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Die Stimmung steigt

Auch wenn die derzeitige Verunsicherung die Aktienmärkte auf Talfahrt schickt, hat sich dieser Pessimismus beim Mittelstand (noch?) nicht in dieser Schärfe niedergeschlagen.  Redaktion: PAUL CHRISTIAN JEZEK


Die Wirtschaftsindikatoren sind weit von jenem Minus-Punkt entfernt, an dem man sich im „Tal der Tränen“ 2008/09 befand, resümiert die Creditreform in ihrer aktuellen Mittelstandsanalyse, für die im Mai 1.734 Unternehmen befragt wurden. Die heimischen KMU schlagen sich somit derzeit relativ wacker und die Werte sind auch besser als jene, die eine ähnliche Untersuchung in Deutschland ergeben hat. Für Rainer Kubicki, Geschäftsführer von Creditreform Österreich, nimmt unsere mittelständische Wirtschaft jedenfalls „Fahrt auf“. Das Klima sei durchaus positiv und die Mehrzahl der Befragten war auf Halbjahressicht optimistisch eingestellt, was ihre Branche und die Konjunktur an sich betrifft.

 

Die Dynamik der konjunkturellen Erholung hat sich zuletzt allerdings abgeschwächt. Dennoch: Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass die Zahl der Aufträge stabil geblieben ist. In der Gesamtschau der Auftragsentwicklung ergibt sich, dass die Zahl der KMU, die mehr Aufträge erwarten, mit 5,8 % die Anzahl jener übersteigt, die mit dünneren Auftragsbüchern rechnen. Laut Kubicki konnten etwas weniger Firmen als im Vorjahr höhere Preise durchsetzen. Das gelang demnach heuer nur 32,4 % der Befragten – das sind um 4,3 Prozentpunkte weniger als noch im Vorjahr. Vor allem im Baugewerbe wird der Preisdruck höher. Dort musste jedes vierte Unternehmen seine Preise senken. Dementsprechend klagen 29,7 % der Bauunternehmen über sinkende Umsätze.

 

Es wird schneller gezahlt

Die Creditreform-Daten zeigen, dass sich die Zahlungsmoral verbessert hat. Knapp zwei Drittel der Kunden von KMU bezahlen innerhalb von 30 Tagen – das ist eine Verbesserung um mehr als zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. 27,6 % der Kunden lassen sich drei Monate Zeit, Rechnungen zu begleichen (Vorjahr: 29,5 %). 

 

Die Analyse zeigt weiters auf, dass Banken bei der Vergabe von Krediten immer genauer werden und mehr Sicherheiten verlangen. Kubicki will aber nicht von einer Kreditklemme sprechen. Laut Michael Bretz, Leiter der Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung, könnte dies erst dann geschehen, wenn die Staatsschuldenkrise Banken weiter unter Druck bringt. Dann könnte sich die Kreditvergabe weiter erschweren und die Krise würde dann auf die „Realökonomie“ durchschlagen. Die heimischen KMU dürften sich immer besser gegen magere Zeiten wappnen. „Sie haben Fett angesetzt“, meint Bretz im Hinblick auf die steigende Anzahl jener Unternehmen, deren Kapitaldecke dicker wird.

 

Verbesserungen für Betriebe und Jungunternehmer

„Europa insgesamt muss wachsen. Dabei geht es nicht um die Diskussion Wachsen oder Sparen. Vielmehr müssen jetzt Anreize gesetzt werden, um kostensparende Erneuerungsprozesse in Gang zu setzen und Anreize für Investitionen und Innovationen zu setzen“, sagt dazu WKÖ-Präsident Christoph Leitl. Die Unternehmensfinanzierung sei schließlich einer der Grundsteine für europäisches Wirtschaftswachstum. So habe aktuell das Europäische Parlament unter Federführung von Othmar Karas u. a. deutliche Verbesserungen erreicht, was die Risikogewichtung von Krediten an KMU und an Betriebsgründer betrifft. 

 

Leitl fordert die Schaffung eines EU-Garantiefonds, der mit einer Einlage von 5 Mrd. Euro eine prognostizierte Hebelwirkung von bis zu 50 Mrd. Euro auslösen und damit eine Wachstumschance für die Betriebe sein könne. Dies sei insofern von Bedeutung, als eine schlechte Bonitätsbeurteilung als Ablehnungsgrund weiter zunehme. In 7 von 10 Fällen waren fehlende Sicherheiten der Hauptgrund für abgelehnte Bankfinanzierungen. „Vor diesem Hintergrund steigt die Bedeutung von Haftungsinstrumentarien, wie sie die aws anbietet“, sagt dazu der Geschäftsführer der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws), Bernhard Sagmeister. Er begrüßt die Forderung nach Einführung eines EU-Garantiefonds und spricht von einer „sinnvollen Größenordnung für stärkere Wachstumsimpulse“. Haftungen seien in diesem Zusammenhang eine sehr budgetschonende Möglichkeit, um echte Wachstumsimpulse zu setzen. Aus einer gemeinsamen Umfrage von aws und WKÖ ist jedenfalls zu erkennen, dass in Österreich die Investitionsvorhaben der Unternehmen etwa auf dem Niveau von 2010 liegen, wobei kleinere Betriebe zurückhaltender seien, während Mikro- und mittlere Unternehmen Zuwächse verzeichneten. Rund ein Drittel der Betriebe investierte im vergangen Jahr mehr als die üblichen Ersatzinvestitionen. In der Unternehmensfinanzierung selbst war 2011 die Cash-Flow-Finanzierung (ca. 50 %) dominierend. Der Anteil von Bankkrediten an der Finanzierung steigt aber mit der Beschäftigungsgröße von 19,5 % bei EPU ohne Beschäftigte bis auf 34,7 % bei mittleren Unternehmen (50-249 Mitarbeiter).

 

Auf nationaler Ebene schlägt WKÖ-Präsident Leitl die Einführung einer „Investitionszuwachsprämie neu“ vor. Diese könnte „eingeschränkt“ und durch die gute Wirtschafts,- und Steuereistung – für den Staat leistbar – eingeführt werden. Ebenfalls am Tableau: Eine Nachfolgeregelung des alten Mittelstandsfinanzierungsgesetzes, um Alternativen zur reinen Bankenfinanzierung für Unternehmen zu schaffen.

 

OeKB-Gruppe vereinfacht Zugang zu Finanzierungen

Unterdessen hat die Oesterreichische Kontrollbank Gruppe ihre kurzfristigen Exportrahmenfinanzierungen neu geregelt: Sie refinanziert die Hausbanken bei Rahmenkrediten für exportierende KMU künftig über die Österreichischer Exportfonds GmbH, für die Betriebsmittelkredite großer Exportunternehmen sorgt die Oesterreichische Kontrollbank AG (OeKB). Die Beschränkung auf je einen Zinssatz für KMU und für große Unternehmen bringt vielen Unternehmen bessere Konditionen. „Wir wollen, dass exportierende Unternehmen einfach und rasch zu Liquidität kommen“ erklärt OeKB-Vorstand Rudolf Scholten die Motivation der Neuordnung. Ab sofort gibt es auch bei den Zinsen eine klar verständliche Regel: „Für alle KMU gilt der Exportfonds-Zinssatz und für alle Großunternehmen der Zinssatz des Kontrollbank-Refinanzierungs-Rahmens (KRR)“. Basis aller Finanzierungen sind via Bundesministerium für Finanzen verbürgte Wechsel nach AusfFG.

 

Auch WKÖ-Präsident Leitl begrüßt die Neuregelung, die „einfachere und günstigere Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen, die im Exportgeschäft aktiv sein wollen, mit sich bringt“. Sie ist Teil eines Maßnahmenpakets, das die Instrumente der OeKB Gruppe noch attraktiver machen soll: So wurden zuletzt die maximalen Auslandsanteile für Exportfonds-Kredite und für kurzfristige KRR-Rahmenfinanzierungen auf Basis von Wechselbürgschaften von 50 auf 75 % des Umsatzes erhöht. Für Rahmenfinanzierungen von Großunternehmen soll der bisher maximal finanzierbare Umsatzanteil von 12 % entfallen, um den Handlungsspielraum zu erhöhen. 

 

Innovationsradar zeigt Technologietrends

Um KMU aktuelle Technologietrends, Perspektiven und mögliche Kooperationspartner aufzuzeigen, hat Austrian Cooperative Research (ACR), ein Netzwerk von 17 außeruniversitären Forschungsinstituten, einen „Innovationsradar“ ausgearbeitet. Als kleiner oder mittlerer Unternehmer könne man schon einmal den Überblick über neueste Entwicklungen in seiner Branche verlieren und vor allem in Randbereichen Themen übersehen, begründet ACR-Geschäftsführer Johann Jäger die Initiative.

 

In den vier Wirtschaftsbereichen „Nachhaltiges Bauen“, „Umwelttechnik und erneuerbare Energien“, „Lebensmittelqualität und -sicherheit“ sowie „Produkte, Prozesse, Werkstoffe“ wurden Experten über die zu erwartende Entwicklung in den kommenden drei bis fünf Jahren befragt und daraus Perspektiven und Trends abgeleitet.

 

„Der Innovationsradar zeigt Unternehmen, wohin sich der Markt in den nächsten Jahren entwickelt und worauf sie sich vorzubereiten haben“, erklärt Jäger. „Der Zugang zu Wissen und Finanzierung ist ein entscheidender Punkt für KMU, um zu innovieren“, so Josef Mandl, Leiter der Innovationsabteilung im Wirtschaftsministerium, das nicht nur den „Innovationsradar“, sondern seit Jahren auch die ACR-Institute fördert. Mit Hilfe des Radars könnten die KMU vielversprechende technologische Entwicklungen und neue Marktchancen früher erkennen.

 

Lobbying für die „Kleinen“

„Die KMU kommen – und das droht ganz aktuell auch jetzt wieder – wegen BASEL III und dem Argument ,zu wenig Eigenkapital‘ sehr schwer zu Krediten von Banken, die selbst noch weniger Eigenkapital-Anteil haben als sie“, kritisiert „Lobby-Coach“ Mag. Wolfgang Lusak im Gespräch mit dem Logistik express. „Wenn sie sparen, zahlen sie 25 % KESt, die Spekulanten am Weltmarkt genau 0 % Steuern für ihre Spekulationsgewinne. Auch sonst ziehen sie gegenüber den Großlobbies oft den Kürzeren – der Abstieg des Mittelstandes und der KMU hat auch in Österreich schon begonnen!

 

Mit der Zerstörung der in Wahrheit allein staatstragenden KMU ginge alles den Bach runter, warnt Lusak. „Natürlich gibt es auch unter den KMU und Freiberuflern selbst große Mängel.“ Es fehle an gekonntem Lobbying, um bei Ausschreibungen, Förderungen, Normungen, Genehmigungen und Geschäftskontakten bessere Karten zu haben und um sich bei Innovationen, Investitionen, Markenbildung und im Export durchsetzen zu können. Lusak: „Ich möchte Ihnen fünf ,Österreich fördert seine Mitte‘-Forderungen für eine „Lobby der Mitte“ vorstellen:

 

1. Mehr politische Offenheit für Mittelstands- und KMU-Lobbying plus Gestaltung einer Informations-Offensive für faires Lobbying 2. Umfassende Ausbildung für einzelne KMU und ihre Funktionäre plus zusätzliche Coaching-Unterstützung in der Umsetzung 3. Förderung von Branchen- und Sozialgrenzen überschreitenden Lobby-Aktivitäten von KMU mit z. B. Jugend/Nachwuchs, Institutionen, Freiberuflern, Arbeitnehmervertretern, Experten und Medien 4. Unterstützung für KMU-Lobbying durch Großunternehmen aus Finanzwelt, Industrie und Konzernen als Mentoren, Wegbereiter und Geldgeber 5. Öffentlich einsehbares Monitoring der Lobby-Leistung der KMU-Interessenvertretungen. Laut Lusak sollten die KMU Pioniere einer auf solide Mitte bauenden Zukunft sein, „um endlich wieder Chancengleichheit für den Mittelstand gegenüber den Großlobbies zu schaffen – und um letztlich sich und uns alle zu retten!“  (PJ)

Quelle: Logistik express Print- und E-Paper Ausgabe 2-2012  

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