Automobilindustrie auf Risiken weiterhin schlecht vorbereitet

Die Automobilindustrie ist schlecht auf die Risiken einer möglichen neuen Branchenkrise vorbereitet. Das ist eines der Ergebnisse der Studie zum Risikomanagement in der Automobilbranche, herausgegeben vom Supply Chain Management Institute (SMI) an der European Business School in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsinformationsdienst D&B Deutschland.

Das Forscher-Team um Prof. Dr. Michael Henke und Prof. Dr. Constantin Blome befragte 55 Führungskräfte der Automobilindustrie, wie diese mit Insolvenzrisiken ihrer Lieferanten umgehen. Die Forscher stießen dabei in überraschend vielen Unternehmen auf fehlende professionelle Systeme zum Risikomanagement. "Die Unternehmen konzentrieren sich zu stark auf unternehmensinterne Auffälligkeiten und reagieren dementsprechend auch auf Krisen", erklärt Prof. Dr. Michael Henke. "Stattdessen sollte ihr Risikoradar die komplette Supply Chain abdecken, um frühzeitig Dominorisiken bei drohenden Lieferanteninsolvenzen aufzudecken und sich notwendigen Handlungsspielraum zu sichern."

Viele Unternehmen greifen trotz ihrer zum Teil schlechten Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise aktuell nicht auf langfristig angelegte Instrumente zur Prognose von Lieferanteninsolvenz zurück. Gerade große Automobilhersteller, sogenannte OEMs (Original Equipment Manufacturer), wurden am häufigsten und härtesten von Insolvenzen strategischer Lieferanten getroffen. Dennoch informieren sie sich nur sehr eingeschränkt zu Insolvenzen über alle Lieferantenstufen hinweg. "Zu einer Branche, die den Effizienzgedanken so auf die Spitze getrieben hat, ist das Maße der Risikoversorge nicht in gleichem Maß vorhanden", fasst Henke zusammen. "Hier müssen die Hersteller und Zulieferer noch einige Hausaufgaben machen, bis ihr Risikomanagement wirklich rund läuft."

Die Forscher sprechen sehen in der aktuellen Situation ein Risiko-Paradoxon. Einerseits sind Lieferstrukturen in der Branche sehr eng verzahnt. Fällt ein Lieferant in dieser Dominoreihe aus, so hat die Insolvenz auch für alle anderen Beteiligten negative Auswirkungen. Andererseits gibt es laut Studie lediglich für Lieferanten auf Tier-1- und Tier-2-Ebene ansatzweise ein Risikomanagement für Lieferantenausfälle. Dieses ist jedoch nur schwach entwickelt und reaktiv gestaltet.

Dennoch hat die Krise das Risikobewusstsein der Unternehmen geschärft. Beispielsweise werden nun Risiken der Supply Chain auch außerhalb der klassischen Einkaufsabteilungen überwacht und teilweise auf Vorstandsebene behandelt. Risikomanagement geriet durch die Krise vielerorts in den Fokus der Vorstandsebene mit dem Ziel es zu erweitern und zu vertiefen. Darüber hinaus bot Wirtschaftskrise aber auch Chancen für die Zulieferer, ihre Situation zu verbessern. Die krisenbedingte Entspannung an den Vorprodukt- und Rohstoffmärkte nutzen besonders Tier-2-Lieferanten (Lieferanten der 2. Ebene, Lieferanten von Lieferanten) und handelten bessere Einkaufskonditionen aus.

Derzeit scheint es der Branche wirtschaftlich gut zu gehen, zu sehen an den guten Zahlen und positiven Wachstumsraten der OEMs und Zulieferer für das 1. Halbjahr 2010. Doch trotz des derzeitigen Aufschwungs, bedrohen Insolvenzen die Automobilbranche. Die befragten Tier-1- und Tier-2-Lieferanten erwarten mittelfristig die Zahlungsunfähigkeit vieler ihrer Zulieferer. Die Krise scheint überstanden, doch viele Zulieferer stehen immer noch vor dem Abgrund. Ihnen fehlt die nötige finanzielle Stärke, um während des Aufschwungs neu zu investieren. §"Die Branche wird also trotz aktuell guter Zahlen nicht zu Ruhe kommen", konstatiert Henke. "Insolvenz und Übernahmen werden in kommende Monate die Branche ein Stück weit umkrempeln."

Quelle: MyLogistics
Portal:  www.logistik-express.com

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