Schiffshebewerk am Elbe-Seitenkanal soll nicht ausgebaut werden

Einen Ausbau oder Neubau des Schiffshebewerks Scharnebeck am Elbe-Seitenkanal wird es nach dem Willen des Bundesverkehrsministers Dr. Peter Ramsauer nicht geben. Dies hat der Minister dem niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister Anfang März in einem Brief mitgeteilt, der dem Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. (BDB) und dem Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen e.V. (BÖB) vorliegt. Die Leistungsfähigkeit des Hebewerkes sei „ausreichend, um die prognostizierten Verkehre aufzunehmen und die niedersächsischen Wirtschafts- und Industriegebiete für die nächsten 30 Jahre zuverlässig und mit ausreichender Kapazität mit dem Überseehafen zu verbinden“, so die überraschende Begründung des Ministers.
 
Diese Absage und ihre Begründung stoßen bei BDB und BÖB auf Widerstand. Tatsache ist, dass die derzeitigen Kapazitäten des Hebewerkes Scharnebeck nicht ausreichen, um den wachsenden Verkehr bewältigen zu können. Die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung durchgeführten und bereits abgeschlossenen Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsanalysen bestätigen den Ausbau des Hebewerks, der Kosten von rund 250 Mio. Euro verursachen würde. Mehr als 13.000 Schiffe mit einer Transportmenge von über 8 Mio. Tonnen haben allein im vergangenen Jahr das Hebewerk passiert. Die Tendenz ist steigend. Das 1974 errichtete, einstmals weltgrößte Bauwerk seiner Art, mit dem am Elbe-Seitenkanal ein Höhenunterschied von 38 Metern überwunden werden kann, ist aber verschlissen und baufällig. Immer wieder kommt es deshalb zu ungeplanten mehrtägigen Reparatur- und Wartungsarbeiten, die die Schifffahrt im Hinterland des Hamburger Hafens komplett zum Erliegen bringen. So musste auch aktuell die wichtige Passage am Kanal für mehrere Tage wegen unvorhergesehener Reparaturarbeiten spontan geschlossen werden. Hinzu kommt, dass das Bauwerk mit seinen Kammerlängen von nur 100 Metern nicht ausreicht, Schiffe der heutigen Dimension zu schleusen. 
 
„Die Entscheidung des Ministers steht im Widerspruch zu den verkündeten Absichten des Bundesverkehrsministeriums und des Hafens Hamburg, die mit dem Binnenschiff abgefertigten Gütermengen im Hamburger Hinterlandverkehr in den kommenden Jahren zu verdoppeln“, erklärt BDB-Präsident Georg Hötte. „Es ist abzusehen, dass der Elbe-Seitenkanal ohne den Ausbau des Hebewerkes Scharnebeck unweigerlich an seine Kapazitätsgrenzen stoßen wird. Eine nachhaltige Verlagerung von Verkehren auf das Binnenschiff wird dadurch unmöglich gemacht. Bei allem Verständnis für Sparzwänge kann es sich eine Volkswirtschaft wie die deutsche nicht erlauben, an einer so entscheidenden Stelle bloße Mangelverwaltung statt bedarfsorientierter Investitionen zu betreiben.“
 
Probleme sieht die Hafen- und Schifffahrtsbranche zudem für die Zukunft des Containerverkehrs. Auch bei den Leercontainern ist ein stärkerer Einsatz des Binnenschiffs geplant. Es fehlen im Hamburger Hafen Plätze für Leerdepots. Diese sollen vermehrt im Umland entstehen und die Container dann mit dem Binnenschiff abgefahren werden, da der Transport mit Bahn und LKW bereits heute an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Das Binnenschiff könnte eine größere Rolle übernehmen; zahlreiche Containertransporte könnten zur Entlastung der Straßen auf die Wasserstraße verlagert werden. „Der Hamburger Hafen benötigt die Binnenschifffahrt für sein angestrebtes Wachstum im Containerverkehr. Viele Binnenhäfen im Hinterland sind schon jetzt gut für steigende Containermengen gerüstet oder werden es zeitnah sein“, versichert Jens Hohls, Vorstandsmitglied des BÖB und Hafenchef in Braunschweig. „Dazu ist der Ausbau oder Neubau des Schiffshebewerks Scharnebeck allerdings zwingend erforderlich, um im Wettbewerb mit der Straße und Schiene konkurrenzfähig zu sein. Andernfalls wird der Stau im Hamburger Hafen unvermeidlich sein.“
 
Unterstützung für ihren Wunsch nach einem leistungsfähigen und verlässlichen Schleusenbauwerk erfährt die Hafen- und Schifffahrtsbranche auch durch Organisationen wie den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), den Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) oder die Spediteurorganisation DSLV. Ramsauers Versuch, den sprichwörtlichen Elefanten durchs Nadelöhr zu schieben, stößt inzwischen auch in Unionskreisen auf Kritik. „Es ist nicht erkennbar und wird von Experten der Verwaltung vor Ort sogar massiv bezweifelt, dass das Hebewerk nach Abschluss der Arbeiten einen reibungslosen Schiffsverkehr zulassen wird. Vor diesem Hintergrund teile ich die Überzeugung nicht, die Leistungsfähigkeit des Hebewerkes werde ausreichen, die prognostizierten Verkehre in den nächsten Jahrzehnten aufzunehmen. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass nicht zuletzt aufgrund der unzureichenden Trogkammerlänge von nur 100 Metern ein alternatives Abstiegsbauwerk, das den heutigen Schiffsabmessungen entspricht, dringend erforderlich ist“, stellt der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke in einem Schreiben an Minister Ramsauer fest, das den Verbänden vorliegt.

Quelle: BÖB
 

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