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Effizienz geht über alles

Logistik in der Stahlbranche. Bis aus dem Rohstoff Erz Stahl wird, ist es ein langer Weg, auf dem Effizienzpotenziale zu heben sind, wie das Beispiel bei Voestalpine Stahl in Donawitz zeigt.  

Eine sichere und kostengünstige Rohstoffversorgung ist für die Stahlindustrie von entscheidender Bedeutung. Die Beschaffung von Erz und Koks muss nicht nur kurz- und langfristig gesichert sein, sie muss auch kostengünstig erfolgen. Entlang der langen Transportkette von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Auslieferung an den Stahlverbraucher oder Endanwender spielt auch die interne Logistik eine wichtige Rolle. „Die lange Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Verbraucher ist eine tägliche Herausforderung in der Stahlindustrie“, betont Peter Karner, Leiter der Abteilungen Forschung & Entwicklung und Auftragsabwicklung bei Voestalpine Stahl in Leoben-Donawitz. Über die gesamte Wertschöpfungskette beschäftigen sich viele Mitarbeiter nur mit logistischen Aufgaben. Diese sind auch dafür verantwortlich, dass die für die Stahlproduktion nötigen Rohstoffe termingenau im Werk sind, der darauf folgende Herstellungsprozess produktiv und effizient abläuft und die Schienen, Rohre, Weichen etc. ebenso just in time zum Kunden kommen. Pro Jahr werden im Werk Donawitz 800.000 Tonnen Koks und 1,2 Mio. Tonnen Erz für die Produktion von rund 1,65 Mio. Tonnen Stahl benötigt. Wobei Stahl nicht gleich Stahl ist. „Wir produzieren 500 verschiedene Stahlarten pro Jahr“, so Karner.
 
Vom steirischen Erzberg kommen 20 Prozent des Erzbedarfs. Der Transport erfolgt quasi ums Eck, vom Erzberg nach Donawitz, Transportdauer gerade einmal drei Stunden. Wie lange der Erzberg noch den kostbaren Rohstoff hergibt, ist freilich nicht abzusehen, dennoch geht man davon aus, dass er in zehn Jahren oder später als Lieferant keine große Rolle mehr spielen wird. Das bedeutet, dass danach noch mehr Erz importiert werden muss. 80 Prozent der Rohstoffe kommen schon jetzt aus Polen, der Ukraine, Südafrika oder Brasilien. Diese längeren Transportwege bedürfen genauer logistischer Steuerung. Südafrikanisches Erz beispielsweise kommt per Schiff nach Koper, wird dort zwischengelagert und in mehreren täglichen Ganzzügen nach Donawitz gefahren. In Koper ist Platz für die Pufferlagerung von 400.000 Tonnen Erz und 100.000 Tonnen Kohle. Von dort werden die Mengen für die einzelnen Voestalpine-Produktionsstätten abgerufen. Im Pufferlager in Donawitz werden Rohstoffe für fünf Produktionstage vorgehalten.
 
Aus der Ukraine und Polen kommt Kohle per Bahn nach Donawitz. Karner muss als operativer Rohstofflogistiker sicherstellen, dass ausreichend Erz und Koks vor den Öfen liegt, damit die Produktion plangemäß läuft. 12 verschiedene Stahlmarken werden täglich produziert, die Losgrößen bewegen sich zwischen 180 und 900 Tonnen, hergestellt wird zu 100 Prozent auftragsbezogen. Der durchschnittliche Lagerbestand bei Fertig- und Halbfertigwaren liegt bei 25.000 Tonnen. „Wir haben hier einen fünffachen Lagerumschlag pro Monat. Das ist sehr hoch“, sagt Karner. Bei 400.000 Tonnen liegt die Lagerkapazität im Werk.
 
Diese Zahlen verdeutlichen die Komplexität in der internen Logistik vor und nach dem eigentlichen Produktionsprozess. „Wir müssen zum einen unsere Produktionskapazitäten optimal auslasten und zum anderen die Kundenbedürfnisse optimal erfüllen“, erklärt der studierte Diplom-Ingenieur die Herausforderung. Um das zu schaffen, hat Karner mit Kollegen die Produktionsplanung optimiert, und es wurde ein Modell zur Kapazitätsbestimmung (Kachelplanung) entwickelt. Laut Karner geht dieses Konzept auf. Mit Kachel ist in der Stahlproduktion ein Platzhalter für einen Engpass gemeint. Damit bekommt man eine Übersicht über die Kapazitätsbelastungen und die sich abzeichnenden Engpässe. Der Vorteil: Sofort wird offensichtlich, wo es Probleme gibt, und der Kunde kann sofort informiert werden, ob der Auftrag punktgenau erfüllbar ist und der Liefertermin gehalten werden kann. Hausintern hat die Kachelplanung den Vorteil, dass Liefertermine generell besser steuerbar werden, sich dadurch die Kundenzufriedenheit erhöht und sich Fehlerquellen reduzieren lassen. Voestalpine produziert Kurz- und Ultra-Langschienen von bis zu 120 Metern Länge, deren Verladung und Transport zum Kunden eine logistische Herausforderung sind, wie Karner betont. Um die Schienen professionell und effizient am Verlegeort auf die Trasse zu legen, wurde das spezielle Abladesystem Rail-Putler entwickelt und patentiert. Seit acht Jahren werden Schienen mit Rail-Putlern vor Ort vom Waggon abgeladen. Beim Transport zum Verbraucher oder Endanwender werden auch GPS-Sender eingesetzt. So etwa bei einer Lieferung von Österreich nach Norwegen. Der Sender ist drei Jahre wartungsfrei und mit einem Sendungsverfolgungssystem gekoppelt. Die genaue Dokumentation des Transports ist gerade bei Just-in-time-Lieferungen von Bedeutung. Eine solche wird häufig im Auftrag vereinbart und ist daher integraler Vertragsbestandteil.
 
Voestalpine produziert auch Nahtlosrohre und steckerfertige Weichen und hat dafür Abnehmer auf allen fünf Kontinenten. Um die Rohre zu fertigen, müssen 470.000 Tonnen Rohstoffe beschafft werden. Bei der Auslieferung der Rohre kommen Schiff, Bahn und Lkw als Transportmittel zum Einsatz. Rund 80 Tage dauerte etwa die Lieferung von Rohren für die amerikanische Ölindustrie in Houston. Die Produktion begann im April dieses Jahres, 80 Tage später trafen die Rohre just in time auf dem US-Ölfeld ein. Die Weichen werden bei der Voestalpine vormontiert, als komplette Weicheneinheit auf die Strecke geliefert und dort an die vorhandenen Gleisstränge angesteckt. Als Transportmittel kommt hier primär die Bahn in Frage.
 
Karner sieht in der Kundenbelieferung noch einige Optimierungspotenziale, etwa bei den Bahntransporten: „Wir müssen weg vom Einzelwagenverkehr und hin zur Bündelung von Bahntransporten.“ Bei allen Verkehrsträgern zeigt sich das gleiche Bild: Die Preisentwicklung hängt stark von den Treibstoff- und Energiepreisen ab. Karner: „Wir brauchen Langzeitvereinbarungen mit Logistikdienstleistern zu fixen Preisen sowie kurze Vor- und Nachläufe zwischen Hinterland und Häfen.“ Bei den Bahnen ortet Karner häufig eine zu geringe Flexibilität und weniger Service als durch den Lkw.

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