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Wirtschaft im Wandel

Der 26. Logistik-Dialog der BVL Österreich steht diesmal unter dem Motto „Wirtschaft im Wandel – Neue Realität für die Logistik“. Am 18. und 19 März 2010 werden in der Pyramide in Vösendorf namhafte Experten und Praktiker den Tatsachen ins Auge sehen – die Zeiten haben sich geändert, und nur wer sich anpasst, wird wirtschaftlich überleben. Redaktion: ANGELIKA THALER

Jedes Jahr gelingt es der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL) aufs Neue, hochkarätige Referenten nach Wien zu locken, um das Publikum an ihrem Wissen Teil haben zu lassen. Das mag wohl auch daran liegen, dass es um Themen geht, die Allen unter den Nägeln brennen. „Die Logistiker – und damit rund 340.000 Beschäftigte in Österreich – hängen von der Wirtschaft ab, jeder will daher wissen, was auf ihn zukommt“, erklärt Ing. Christian Skaret, Präsident der BVL, die Wahl des diesjährigen Mottos. „Die hohe Volatilität bedingt, dass sich die Unternehmen ständig neu aufstellen müssen, es gibt kaum mehr Planbarkeit“, nennt Skaret aktuelle Herausforderungen. Ausschlaggebend für zukünftigen Erfolg seien eine Neuorientierung, das Entwickeln und Einsetzen neuer und adäquater Tools, Prozesse und Methoden: „Wer versucht, mit altbewährten Methoden die neuen Herausforderungen zu meistern, wird definitiv scheitern“, spricht Skaret Klartext.

Die überaus informativen Beiträge des Logistik-Dialoges sollen helfen, den Unternehmern in dieser schwierigen Orientierungsphase beizustehen. Sei es in den Vorträgen oder den sechs Dialogblöcken, die den Besucher wieder vor die Qual der Wahl stellen. Zusätzlich zum Dialogprogramm erwartet das Publikum die bewährte Fachausstellung „Logistik Tools“, zu der sich bereits über 50 Aussteller angemeldet haben. „Wir hoffen auf über 500 Teilnehmer, mit denen gemeinsam wir über den Logistik-Tellerrand hinausblicken wollen, um zu erkennen, was die Wirtschaft in Zukunft brauchen wird, denn das ist, worauf es ankommt“, ist Skaret zuversichtlich.

Wirtschaft im Wandel
Das Motto des Logistik-Dialogs wird Univ. Prof. Dr. Bernhard Felderer, OeNB, Vorsitzender des Österreichischen Staatsschuldenausschusses und Direktor des Instituts für Höhere Studien Wien genauer unter die Lupe nehmen. Dabei wird er nicht nur darauf eingehen, was sich ereignet hat, sondern vor allem beleuchten, welche Änderungen derzeit sowohl regional als auch weltweit im Gange sind und was uns noch bevorsteht: „Die Folgen der Krise werden erst jetzt langsam sichtbar, vor allem in der Finanzwelt stehen uns noch stärkere Änderungen bevor“, befürchtet Felderer und ortet gleichzeitig ein zunehmendes Ungleichgewicht: „Asien wird noch stärker werden als es bislang war, in diesem Raum gab es kaum Rezession, zudem wurden rasch Maßnahmen ergriffen.“ In den USA als Verursacher der Krise sieht er verhaltene Zuversicht, dortige Wirtschaftsexperten würden von 2,5 Prozent Wachstum und einem Aufschwung ab 2011 ausgehen, bereits jetzt würde die Arbeitslosigkeit sinken. Das Problem: „Europa bleibt zurück! Aufgrund unserer stark regulierten Märkte, der umfangreichen Sozialleistungen und damit verbundenen Abgaben sind die Anreize für Investitionen gedämpft“, beschreibt Felderer.

Für Österreich ist er etwas optimistischer: „Wir befinden uns in einer guten Position, wurden von der Krise nicht ganz so schlimm getroffen wie beispielsweise Deutschland. Während das Wachstum dort im Jahr 2009 minus 5 Prozent betrug, lag es bei uns bei vergleichsweise niedrigen minus 3,6 Prozent.“ Zudem würde Österreich von der offensichtlich raschen Erholung in Osteuropa profitieren, wenngleich die allgemeine Erholung noch längere Zeit dauern würde. Ein Punkt trübt Felderers Stimmung besonders: die Staatsverschuldung. „Wir haben – berechtigt – massig Geld ausgegeben, aber nun ist es unsere Pflicht, über die Rückzahlung nachzudenken. Die Bankensteuer wird dazu nicht ausreichen, abgesehen davon, dass diese vermutlich nur wieder irgendwie auf den Kunden abgewälzt wird. Generell hoffe ich, dass es keine neuen Steuern geben wird, denn Österreich ist bereits jetzt ein Hochsteuerland.“ Abhängig von der Verschuldung fallen Zinsen an. Felderer: „Die Maastricht-Grenze liegt bei 60 Prozent des BIP. Die Mehrzahl der europäischen Länder wird 2010 über 80 Prozent Verschuldungsgrad erreichen, Italien hat bereits 120 Prozent! Während Deutschland als Benchmark gilt und mit etwa 3,5 den niedrigsten Zinssatz hat, zahlt beispielsweise Griechenland  zwischen 6,5 und 7,5 Prozent Zinsen.“

Verantwortung übernehmen
Dkfm. Wolfgang Grupp, Alleiniger Geschäftsführer und Inhaber, TRIGEMA GmbH & Co. KG, Burladingen, wird in seinem Vortrag „Verantwortung übernehmen – Herausforderungen annehmen“ wohl an das Gewissen des Publikums appellieren, sich nicht auf Kosten der Mitarbeiter zu bereichern. „Wer in Deutschland oder Österreich lebt und hier Vorteile nutzt, hat auch Pflichten gegenüber seinen Mitmenschen“, stellt Grupp klar, „nur wenn ich in meinem Heimatland ein Vorzeigeunternehmen führe, kann ich mich zusätzlich im Ausland engagieren. Aber wer deswegen im Inland Arbeitsplätze abbaut, ist in meinen Augen ein Versager.“ Er lasse seine Produkte in Deutschland fertigen, und habe es nie bereut. „Ich kenne keinen Textilunternehmer, der reicher wurde, seit er billige Arbeitsplätze im Ausland nutzt – im Gegenteil, viele waren Millionäre, als sie noch in Deutschland oder Österreich produzierten, und haben nach der Verlagerung alles verloren“, gibt er zu bedenken.

Grupp wird mit dem Publikum seinen 41jährigen Erfahrungsschatz teilen – und wird mit seinen Ansätzen wohl manch einen verwundern. In Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit steigt, klingt einer davon fast märchenhaft: „Ich garantiere den Kindern jedes Mitarbeiters nach Abschluss ihrer Ausbildung einen Arbeitsplatz“, lässt Grupp aufhorchen, „und habe es noch nie bereut. Denn die Eltern sorgen dafür, dass ihr Kind keine Probleme bereitet – so kommt es vor, dass bis zu drei Generationen einer Familie gleichzeitig in meinem Unternehmen arbeiten.“ Für ihn stehe seit jeher die Sicherung der Arbeitsplätze an erster Stelle, nicht die Gewinnmaximierung, denn er sei für seine Mitarbeiter verantwortlich. Und hier ortet er auch die Ursache der Krise: „Wenn Leute, die keinerlei Verantwortung tragen müssen, im Größenwahn Entscheidungen treffen, für die sie nicht haften, ist die Krise vorprogrammiert.“ Daher sei er auch für eine verpflichtende Haftung für Manager mit deren Bezügen: „Man sollte nur Geld verdienen, wenn auch die Firma Geld verdient“, ist Grupp rigoros. Derzeit ist seiner Meinung nach die größte Herausforderung für Unternehmen, die Kapazitäten dem Markt anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben: „Die Aufgabe eines guten Unternehmers ist es, den Wandel der Zeit zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Der beste Zeitpunkt dafür ist sofort.“

Trumpf der neuen Realität
Am Dienstag wird im ersten Dialogblock Dr. Alfred Hutterer, Geschäftsführer von TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG, das Wort ergreifen und seine Erfahrungen mit „Synchroner Produktion als Lösungsansatz bei schwacher Konjunktur“ zum Besten geben. „In wirtschaftlich angespannten Situationen geht es um zwei Dinge: das Umsetzen von Innovationen und das Einsparen von Kosten“, stellt Hutterer fest. Eine solche Innovation sei das synchrone Produktionsystem: „In der Montage unserer Werkzeugmaschinen verfügen wir erstmals über eine kontinuierliche Fließlinie, wodurch Durchlaufzeiten reduziert und gleichzeitig die Flächenproduktivität gesteigert wurden“, erläutert Hutterer die Vorteile. So sei nun zwar weiterhin Einzelfertigung gefragt, durch das Glätten der Maschinen sei aber die konstante Fertigung möglich. „Wir arbeiten nach dem EKIB-Prinzip (EKIB, einfache kostengünstige integrierte Betriebsmittel, Anm.), es gibt weder Kran noch Hubstapler.

Unsere Arbeitsplätze sind mit einem Flugzeugcockpit vergleichbar, wo schnelle Reaktionen zählen, oder auch mit einem Operationssaal – immer das richtige Werkzeug zur Hand.“ Mit Hilfe der stark visuellen Fertigung, des modularen Systems und der Synchronisierung von Mensch, Information und Material sei es gelungen, einen Serieneffekt bei Einzelstückfluss zu erreichen. Zwar wurde das System bei Trumpf bereits vor 12 Jahren eingeführt, in seinem Beitrag wird Hutterer aber vor allem von den zwischenzeitig durchgeführten  Verfeinerungen berichten. „Bei einem synchronen System „atmet“ man quasi mit dem Markt, man erreicht hohe Flexibilität bei gleichzeitig hoher Qualität und kurzer Lieferzeit, das hilft auch in Zeiten von Konjunkturflauten“, stellt Hutterer fest. Das Besondere: die Maschinen bewegen sich zu den Werkplätzen statt umgekehrt, das reduziert die Fehlerquote. Hutterer: „Früher hatten wir ein Zentrallager mit Lagertourismus, jetzt bringt uns der Lieferant die nötigen Teile just in time direkt zum Mitarbeiter.“

Quelle: Logistik express Ausgabe 1/2010

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