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Der geschäftliche Versender schafft eine Sicherheitslücke

Luftfrachtexpertin Mechthild Brandner kritisiert Sicherheitskonzept.  Redaktion: mainblick | Logistik Express

Frau Brandner, Sie plädieren für eine Abschaffung des geschäftlichen Versenders, warum?

Das Konzept bietet keine praktischen Vorteile. Luftfracht-Sendungen von geschäftlichen Versendern dürfen nämlich prinzipiell nur auf reine Frachtmaschinen verladen werden. Für diese Frachtflugzeuge ist aber das Streckennetz längst nicht so dicht wie bei den Passagiermaschinen, die reinen Cargo-Flieger steuern wesentlich weniger Destinationen an. Außerdem sind Frachtflugzeuge für sperrige Güter gedacht und für Sendungen mit einer Höhe von mehr als 160 Zentimetern. Würde man dazu auch Frachtstücke geschäftlicher Versender annehmen, die kleiner sind, entsteht eine hohe Verwechslungsgefahr mit den sicheren Frachtsendungen, die auch auf Passagiermaschinen verladen werden dürfen. Aus unserer Sicht ist es deshalb zum Beispiel vorbildlich, dass Lufthansa Cargo Sonderprozesse für geschäftliche Versender geschaffen hat. Denn Sicherheit muss oberste Priorität genießen.

Und wie sollte man aus Ihrer Sicht mit Luftfracht-Sendungen umgehen?

Wir bei der ZUFALL logistics group registrieren aus Prinzip keine geschäftlichen Versender. Als reglementierter Beauftragter können wir entweder die sichere Luftfracht bekannter Versender annehmen. Oder wir führen unsichere Luftfracht den vorgeschriebenen Kontrollen zu. Das tun wir über unsere Partner am Frankfurter Flughafen, ohne Zeitverzögerungen. Seit dem Inkrafttreten der Vorschriften für bekannte Versender zum Stichtag am 29. April hat bislang noch jede unserer Luftfrachtsendungen die Maschine erreicht, für die sie eingeplant war. So lassen sich Luftfrachten seriös bearbeiten. Unserer Meinung nach schafft auch nur dieses Konzept ein echtes Plus für die Luftfrachtsicherheit

Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Vorteile des bekannten Versenders?

Rund 70 Prozent der Luftfrachten werden mit Passagiermaschinen transportiert. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass nur absolut unbedenkliche Frachten verladen werden. Hier geht die Sicherheit unbedingt vor. Und an dieser Maxime richtet sich auch das Konzept des bekannten Versenders aus. Es sorgt ganz klar für mehr Sicherheit. Aber mit dem parallel bestehenden geschäftlichen Versender kommen alte Sicherheitslücken zurück.

Können Sie das genauer erklären?

Im Zuge der Terrorismusabwehr wurden die Bestimmungen darüber verschärft, wann eine Luftfracht als „sicher“ gilt. Die Frachten müssen nun entweder einer Sicherheitskontrolle durch Röntgen oder durch Sniffen in Verbindung mit einer Handkontrolle unterzogen werden. Oder sie können von vornherein vom bekannten Versender mit dem Status „sicher“ aufgegeben werden, der an eng definierte Kriterien geknüpft ist.. Dafür ist eine sogenannte sichere Lieferkette erforderlich. Gebildet wird sie entweder von behördlich überprüften bekannten Versendern und ihren Diensteistern, den sogenannten reglementierten Beauftragten. Diese wurden ebenfalls behördlich überprüft. Alternativ dazu können auch geschäftliche Versender und reglementierte Beauftragten gemeinsam die sichere Lieferkette bilden.

Und das kritisieren Sie. Warum?

Auch der geschäftliche Versender muss ein anspruchsvolles Sicherheitskonzept vorweisen– das ist gut. Überprüfen soll diese Maßnahmen jedoch der reglementierte Beauftragte, also der jeweilige Dienstleister dieses absendenden Unternehmens. Aus unserer Sicht stellt das die Unparteilichkeit in Frage. Außerdem werden uns Logistikdienstleistern an dieser Stelle hoheitliche Aufgaben übertragen, für die wir gar nicht ausgebildet sind. Im Endeffekt können wir nicht verlässlich einschätzen, ob ein Sicherheitskonzept wirksam ist.

Klingt paradox. Warum gibt es diese Vorschriften?

Von außen betrachtet wirkt es ein wenig, als wolle der Gesetzgeber die Verschärfung der Sicherheitsvorschriften für Luftfracht wieder ein wenig lockern. Die Zertifizierung für bekannte Versender bedeutet einen wesentlichen Fortschritt zu mehr Sicherheit, ist aber aufwendig. Geschäftlicher Versender können Unternehmen aber auf einem unbürokratischen altbekannten Weg werden: Durch die Abgabe einer Sicherheitserklärung bei ihrem Dienstleister – also genauso, wie es vor dem Stichtag 29. April auch für bekannte Versender der Fall war.

Was ist der Inhalt dieser Sicherheitserklärung?

Auch ein geschäftlicher Versender muss über ein eigenes Sicherheitskonzept verfügen, für das ähnlich strenge Regeln gelten wie bei bekannten Versendern. Es genügt aber, von einem reglementierten Beauftragten anerkannt zu werden, der dann auch die Verantwortung übernimmt. Eine behördliche Überprüfung erfolgt in der Regel nicht. Das LBA verfügt allerdings über das Recht, die Sicherheitsmaßnahmen der geschäftlichen Versender unangemeldet zu überprüfen.

Und dieses Vorgehen halten Sie für unsicher?

Ja – es bildet im Prinzip eine Lücke im Luftfrachtsicherheitskonzept. Bei großen Logistikkonzernen sind mittlerweile nämlich über 4.000 geschäftliche Versender registriert. Das sind in etwa genauso viele wie die vom LBA überwachten bekannten Versender. Niemand sollte sich vorgaukeln, dass die Logistiker die Sicherheitskonzepte so vieler Unternehmen besser und schneller überprüfen können als die Behörde. – Um auch in Haftungsfragen auf Nummer sicher zu gehen, überprüfen diese Logistiker in der Praxis dann auch die Frachten ihrer geschäftlichen Versender. Die Waren werden also in der Regel doch noch geröntgt.

Damit ist dann aber doch weitestgehend für Sicherheit gesorgt. Weshalb regt Sie das trotzdem auf?

Ganz einfach: Der geschäftliche Versender wirkt derzeit wie ein Kundenbindungsprogramm für Großkonzerne. Diesen Dienstleistern gelingt es nun nämlich mit Leichtigkeit, den Eindruck zu erzeugen, dass einzig sie in der Lage seien, die Luftfracht ihrer geschäftlichen Versender zu bearbeiten. Tatsächlich kann das aber jeder reglementierte Beauftragte. Denn wir alle haben Partner, die für uns Sicherheitskontrollen vornehmen.

Welchen Vorteil ziehen denn die Großkonzerne aus der Regelung?

Nach unserer Auffassung besteht die Gefahr, dass die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen verschleiert werden. Dem Anbieter verschafft das einen Wettbewerbsvorteil, den kleine oder mittlere Unternehmen in dieser Form nicht haben. Und es verhindert eine echte Preistransparenz. Alles in allem birgt diese Regelung das Risiko, dass sich bei den Mitbewerbern der Konzerne ein unverantwortlicher Druck aufbaut, ihre Kunden auch ungeprüft als geschäftliche Versender anzuerkennen – ohne dass es ihrem tatsächlichen Sicherheitsstatus entspricht. Das geht ganz klar zu Lasten der Luftfrachtsicherheit. (LE)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 4/2013

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