Mit Weitblick und Geduld die Fusion überleben


Panikmache, Angst und Gruppendynamik führen häufig zu Kurzschlussreaktionen 

Gerät im Zuge einer Fusion die Gerüchteküche ins Brodeln, stellt sich für viele nur eine Frage: Bleiben oder Gehen? Berater und Betroffene warnen vor voreiligen Schritten.

Verdrängen, Schönreden, in Panik verfallen: Im Zuge einer Fusion machen Mitarbeiter eine Achterbahnfahrt mit, an deren Ende oft nur eine Frage steht: Bleiben oder Gehen? „Viele fürchten sich völlig zu Unrecht und wechseln, obwohl sie eigentlich einen sicheren Job haben“, beobachtet Berater und Buchautor Winfried Berner („Bleiben oder Gehen“, Ueberreuter) und verweist auf die teuflische Mischung aus Panikmache, individueller Angst und Gruppendynamik. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch: 70 bis 80 Prozent der Jobs bleiben auch in fusionierten Bereichen bestehen, wie Berner betont. Um nicht voreilig das Handtuch zu werfen, empfiehlt der Managementberater sich sein Umfeld genau anzuschauen. „Arbeite ich mitten in einem Synergiefeld, lohnt es sich, die Offerte der Personalberater genauer anzuschauen“, rät Berner. Auch wer im „Niemandsland“ werkelt und nicht genau weiss, wohin die Reise seiner Abteilung geht, sollte sicherheitshalber schon mal seine Bewerbungsunterlagen auf Vordermann bringen.

Anfragen häufen sich

Steht eine Fusion wie derzeit zwischen Telering und T-Mobile an, läutet auch bei Headhunter Joachim R. Zyla, Managing Partner bei Ray & Berndtson, das Telefon öfter als sonst. „Es gibt Anfragen quer durch alle Funktionen. Das ist ganz normal, heisst aber nicht, dass jetzt alle wie verrückt vom Schiff springen.“ Aus Erfahrung weiss Zyla, dass es zwei Gruppen besonders eilig haben: Die sehr guten Mitarbeiter und jene, die Angst haben, dass ihr Sessel wackelt. „Ich kann nur den Rat geben, auf die eigenen Gefühle zu hören. Solche Entscheidungen werden nicht nur im Kopf getroffen“, sagt Zyla. „Jeder Merger schafft neue Potenziale – nur das wird gern übersehen, weil jeder nervös ist und den Weitblick verliert.“

Peter Gröbl hat sich nach der Fusion von Jobpilot mit dem Internetportal Monster im April 2004 gegen das Bleiben und für das Gehen entschieden. Ein halbes Jahr hatte sich der einstige Österreich-Chef die Entwicklung unter dem neuen Eigentümer angeschaut – und dann die Reissleine gezogen. „Meine Devise lautet: Wenn ich mehr als 50 Prozent der Zeit nicht mehr gerne arbeite, ist es Zeit, sich umzusehen. Damals hatten sich die Rahmenbedingungen so stark verändert, dass es besser war, die Koffer zu packen.“

Kontakte aktivieren

Dringt die Kunde von der Fusion durch, stecken viele erst mal den Kopf in den Sand – und verlieren dabei wertvolle Zeit. Berner: „Sie spielen Normalität und wollen nicht wahrhaben, dass sich etwas verändern wird.“ Sein Rat: Nicht gleich abseilen, aber sicherheitshalber ein paar Kontakte aktivieren. Die können vor allem dann zur Beruhigung der Nerven beitragen, wenn die offizielle Weichenstellung losgeht. „Der Zirkus der Stellenbesetzung kann sich furchtbar lange hinziehen und für die Betroffenen sehr grausam sein. In dieser Fusionsphase gehen auch die Kämpfe los.“

Gerade in der heissen Phase der Fusion warnt Berner vor Entscheidungen aus Torschlusspanik. Angst ist in diesem Fall ein schlechter Ratgeber. „Bloss nicht irgendwelche Jobs annehmen. Man hat weniger Eile, als man glaubt.“ Leichter gesagt als getan. Denn mitten im Orkan bläst ein anderer Wind. Dennoch winkt auch Gröbl bei Kurzschlussreaktionen ab: „Ich muss beobachten, in welche Richtung es geht. Ist das eine kurzfristige Entwicklung oder bleibt das so?“ Auch sollte man sich fragen, ob die neue Situation wirklich nicht auszuhalten ist.

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