|

Neue Sicherheitsstandards sorgen für Zündstoff

Zweieinhalb Jahre nach den mutmaßlichen Anschlagsversuchen mit Paketbomben aus dem Jemen tritt ab dem kommenden Frühjahr eine EU-weite Neuregelung zur Schärfung der sicheren Lieferkette im Lufttransport in Kraft. Die in der EU-Verordnung Nr. 185/2010 festgehaltenen Maßnahmen verfolgen das eigentlich begrüßenswerte Ziel, das Risiko des unbefugten Zugriffs auf Luftfrachtsendungen bereits am Anfang der Lieferkette zu minimieren. Bei deutschen und österreichischen Unternehmen sorgt das behördliche Validierungsverfahren zum Bekannten Versender dennoch seit einiger Zeit für Verstimmung.

Ausweiskontrolle, Metalldetektoruntersuchung, Flüssigkeiten-Check, Gepäckröntgen, und am Ende sogar noch ein Sprengstofftest für das mitgeführte Notebook: Wer eine Flugreise plant, muss seit einigen Jahren immer strenger werdende Sicherheitsvorkehrungen über sich ergehen lassen. Im weltweiten Luftfrachtverkehr ist das nicht anders. Verlader, die ihre Waren zum Beispiel häufiger per Luftfracht nach Asien oder Übersee verschicken, müssen sich ab dem kommenden Frühjahr schon wieder auf eine EU-weit umgesetzte, neue Sicherheitsbestimmung einstellen. 
 
Mit dem Stichtag 25. März 2013 sind zunächst die Luftfrachtverlader in Deutschland dazu angehalten, die Idee der sicheren Lieferkette durch das neue Zulassungsverfahren zum Bekannten Versender zu unterstützen. In Österreich treten die veränderten Vorschriften für den Luftfrachtversand am 28. April 2013 in Kraft. Wer es bis dahin verpasst, seine Prozesse, Sicherheitsvorkehrungen, Logistikeinrichtungen und Transportsysteme genauestens zu dokumentieren und von Amts wegen in Augenschein nehmen zu lassen, wird sich bei künftigen Luftfrachtsendungen aller Voraussicht nach in Geduld üben müssen. Denn nach Maßgabe der EU-Verordnungsnovelle bleiben Luftfrachtsendungen in Zukunft so lange am Boden liegen, bis sie mittels Röntgenanlagen und Detektionssystemen zweifelsfrei als sicher eingestuft werden können. Sofern die in der Nähe und an den Flughäfen angesiedelten Luftfrachtimmobilien aus Platz- oder Kostengründen nicht in der Lage sind, die bis dahin benötigten Röntgenkapazitäten zur Verfügung zu stellen, könnten somit im Ernstfall Tage verstreichen, bis eilige Warensendungen die Erlaubnis erhalten, zu ihrem jeweiligen Bestimmungsort abzuheben. 
 
Wenig abschreckende Wirkung
Auf das Gros der Luftfrachtversender in Deutschland scheint dieser Umstand bislang jedoch keine besonders abschreckende Wirkung auszuüben. Von den geschätzten 60.000 Unternehmen mit einer derzeit noch gültigen, befristeten Anerkennung als „Bekannter Versender“ haben in Deutschland bis Herbst dieses Jahres erst 512 die behördliche Zulassung erhalten. Die meisten Unternehmen begründen ihr zögerliches Verhalten damit, den bürokratischen Aufwand rund um die Zertifizierung nach Möglichkeit umgehen zu wollen. Derzeit ist nach dem Ermessen der LBA-Prüfer wohl deshalb davon auszugehen, dass zunächst nicht mehr 3.600 Unternehmen planen, sich auditieren und anschließend als Bekannter Versender in die EU-Datenbank eintragen zu lassen. 
 
Spediteure und einige der rund 3.000 Luftfrachtverlader, die in Österreich für eine Eintragung als Bekannter Versender in Frage kommen, plagt neben dem aufwändigen Zertifizierungsverfahren eine andere, nicht wenig pikante, Sorge: Bei der einzigen im Land zugelassenen Validierungsstelle Sequrity handelt es sich ausgerechnet um eine 100-prozentige Tochter der Speditionsgruppe Augustin-Quehenberger. Laut der österreichischen Wirtschaftskammer steht aus diesem Grund zu befürchten, dass die gebotene Unabhängigkeit durch das Salzburger Sicherheitstechnische Zentrum nicht ausreichend gewährleistet ist. Die bei der Europäischen Kommission mittels Beschwerde eingeforderte Reaktion lässt zum wachsenden Unmut mancher Verlader und Spediteure allerdings bis zum heutigen Tage auf sich warten. 
 
Die mit der Neuregelung noch immer nicht erreichte, vollständige Harmonisierung der internationalen Sicherheitsstandards ruft übrigens auch laute Wortmeldungen bei den Airlines hervor. Vor allem im transatlantischen Verkehr sei eine gegenseitige Akzeptanz zwischen EU-Verordnungen und US-Bestimmungen längst überfällig, ließ unlängst zum Beispiel Lufthansa Cargo-Vorstand Dr. Karl-Rudolf Rupprecht in Frankfurt verlauten. Es sei inakzeptabel, dass die amerikanischen Behörden die Luftfrachtsicherheitsmaßnahmen etwa der Schweiz vollständig anerkennen, die nahezu identischen Maßnahmen der Bundesrepublik jedoch nicht, mahnte der Luftfrachtexperte. Bei allen Abflügen aus Deutschland in die USA führe dieser Umstand auch in Zukunft zu aufwändigen Zusatzkontrollen.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar