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Luftfracht – Barometer der Weltwirtschaft

Die Lage im Luftfrachtmarkt bleibt auch 2013 schwierig. Sie wird u.a. von Überkapazitäten, insbesondere im Beiladesegment, und einem Investitionsstau, beispielsweise bei der Modernisierung der IT-Systeme, geprägt. Experten gehen davon aus, dass die Luftfrachtvolumen in diesem Jahr kaum den Stand von 2011 erreichen werden, obwohl Chinas Im- und Exporte wieder steigen. Doch nur ein geringer Teil des chinesischen Außenhandels wird geflogen. Euphorie ist nicht angesagt.

Rund zwei Drittel aller internationalen Handelsgüter werden heute in Seefracht-Containern transportiert. Das Ladungsvolumen wird auf ca. 80 Mio. TEU geschätzt. Bei durchschnittlich 12 t pro TEU ergibt das rund 1,45 Mrd. t. Im Vergleich dazu werden gerade mal 25 Mio. t Fracht geflogen. Das Verhältnis See- zu Luftfracht ist also 98:2.

Zwar ist der Durchschnittswert der Fracht pro Tonne in der Luftfracht rund 18 Mal höher als in der Seefracht (USD 5.600 gegenüber USD 100.000), doch dies hat keinen Einfluss auf die Konjunkturentwicklung in der Luftfracht. Analysen des Flugzeugherstellers Boeing zeigen, dass sich Luft- und Seefracht parallel entwickeln.

Wenig Spielraum für Modalshift
Hochwertige Konsumgüter, Hightech, zeit- und temperatursensible Pharmaprodukte sind die Stützen der Luftfrachtnachfrage in guten wie in schlechten Zeiten. Die Automobilindustrie, lange Jahre ein wichtiger Kunde der Charterflieger, sieht noch keinen markanten Aufwärtstrend und hat sich in den letzten beiden Jahren vermehrt auf Seefracht eingestellt. Billige Konsumgüter und Textilien werden bei einem Frachtratenunterschied von fast 1:100 auch bei steigender Nachfrage nicht geflogen werden. Ein Substitutionseffekt ist hier nicht zu erwarten.

Dafür ist das durchschnittliche Sendungsgewicht in der Luftfracht in den letzten Jahren drastisch gefallen. Wog ein PC mit Tower und Zubehör rund 14 kg, bringt ein Laptop heute noch durchschnittlich 2,7 kg auf die Waage und ein iPad gerade mal 0,6 kg.

Sollte die Weltwirtschaft im kommenden Jahr ein Wachstum von 4 % erreichen und sich dies 1:1 auf die Frachtvolumen übertragen, wären das 58 Mio. t mehr Seefracht, aber nur 1 Mio. t mehr Luftfracht. IATA geht jedoch davon aus, dass die Nachfrage nach Luftfrachtkapazitäten 2013 nur um 1,4 % steigt, nachdem sie 2012 um 2 % gefallen war.

Angesichts der Kapazitätszuwächse bei den Fluggesellschaften des Mittleren Ostens und der Türkei reicht dies vielleicht doch nicht für einen finanziellen Aufschwung der Branche. Zumal auf Passagiere konzentrierte Fluggesellschaften die Frachtkapazitäten nicht immer am richtigen Ort anbieten können und Umwelt- und Sicherheitsanforderungen weiter steigen.

Warten auf die IT-Revolution
Zwar hätten die Lufttransportunternehmen im Frachtsegment ihre Kosten in den letzten 40 Jahren drastisch gesenkt, doch habe dies nicht zu höheren Gewinnen geführt, bedauerte Des Vertannes, Global Head of Cargo bei der IATA, anlässlich des 20. SSC-Luftfrachtseminars. Die Prozesse in der Luftfrachtindustrie müssten weiter automatisiert und vereinfacht und die Zusammenarbeit entlang der ganzen Transportkette intensiviert werden.

In einer Podiumsdiskussion von Airline-Vertretern betonten Ram Menen, Senior Vice President Cargo, Emirates SkyCargo, Dubai, Juan Ignacio Barturen Diez, CEO, IAG Cargo, Madrid, und Oliver Evans, VP, Swiss World Cargo, Zürich, unisono, dass sie sich vor allem eine pro-aktivere Beteiligung der Verlader am Technologiewandel in der Luftfrachtindustrie wünschen. Der Vormarsch des E-Commerce und die Verkürzung der Produktzyklen verändere die Beziehungen in der Supply-Chain, ergänzte Anlatan Halit, Turkish Airlines, Istanbul. Ram Menen mahnte seine Kollegen, dass die Evolution in der Luftfrachtindustrie zu langsam verlaufe und rief zu einer Revolution auf. Ignacio mahnte die IT-Anbieter, dass es flexiblerer Lösungen, maßgeschneidert auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von global tätigen, kleinen und mittelgroßen Spediteuren bedürfe, damit diese Revolution stattfinden und zu einer nachhaltigen Gesundung der Lufttransportindustrie führen könne. Vielleicht brauche es auch ganz neue Anbieter, die nicht als Spezialisten für die Fluggesellschaften oder das Speditionsgewerbe das Laufen gelernt hätten, sondern nach Lösungen aus dem Blickwinkel der SCM-Optimierung suchen.

Quelle: LE Magazin 01-2013

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