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Stationärer Handel muss sich auf alte Stärken besinnen

Nach einer intensiven Phase der Preisorientierung gewinnen Emotionen und Erlebnis für den Handel in Deutschland wieder stärker an Bedeutung. Neben der intelligenten Verknüpfung von stationärem Geschäft und E-Commerce kommt es darauf an, sinnvolle Service-Angebote und eine angenehme Einkaufsatmosphäre zu schaffen. Das erzwingt vielerorts einen Kulturwandel.

Autor: Bijan Peymani

„Der Preis stellt zwar nach wie vor einen Referenzwert dar, sticht aber nicht mehr alle anderen Faktoren aus“, betont Dr. Eva Stüber, Leiterin Research und Consulting am in Köln ansässigen Institut für Handelsforschung (IFH). Nach ihrer Beobachtung rücken die Qualität des Produkts und des Einkaufens selbst in den Vordergrund. Das bestätigen Studien der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Demnach erwarten die Konsumenten von stationären Händlern Inspiration, Erlebnis und vor allem eine professionelle Beratung.

„Lokale Geschäfte, die sich nur als Ort der Bedarfsdeckung verstehen, werden es auf Dauer schwer haben, sich zu behaupten“, prognostiziert Gerd Bovensiepen, PwC-Partner und Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter. Und dies nicht nur bezogen auf stationäre Mitbewerber, sondern insbesondere auch mit Blick auf den Online-Handel. Denn der habe sich in weiten Teilen „zu einem vollwertigen Einkaufskanal entwickelt“, analysiert Stüber. Für klassische Händler bedeute dies, sich kanalübergreifend aufzustellen und zu präsentieren.

Kunden wollen „ihren“ Lieblingshändler sowohl auf der heimischen Couch per Internet als auch über das Smartphone und in der Innenstadt oder auf der grünen Wiese finden, bestätigt der in Berlin beheimatete Handelsverband Deutschland (HDE). Dabei bedarf es nicht immer des eigenen Online-Shops, wie HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth betont: „Für viele insbesondere kleine und nicht so finanzstarke Händler kann auch die Nutzung von Online-Marktplätzen sinnvoll sein.“ Ziel ist, ein nahtloses Einkaufserlebnis mit gutem Service und kompetenter Beratung zu schaffen.

Mancherorts erzwingt dies allerdings einen Kulturwandel. Denn mit seiner Fixierung auf Kosten und Preise hat das Gros der Branche alte Tugenden vernachlässigt: Ideen präsentieren, Lösungen anbieten, individuelle Empfehlungen aussprechen. „Den Verkäufern kommt dabei eine zentrale Rolle zu“, sagt PwC-Experte Bovensiepen, „der stationäre Handel ist gut beraten, in den kommenden Jahren viel für die Qualifizierung seiner Mitarbeiter zu tun.“ Der Handelsverband räumt „an der einen oder anderen Stelle“ Optimierungsbedarf für seine Mitglieder ein.

Doch die Rückbesinnung auf alte Stärken ist nur die Grundbedingung für Erfolg auf der Fläche. Im Wettbewerb mit anderen Formaten und Kanälen wird der reüssieren, der es versteht, sein Angebot emotional aufzuladen und glaubwürdig zu inszenieren. Oder, um es kurz zu sagen: seinen Kunden kleine Fluchten aus dem Alltag zu bieten. Das IFH beobachtet in diesem Kontext den Trend, dass stationäre Händler vermehrt den Freizeitaspekt des Einkaufens herausstellen. Damit gebe sich der Handel in ein neues Wettbewerbsumfeld, so IFH-Leiterin Stüber, „von der Gastronomie über Museen bis zu Sporteinrichtungen“. Wie zum Beleg hat der HDE im vergangenen Jahr ein Outlet der Modekette „Pier 14“ wegen der „perfekten Kombination aus Textilhandel und Gastronomie“ zum „Store of the Year“ gekürt. (BP)

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