Spuren bei der Kapazitäts- und Beschäftigungsplanung der Logistikdienstleister hinterlassen, die in beiden Bereichen ganz überwiegend Kürzungen planen.

Die Anwenderseite in Industrie und Handel zeigt demgegenüber – auf insgesamt höherem Niveau – ein anderes Bewegungsbild. Die Verschlechterung der Lageeinschätzung fällt noch stärker aus als im Vorquartal. Insgesamt ist der Teilindikator um gut 28 Prozent (nach knapp 23 Prozent vor drei Monaten) eingebrochen. Das Kontraktionstempo hat sich somit noch nicht verlangsamt. Auch konnten die Erwartungen nur sehr leicht – um gut drei Prozent – auf 88,2 Punkte zulegen. Von einem Umschwung kann somit noch keine Rede sein, vielmehr haben sich die Erwartungen nunmehr nach vier rückläufigen Quartalen in Folge lediglich stabilisiert. Die Teilfragen für die Lagebeurteilung bestätigen das Konjunkturbild, das von den Logistikanbietern gezeichnet wird: eine rückläufige Logistiknachfrage-entwicklung und eine hohe Kapazitätsverfügbarkeit im Markt bei deutlich nachgebenden relativen Logistikpreisen erklären die sehr schlechte Lageein-schätzung auf der anderen Marktseite, während die Anwender in Industrie und Handel die Auslastung ihrer eigenen Logistikkapazitäten noch als normal betrachten – die Hauptanpassungslast, die sich aus rückläufigen Logistikbedarfen im Zuge der derzeitigen Konjunkturkrise ergibt, ist also bislang eindeutig vor allem von den Logistikdienstleistern zu schultern. Verschärft wird deren Situation noch dadurch, dass bei erwartungsgemäß stagnierenden Logistikbedarfen über verstärktes Insourcing der Anwender die Marktnachfrage nach extern erbrachten Logistikleistungen weiter schwach bleiben dürfte. Trotz verstärkten Eigenleistungen planen jedoch auch die Anwender mehrheitlich einen Abbau der Personal- und Sachkapazitäten ihrer Logistiksparten.

Die bislang von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Konjunktur-stabilisierung ("Konjunkturpakete I und II") werden von beiden Seiten des deutschen Logistikmarktes unterschiedlich beurteilt. Während unter den Logistikdienstleistern eine Mehrheit der Befragten (57 Prozent) in den beschlossenen Maßnahmen eine substantielle Hilfe in der gegenwärtigen Konjunkturkrise sieht, ist unter den Anwendern in Industrie und Handel fast derselbe Anteil (59 Prozent) gegenteiliger Ansicht. Angesichts des deutlich schlechteren Logistikklimas auf der Anbieterseite (Indexwert von 55,5 ge-genüber 81 für die Anwenderseite) sind die unterschiedlichen Einschätzungen nicht unverständlich.

Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik
Zwei Wochen nach der erfrischend optimistisch und lebhaft verlaufenden Leitmesse transport logistic 09 in München signalisiert der BVL/DIW Logistik-Indikator zwar einen weiteren Rückgang der Konjunktur im zweiten Quartal 2009, diesen aber deutlich abgemildert gegenüber dem Vorquartal (knapp zehn Prozent gegenüber gut 30 Prozent minus vor drei Monaten) und dem Winter 2008/2009. Die Erwartungen, die in den letzten drei Quartalen stets rückläufig waren, haben sich wieder aufgehellt und konnten um neun Prozent zulegen.

Auffälliges offenbart der Blick auf die Teilindikatoren: Industrie und Handel, die sich insgesamt nach wie vor auf einem höheren Indikatorniveau bewegen als die Dienstleister, halten eine Trendwende offensichtlich noch für unwahrscheinlich. Sie betrachten die Lage als schlechter als im Vorquartal; ihre Erwartungen für die nächsten zwölf Monate haben sich stabilisiert und sind jetzt leicht besser als die Lagebeurteilung, ohne jedoch wirklich Optimismus auszudrücken. Ganz anders die Logistikdienstleister: Bei ihnen wird die Lage deutlich schlechter eingeschätzt als im Vorquartal; die Erwartungen jedoch haben sich um 15 Prozent verbessert. Die Schere zwischen Lagebeurteilung und Zukunftserwartung, die sich schon vor drei Monaten öffnete, geht weiter auseinander.

Diese markant unterschiedlichen Aussagen der Logistiker in Industrie und Handel auf der einen und den Dienstleistern auf der anderen Seite lassen interessante Schlüsse zu. Die Dienstleister haben offenbar in den beiden ersten Quartalen den rezessionsbedingten Druck zu spüren bekommen: Schlechte Auftragslage und Kapazitätsauslastung, demzufolge Abbau von Sachkapazitäten und Personal. Interne Strukturen wurden akribisch und mit Erfolg umgestaltet. Nun wird eine langsame Normalisierung der wirtschaftlichen Situation erwartet. Industrie und Handel dagegen stellen sich offenbar erst jetzt darauf ein, Anpassungen in ihren Logistikbereichen vorzunehmen.

Die Talsohle ist wohl noch nicht erreicht, weder auf der Anwender-, noch auf der Anbieterseite, aber die Erwartungen geben Anlass zur Hoffnung. Die zukunftsorientierte Stimmung im Rahmen der transport logistic 09 war und ist Ausdruck für die Kraft und das Selbstbewusstsein des Wirtschaftsbereiches Logistik in Deutschland.

Die jahrelange Wachstumsperiode hat eine Zäsur erfahren. Dies schafft Spannungen und Friktionen und bedeutet für viele Unternehmen unbekannte und unbequeme Erfahrungen. Die Unternehmensführungen sind jedoch überzeugt davon, die Herausforderungen meistern zu können. Eine gute Voraussetzung für künftigen Erfolg, der aus neu gewonnener innerer Stärke der Unternehmen kommt.

Quelle: MyLogistics

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