Stationärer Einzelhandel: Große Herausforderungen – aber wieder mehr Optimismus

Neuer Retail-Marktbericht von OTTO Immobilien: Umsätze, Passantenfrequenz und Hotelauslastung seit Frühjahr wieder besser – Vermietungen 12 % über Vorjahreswert.

Gedämpfte Konsumstimmung, beeinträchtigte Lieferketten, Inflation und hohe Energiepreise: die Herausforderungen für den stationären Einzelhandel sind größer denn je. „Trotzdem wird der Einzelhandel wieder zu seiner alten Stärke – dem Niveau vor der Pandemie – zurückfinden“, ist Anthony Crow, Msc, Teamleiter Geschäftsflächen bei OTTO Immobilien überzeugt. „Seit dem heurigen Frühjahr sind Umsatzerwartungen und Expansionspläne des Handels wieder optimistischer, auch die Passantenfrequenzen haben sich in fast allen Lagen der City durchwegs positiv entwickelt und sind in den wichtigsten Wiener Einkaufsstraßen wieder auf dem Niveau vor der Coronakrise angekommen“, so Crow in einer Analyse für den neuen Retail-Marktbericht von OTTO Immobilien.

„Auch in der Hotellerie geht es spürbar aufwärts“, berichtet Martin Denner, Abteilungsleiter Research. Nach einem kontinuierlichen Anstieg der Gästezahlen in den Wiener Beherbergungsbetrieben seit Jahresbeginn wurde in sämtlichen Monaten des zweiten Quartals – erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie – die Millionengrenze bei den Nächtigungen wieder überschritten. Die Bilanz des ersten Halbjahres beträgt 5 Millionen Nächtigungen, was einen rechnerischen Zuwachs in der Höhe von 509 % zu 2021 bedeutet, heißt es im Marktbericht.

„Die wieder zunehmenden Passantenfrequenzen in den Einkaufsstraßen beflügeln die Nachfrage nach Geschäftsflächen und wirken sich positiv auf den Vermietungsmarkt aus. Das Vermietungsvolumen liegt bislang rund 12 % über dem Vorjahreswert. Aufgrund der durchaus regen Dynamik des Marktes konnten vor allem in Premium-Lagen zeitnahe Nachvermietungen gewährleistet und somit übermäßiger Leerstand verhindert werden“, so Crow. Dies gilt übrigens auch für die Bundesländer: Auch da nimmt die Nachfrage nach Geschäftsflächen, im Speziellen in Landeshauptstädten wie Graz, Linz, Salzburg oder Innsbruck, kontinuierlich zu. „Vor allem internationale Retailer signalisieren nach und nach vermehrt Interesse an einem Markteintritt in direkter Kombination mit einer stationären Dependance in Wien“, weiß Patrick Homm, MA, Abteilungsleiter Immobilienvermarktung Gewerbe bei OTTO Immobilien. Haben in der Vergangenheit noch Einkaufszentren die Einzelhandelslandschaft der Bundesländer geprägt, werden nach und nach die A-Lagen einzelner Innenstädte durch einen ausgewogenen Branchen- und Mietermix attraktiviert und belebt.

Retailmarkt im Wandel: Die aktuellen Trends

Die Fokussierung auf A-Lagen setzt sich weiter fort und konzentriert sich auf absolute Premium-Lagen. Dabei spielt die Flächengröße von rund 150-300 m² eine bedeutende Rolle.

  • Nebenlagen, vor allem bei Großflächen, geraten weiter unter Druck. Der Trend zu Alternativnutzungen und Nahversorgung in B- und C-Lagen schreitet voran.
  • Form und Funktion der Fläche verändert sich. Neuartige Konzepte und Alternativnutzungen dominieren nach und nach die Highstreets. Wo früher oftmals Mode als der wichtigste Anker und Baustein für einen attraktiven Branchen- und Mietermix galt, übernehmen nun nach und nach Konzepte aus den Branchen Detailhandel, handelsnahe Dienstleistungen oder Gastronomie diese Rolle. „Verstärkt sind neuerdings Konzepte aus dem Bereich E-Mobilität zu beobachten, die die Innenstadt als Plattform und zusätzlichen Vertriebskanal nutzen“, berichtet Homm. Durch die gesteigerte Nachfrage im Onlinehandel und die damit einhergehende Anforderung von KonsumentInnen entstehen darüber hinaus auch für Ladenlokale neue Logistikstrukturen.

Wir beobachten ein beidseitiges Verständnis für alle Herausforderungen im stationären Einzelhandel zwischen Vermieter und Mieter. Proaktive und gemeinschaftliche Lösungen können meist partnerschaftlich verhandelt werden“, berichtet Anthony Crow.

Und noch ein weiterer Trend wird im neuen Marktbericht angesprochen: „Der Fokus des Einzelhandels verschiebt sich weiter in die digitale Welt, das steht außer Frage“, so Crow. Dies bedeute jedoch nicht, dass Geschäftslokale mittel- wie langfristig zur Gänze an Bedeutung verlieren. „Je digitaler unser Alltag wird, umso wichtiger werden analoge Touchpoints. Im Endergebnis werden diese durch die Digitalisierung ausgelösten Prozesse dazu führen, dass unsere Einkaufsstraßen wieder urbaner und lebendiger werden, da sie eine deutlich höhere Diversität aufweisen werden. Wir sind daher davon überzeugt, dass Shopflächen auch in Zukunft essentiell für Emotionen, Erlebnis, Vertrauen und die Markenbildung eines Konzeptes sein werden“, ist Crow überzeugt.

Ausgewählte Einkaufsstraßen in Wien

Kärntner Straße: Die Kärntner Straße gilt weiterhin als die vielfältigste Standortzone im Goldenen H. Die Nachfrage nach Geschäftsflächen ist weitgehend konstant: Bis dato konnten heuer alle am Markt befindlichen Shopflächen nachvermietet werden. Ein signifikanter Leerstand ist somit nicht zu beobachten. Die Mietpreise sind ebenfalls nach wie vor stabil, die Spitzenmieten liegen bei 350 Euro pro m².

Der Wandel zu Retail-Erlebniswelten mit Showroom-Charakter zur Inszenierung des Produktsortimentes ist entlang der Kärntner Straße stärker zu beobachten, als in manch anderen Lagen.

Graben: Trotz hoher Mieten, die in manchen Fällen rund 600 Euro/m² erreichen, ist die Vermietungssituation am Graben dynamisch. Insgesamt haben Retailer trotz der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und durchaus negativer Voraussagen auch 2022 großes Vertrauen in den Standort Graben. Dieses spiegelt sich unter anderem in signifikanten Neuvermietungen – so übersiedelt das französische Luxuslabel Louis Vuitton auf den Graben – und der Ansiedlungen neuer Konzepte wider. Denn ähnlich der Kärntner Straße konnten in diesem Jahr die meisten bis dato am Markt befindlichen Objekte mit namhaften Playern der Retail-Branche nachvermietet werden.

Mariahilfer Straße: In Folge der gleichbleibend regen Nachfrage nach Geschäftsflächen ist der Leerstand trotz Corona-Pandemie und aktuellen politischen wie wirtschaftlichen Geschehnissen nicht stark gestiegen. Die Leerstandsrate liegt weiterhin bei rund 10-12 %, bezieht sich jedoch zum Großteil auf Läden mit meist vertikaler Geschoßstruktur und hohen Mietniveaus. Diese befinden sich meist bereits mehrere Monate am Markt. Vakante Lokale sind zudem meist in der derzeit noch weniger nachgefragten Sektion der Mariahilfer Straße, am oberen Ende des Straßenzugs in Richtung Westbahnhof, sowie in Zonen, die durch diverse Entwicklungen wie dem Ausbau des neuen Verkehrsknotenpunktes teils stark beeinträchtigt sind, lokalisiert. „Wir gehen aber davon aus, dass der Standort Mariahilfer Straße mit seinem neuen U-Bahn-Knotenpunkt eine enorme Aufwertung erfahren und die Nachfrage nach Flächen mit großer Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen wird. Ein weiterer positiver Impuls wird das Großprojekt der Signa, das Kaufhaus Lamarr, sein“, sagt Crow.

Landstraßer Hauptstraße: Nach der Mariahilfer Straße und der Wiener Innenstadt ist die Landstraßer Hauptstraße die drittgrößte Einkaufsstraße Wiens. Die Nachfrage nach Geschäftsflächen, vor allem in der weiterhin am stärksten gefragten Zone des Straßenzugs, die sich von The Mall Wien Mitte bis zur Galleria erstreckt, ist konstant hoch. Im Vergleich zum Vorjahr gab es allgemein mehr signifikante Bewegung im Mieterbesatz, auch für teilweise bereits länger leerstehende Lokale konnten nun attraktive Neumieter gefunden werden. Die Spitzenmieten liegen hier bei etwa 60 Euro/m² und Monat.

Meidlinger Hauptstraße

Die Nachfrage nach Geschäftsflächen bleibt auf konstantem Niveau, freiwerdende Geschäfte sind grundsätzlich nicht lange am Markt. Signifikante Leerstände betreffen meist Läden mit vertikaler Geschossstruktur und erhöhten Mieten. Allerdings bleibt abzuwarten, welchen Einfluss das Projekt Vio Plaza, das nach Fertigstellung auch 10.000 m² an Geschäftsfläche aufweisen wird, auf die Einkaufsstraße ausüben wird.

Favoritenstraße: Der „Wandel im Handel“ hinterlässt in der Einkaufsstraße im zehnten Bezirk deutliche Spuren. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, sowie teils verhältnismäßig hohe Mietpreisvorstellungen, aber auch die grundlegende Konzentration vieler namhafter Retailer und Gastronomen auf A-Lagen führen dazu, dass es nach und nach vermehrt zu Geschäftsschließungen entlang der
Favoritenstraße kommt. Vor allem bei inhabergeführten Fachgeschäften ist ein starker Rückgang zu beobachten. Insgesamt hat sich auch die Leerstandsrate im Vergleich zum Vorjahr erneut verschlechtert, aktuell liegt sie bei rund 20 Prozent. Die für den stationären Einzelhandel weiterhin attraktivste und am meisten nachgefragte Sektion des Straßenzugs erstreckt sich zwischen Keplerplatz und Reumannplatz.

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