Charismatische Chefs sind heute unbrauchbar


Von CEOs wird heute mehr Fachwissen verlangt

Das Ende der Ära von Carly Fiorina lässt Zweifel an Selbstdarstellern aufkommen „Charismatische Chefs sind heute unbrauchbar“ Sind langweilige Spezialisten an der Spitze des Unternehmens erfolgreicher als charismatische Verkäufertypen? Der Abgang von Carly Fiorina, der ersten Frau am Steuer eines der wichtigsten Unternehmen der IT-Branche, hat Analysten viele Begründungen entlockt. Der Tenor: Die überzeugende Rednerin und Verkaufstalent Fiorina habe fernab des Rampenlichts mit der Umsetzung ihrer Strategie bei Hewlett-Packard zu kämpfen gehabt.

Carly Fiorina ist auch der Anlass, warum Management-Bücher über Nutzen oder Nutzlosigkeit von charismatischen CEOs dieser Tage wieder ausgegraben werden. Fiorina wird eben nachgesagt, sie habe ihre Konzepte besser verkauft als sie diese umgesetzt hat – im Prozess der schwierigen Übernahme des Konkurrenten Compaq etwa konnte sie ihre Widersacher von der Wichtigkeit des 19-Millarden-Dollar-Deals überzeugen, doch Marktanteilsverluste konnte sie nicht verhindern.

Durch den Fall Fiorina fühlt sich Rakesh Khurana jedenfalls bestätigt: „Die Zeit der Star-CEOs ist vorüber“, behauptete der Harvard Business School-Professor in seinem Buch „Searching for a Corporate Savior“ („Die Suche nach dem Unternehmensretter“). Seine Argumente: Unternehmen haben in den vergangenen Jahren nach CEOs gesucht, die in erster Linie berühmt sind und deren Persönlichkeit Analysten und Wirtschaftspresse beeindruckt. Die treibende Kraft seien die Anleger: Sie wollen jemanden sehen, der durch sein Auftreten Erfolg verspricht und deshalb den Aktienkurs nach oben treibt. Dabei sei es wichtiger, auf Joberfahrung zu achten, sagt Khurana. Bei vielen Nachbesetzungen sei nur zu ungenau formuliert, welche Fähigkeiten der Neue braucht.

Langeweiler-Erfolge?

Headhunter sehen die Sache etwas anders – das fachliche Know-how stehe zwar im Vordergrund, doch auf die Fähigkeit, zu motivieren und sich durchzusetzen, wird genauso geschaut. Stefan Steger, Österreich-Chef von Heidrick & Struggles: „Charisma würde ich definieren als die Fähigkeit, sich und andere für eine Sache begeistern zu können, sprich Inhalte mit Emotion zu besetzen – das ist in einer Führungsposition unabdingbar.“ Gert Herold, Partner bei Ward Howell: „Der kurzfristige Eindruck zählt immer mehr, aber ein guter Präsentator ist trotzdem noch lange keine gute Führungskraft.“

Es gibt genug Beispiele für erfolgreiche „Langweiler“, sagt Rakesh Khurana. Procter & Gamble-CEO Alan G. Lafley etwa ist so ein allürenfreier Macher: Anlässlich der Übernahme von Gillette – ein Deal von 57 Milliarden Dollar – gab Lafley eine 10-Minuten-Pressekonferenz, ganz ohne Pomp. Lafley hat aber auch Procter & Gamble innerhalb von fünf Jahren umstrukturiert und auf Gewinnkurs gebracht.

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