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Ist Bacchelor mit Gott Bacchus verwandt?

Einerseits hat Österreich eine zu niedrige Akademikerquote, andererseits kann die Wirtschaft vielfach mit Bacchelors nichts anfangen. Doch gerade jetzt, wo uns die nächste Konjunkturdelle ins Haus steht, sind Fachleute gefragt wie nie – auch oder gerade im Einkauf.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen: obwohl laut Statistik Austria die Anzahl der Akademiker seit 1951 kontinuierlich gestiegen ist, weist die aktuelle Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Anm.) „Bildung auf einen Blick“ Österreich mit 19 Prozent Hochschulabsolventen als eines der Schlusslichter aus. Um international mithalten zu können und Vergleichbarkeit zu schaffen, wurde statt des beliebten Magistergrades ab 2006 der Bacchelor (Bakkalaureus) verliehen. Doch dummerweise wird er von den Unternehmen nicht angenommen, ohne anschließendes Masterstudium sind die Chancen auf den Traumjob gering. „Der Bacchelor kommt in Österreich einfach nicht an“, meint Dkfm. Heinz Pechek, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ). „Man fragt sich, was dieser Titel bedeuten soll, Bacchelor – ist der mit dem griechischen Gott Bacchus verwandt?“

Was so spöttisch klingt, hat durchaus einen ernsten Hintergrund: „Es herrscht akuter Mangel an Akademikern im Einkauf. Gerade jetzt, wo uns eine Konjunkturdelle ins Haus steht, können Spezialisten im Unternehmen so viel bewegen. Doch tragischerweise gibt es viel zu wenige.“  Die Gründe dafür sieht Pechek vor allem in der Historie: „Der Einkauf hat keinen Glamour-Effekt, er galt lange Zeit nur als Stützfunktion des Unternehmens, wurde erst spät zum Faktor in BWL-Büchern.“ Nur wenige würden nach der Matura auf die Idee kommen, Einkauf zu studieren. Betriebswirtschaftslehre hingegen sei beispielsweise ein Dauerbrenner. Dazu hat er auch eine Anekdote parat: „Vor einigen Jahren führte ich ein Gespräch mit einem Unternehmer. Es ging darum, einen Mitarbeiter für den Einkauf zu finden. Da fiel ihm ein Lagerarbeiter ein, der aufgrund seiner Rückenbeschwerden nicht mehr gut heben und auch nicht mit dem Computer umgehen konnte, aber schreiben würde wohl noch gehen, deswegen wäre dieser ideal für die Position.“

Position im Wandel
Glücklicherweise ist diese Einschätzung Großteils aus den Köpfen der Unternehmer verschwunden, der Einkauf wird mehr und mehr zum Kompetenzzentrum. Schließlich muss ein Einkäufer interdisziplinäres Wissen vereinen, dazu auch über umfassende Marktkenntnisse verfügen um im Bedarfsfalle – etwa wenn wie nach dem Atomunglück in Japan eine ganze Beschaffungsregion ausfällt – Alternativen zu finden. Denn die nachhaltige Versorgungssicherung des Unternehmens in zunehmend volatilen Märkten ist die Kernkompetenz des Einkaufes. Doch der wirkliche Hebel liegt bereits in der Produktentwicklung, wo durch Wertanalyse und Beschaffungsmarktvergleiche große Einsparungen möglich sind – wenn der Einkäufer über die entsprechende Qualifikation und Kenntnis verfügt.

Ausbildungsmanko
Obwohl sich einiges getan hat, liegt auch noch Vieles im Argen. „Die akademische Durchdringung des Einkaufs ist eindeutig unterrepräsentiert, wenn man den Bereich etwa mit dem Marketing vergleicht“, bedauert Pechek. Warum die akademische Vorbildung für einen Einkäufer wichtig ist? „Sie ermöglicht einen flexibleren Zugang zu den Themen und andere Wege der Problemlösung, Akademiker sind ‚open minded‘.“ Auch in der Ausbildung selbst fehlen ihm wichtige Faktoren: „Ökonomie, Volkswirtschaft, Rechtskenntnisse und Technologie – nämlich die der Lieferanten, der Kunden und natürlich die eigene – fehlen meist in der Ausbildung. Ein weiterer Punkt ist ihm ein Dorn im Auge: „In Österreich ist die berufsbegleitende Ausbildung an den Universitäten sehr langwierig und damit schwierig umzusetzen. Daher waren die Lehrgänge universitären Charakters so ein tolles, praxisnahes Instrument.“

Am 7. November 2011 war der Startschuss für den letzten Durchgang des vom BMÖ durchgeführten MBA-Programmes, des MBA in „General Management – Strategic Purchasing & Supply Chain Management“ (im Ausnahmefall ist ein Quereinstieg im 2. Semester möglich, Auskunft erteilt der BMÖ). Leider stimmte die Qualität der angebotenen Kurse nicht bei allen Anbietern in Österreich, weswegen die Lehrgänge universitären Charakters nun generell eingestellt wurden. „Ein herber Verlust für Einkäufer, die voll im Berufsleben stehen, und nun kaum mehr Möglichkeiten für die berufsbegleitende akademische Weiterbildung haben. Nur, weil manche Schindluder mit dieser Ausbildungsform getrieben haben“, ärgert sich der Einkaufsexperte.

Armutszeugnis?
Die Anfang September veröffentlichte OECD-Studie stellt Österreich in zweierlei Hinsicht ein schlechtes Zeugnis aus: nicht nur, dass wir unterdurchschnittlich viele Akademiker haben, geben wir für diese überdurchschnittlich viel aus! Es mangelt also weniger am Budget, sondern an der effizienten Umsetzung.
Ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die (meist erfolglos) mehr Geld für die Universitäten fordern, da es an allen Ecken und Enden fehlt. Es ist da – es kommt nur nicht in den Hörsälen an. Zugegebenermaßen ist allerdings das Bildungsbudget gemessen am BIP im internationalen Vergleich gering: während der OECD-Schnitt bei 5,9 Prozent liegt, beträgt er hierzulande 5,4 Prozent – in Chile, Dänemark, Island, Israel, Südkorea, Norwegen und den USA liegt er über 7 Prozent (private Aufwendungen eingerechnet). Der Anteil der Hochschulabsolventen an der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren lag in Österreich im Jahr 2009 (aktuellstes Studienmaterial) bei 19 Prozent – der OECD-Durchschnitt hingegen bei 30 Prozent! Von den 34 Mitgliedsländern liegt Kanada mit 50 Prozent unangefochten an der Spitze, hinter uns blieben lediglich die Türkei, Portugal, Italien, die Slowakei, Tschechien und Mexiko.

Das Peinlichste daran: im Jahr 1995 lagen unsere Ausgaben für Bildung noch bei 6,2 Prozent des BIP. Ein Blick in die Studie verdeutlicht den Unterschied zu den anderen Ländern: „In mehr als drei Viertel der Länder mit verfügbaren Daten für 2000 und 2008 war der Ausgabenanstieg für alle Bildungsbereiche zusammen größer als das Wachstum des BIP.“ Ein unrühmliches Resultat für die „Insel der Seligen“. Doch als Hochpreisland sind wir darauf angewiesen, hinsichtlich der Qualifikationen eine Führungsrolle zu übernehmen, von der wir uns immer weiter entfernen. Generell zeigt die Studie, dass die Akademikerquote zwar auch in Österreich ansteigt, aber viel geringer als in anderen Ländern. Tragisches Detail: 20,6 Prozent der 15- bis 19-Jährigen befinden sich überhaupt nicht mehr in Ausbildung, weder als Lehrling noch in einer Schule.

Sprachrohr gesucht?

Egal ob man nun die Hochschulbildung in jungen Jahren oder erst später im Berufsleben anstrebt, die Hürden werden mehr. Vollzeitstudenten finden ihre Interessensvertretung in der Hochschülerschaft (oder sollten es tun), bei der berufsbegleitenden Form fühlt sich oft niemand zuständig. Als gute Anlaufstelle erweisen sich in solchen Fällen die Logistikvereinigungen (BMÖ, BVL, VNL, …), die teilweise über eigene Akademien und Ausbildungsschienen verfügen.  (AT)

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