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Effiziente Kühllogistik für weltweite Hilfsaktionen

Die Thermolabilität vieler pharmazeutischer Präparate, insbesondere von Impfstoffen, stellt besondere Anforderungen an die Kühllogistik. Um sicherzustellen, dass der Transport die Integrität der temperaturempfindlichen Produkte nicht beeinträchtigt und eine hohe Verfügbarkeit in Krisengebieten gewährleistet ist, hat Médecins Sans Frontières (MSF) flexible, belastbare Logistiklösungen entwickelt.  Redaktion: Ursula Schmeling

Mitarbeitende von Médecins Sans Frontières sind meist in Krisengebieten oder schwer zugänglichen Regionen mit einer medizinischen Unterversorgung im Einsatz. So ist MSF in Lagern mit somalischen Flüchtlingen in Kenia und Äthiopien, aber auch in Syrien und zuletzt auf den Philippinen tätig.

Anlässlich einer Kundenveranstaltung der SISA Studio Informatica S.A. in Bern erläuterte der MSF-Logistiker Patrick Hafner, wie sich die Herausforderung meistern lässt, Kühltransporte für Impfstoffe über zahlreiche nationale Grenzen hinweg, trotz 48 Grad Celsius Umgebungstemperatur am Zielort, erfolgreich durchzuführen. Das A und O ist ein effizientes Zusammenspiel aller Glieder der Lieferkette.

Extreme Thermolabilität
Impfstoffe, aber auch andere pharmazeutische Präparate, reagieren empfindlich auf zu hohe und zu niedrige Temperaturen sowie intensives Sonnenlicht. 50 % aller Transportschäden bei Medikamenten und Impfstoffen gehen auf falsche Temperaturen zurück. Jedes Produkt hat sein spezifisches Temperaturfenster. Manche Impfstoffe müssen bei +2 bis +8 Grad transportiert werden, Polio-Schluckimpfstoffe bei -18 Grad. Aber die meisten flüssigen Impfstoffe vertragen keine Minustemperaturen. Ambison (Kala-Azar) behält seine Wirksamkeit nur bei Temperaturen zwischen +2 und +25 Grad.

Viele Krisengebiete liegen in den Tropen, zwischen dem Wendekreis des Krebses und des Steinbocks, so dass am Einsatzort der Impfstoffe Temperaturen zwischen 30 und 45 Grad Celsius keine Seltenheit sind. Entsprechend muss die Kühlkette bis zur effektiven Impfung lückenlos aufrechterhalten werden, um die Integrität des Impfstoffs nicht zu gefährden.

Mangelhafte Verkehrsinfrastruktur
Für Transporte in Krisengebiete kommt erschwerend hinzu, dass es dort vielfach keine verlässliche Elektrizitätsversorgung gibt und Einsatzorte meist nicht mit Thermofahrzeugen und häufig auch nicht mit Lkw angefahren werden können, sondern die labilen Produkte manchmal per Fahrrad, Motorrad, Kleinflugzeug, Motorboot oder auf Eselsrücken ihr Ziel erreichen müssen, obwohl jede Impfaktion eine hohe Verfügbarkeit von

Impfchargen voraussetzt…
Um diese Herausforderungen zu meistern, betreibt MSF viel Aufwand bei der Verpackung von Impfstoffen und Medizin. Die einzelnen Produkte werden in spezielle, gut tragbare Isolierkartons verpackt, bevor sie palettiert und im europäischen Logistik-Hub in Bordeaux in Kühlcontainern auf die Schiffsreise geschickt werden. Für schnelle Einsätze und bei Umweltkatastrophen werden Impfstoffe und Medikamente natürlich auch geflogen.

Die Zwischenlager im Einsatzland sind mit durch Solarzellen, Kerosin und Gas betriebenen Kühlgeräten ausgestattet, falls es keinen elektrischen Strom für Kühltruhen und Kühlkammern gibt. Spezielle kleine, tragbare Kühlbehälter sorgen dafür, dass die Chargen auch den Einsatzort noch gekühlt erreichen und weiter gekühlt werden können, bis die Charge zum Spritzen entnommen wird.

Schulung als Basis des Qualitätsmanagements
MSF-Mitarbeitende werden regelmäßig geschult, um sicherzustellen, dass die Produkte jederzeit in einer sicheren und angemessenen Art und Weise behandelt werden. Es wurden Prozesse implementiert, die eventuelle Abweichungen während eines Transportes regeln, um Auswirkungen auf die Qualität der transportierten Produkte ausschließen zu können. Die Dokumentationen machen alle wichtigen Aktivitäten und Abweichungen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar.

Der sorgfältige Umgang mit Pharmazeutika ist nicht nur im Interesse der Patienten. Schließlich muss sorgfältig mit den Spendengeldern umgegangen werden, mit denen der Einkauf der pharmazeutischen Präparate finanziert wird. Für seinen Einsatz bei SISA wurde Patrick Hafner mit einem Spendenscheck über 4.000 CHF für MSF belohnt. (US)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 4/2013

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