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So bleiben komplexe Supply-Chain-Netzwerke in der Spur

Die Auswirkungen des Erdbebens in Japan im letzten Jahr sind überall zu spüren. Besonders die Halbleiter-industrie mit Produktion vor Ort ist schwer getroffen. Sony meldete im vergangenen Geschäftsjahr Verluste. Ein Grund: die Flutkatastrophe in Thailand. Weltweit stellen Unternehmen fest, dass ihre Lieferketten empfindlich auf wachsende Risiken reagieren. Wie können sie solch unkontrollierbare Ereignisse entlang der SC-Netzwerke in den Griff bekommen? 

Nicht nur in fernen Ländern geschieht Unvorhergesehenes. Die gefährliche Kombination aus starkem Wind und heftigen Niederschlägen brachte vor einigen Wochen die Binnenschifffahrt in den Niederlanden zum Erliegen. Einige Kanäle in der Gegend um Enschede mussten geschlossen werden, da die Deiche zu brechen drohten. Viele Unternehmen konnten ihre Containertransporte zwischen den deutschen Nordseehäfen und Rotterdam nicht über die gewohnten, kostengünstigen Wasserwege durchführen, sondern mussten den um Vieles teureren Landweg nutzen.
 
Will man den Einfluss von Naturkatastrophen auf weltweite Lieferketten minimieren, muss man den Faden ganz am Anfang aufnehmen, beim ihrem ‚wetterfesten‘ Design. Unternehmen betrachten bei ihrer Planung zwar Kostentreiber wie Produktionsmittel, Lagerbestände und Transportwege über die gesamte Lieferkette hinweg. Tritt jedoch eine Störung, beispielsweise eine Überschwemmung, auf, dann fehlt diesen Unternehmen ein Notfallplan, mit dem sie das Risiko minimieren und die Situation in den Griff bekommen können. Es gibt einen Industriezweig, der vormacht, wie es richtig geht: „In der pharmazeutischen Industrie, wo sowohl die Verfügbarkeit der Produkte als auch zertifizierte Herstellungsverfahren für Unternehmen eine absolut kritische Rolle spielen, ist die alternativlose Abstimmung der Supply Chain nicht akzeptabel“, erläutert Pieter Leijten, Vice President Supply Chain EMEA bei Infor. Für die Zulassung pharmazeutischer Produkte auf den weltweiten Märkten müssen die Hersteller Bestimmungen wie die der FDA (Food and Drug Administration) erfüllen. Jeder Hersteller muss jedes Werk und jeden einzelnen Herstellungsschritt für das jeweilige Arzneimittel kontrollieren und zertifizieren lassen. Das bedeutet zusätzliche Kosten. Es wäre sicher der kostengünstigste Weg, jeweils nur eine Produktionsanlage pro Wirkstoff zu zertifizieren. Doch was tun, wenn ausgerechnet dieses Werk dann durch eine Naturkatastrophe vom Rest der Welt abgeschnitten ist? Die damit verbundenen Risiken – schließlich hat der Hersteller einen Ruf zu verlieren – und Kosten wären ungleich höher. Leijten: „Damit die Lieferkette so stabil wie möglich gegen ungeplante Vorkommnisse aufgestellt ist, empfiehlt es sich, strategisch vorzugehen und mindestens zwei Produktionsanlagen pro Arzneimittel zu zertifizieren. Denn das Risiko, aufgrund einer optimalen, aber eben auch labilen Lieferkette die Produktion einstellen zu müssen und somit weder Mediziner noch Patienten mit den eigenen Produkten versorgen zu können, ist für unsere Kunden in der Pharmaindustrie nicht tragbar.“
 
Gegen alle Eventualitäten geimpft
Pharmaunternehmen sind Pioniere im strategischen und sicheren Design ihrer Lieferketten. SCM-Lösungen helfen ihnen dabei, die Planung ihrer Lieferketten zu optimieren, alternative Wege mit ihren finanziellen Konsequenzen im Blick zu behalten und Notfallpläne im Bedarfsfall schnell und ohne Reibungsverluste umzusetzen. Die jüngsten Ereignisse in Japan zeigten, dass nicht alle Industrien diese Risiken beim Design ihrer Lieferketten im Blick haben. Einige Automobilhersteller zum Beispiel setzen auf japanische Lieferanten, die nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Die Bereitstellung spezifischer Teile dieser Lieferanten wurde schwerstens von den Folgen des Erdbebens betroffen. Moderne Supply Chain Netzwerke sind komplex. Häufig dreht es sich darum, eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. „Dabei geht es in den meisten Fällen nicht um die ganz großen Naturkatastrophen“, fährt Pieter Leijten fort. Einflussgrößen können auch eine schwankende Nachfrage und die zum Ausgleich benötigten Liefermengen sein – etwa bei einer Promotion-Aktion, die erfolgreicher läuft als erwartet. Der Trend geht hin zu abteilungsübergreifenden Supply-Chain-Planungen. Unternehmen erstellen eine Vielzahl von ‚Was-wäre-wenn‘ Szenarien. Sie können diese gegebenenfalls gegeneinander halten und so eine Situation analysieren und schnell entscheiden, wie zu reagieren ist.
 
Immer in Bewegung bleiben
Die Ungewissheit über zukünftige Ereignisse und der Mangel an gesicherten Informationen machen es in der Praxis nicht leicht, flexibel zu bleiben. Das übliche Design eines SC-Netzwerks baut auf strategischen Entscheidungen auf, die in Stein gemeißelt scheinen. Ist erst einmal über Lieferanten, Produktionsstandorte oder Transportwege entschieden, wirkt sich das Supply-Chain-Design auf die gesamte Kostenstruktur des Unternehmens aus. Unternehmen, die diese Eck- und Angelpunkte fortlaufend simulieren und optimieren, bleiben handlungsfähig und benötigen lediglich kleine Justierungen. Die reine Planung einer effizienten Supply Chain reicht aber nicht aus; Unternehmen müssen heutzutage gleichsam schnell und dynamisch sein. Leistungsfähige SC-Lösungen unterstützen die Anwender bei der Entscheidungsfindung mit Szenarien, die ihnen helfen, Risiken zu identifizieren. Risiken wie Naturkatastrophen entlang der Lieferkette lassen sich nicht beherrschen. Aber die richtigen Methoden und Werkzeuge helfen Unternehmen dabei, flexibel zu bleiben und aus einer Vielzahl von Alternativen den richtigen Weg zu finden. Mit den richtigen Notfallplänen wirft auch eine Naturkatastrophe ein Unternehmen nicht so schnell aus der Bahn.  (AT)
 

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