Das lange Warten auf die Brennstoffzelle
Seit vielen Jahren wird die Brennstoffzelle als mögliche Alternative zum herkömmlichen Verbrennungsmotor gehandelt und damit zum Hoffnungsträger für die Zukunft der Mobilität im Automobilbau hochstilisiert – sie ist quasi der „Evergreen“ alternativer Antriebe. Seit vielen Jahren forschen Experten in den großen Weltkonzernen und kompetenten Denkfabriken an dieser Technologie und tüfteln an deren Umsetzung. Und dennoch wird sich erst in vielen Jahren – wenn überhaupt – erweisen, ob die Brennstoffzelle je den erhofften Durchbruch schaffen wird. Drei Vorträge beim 37. Internationalen Wiener Motorensymposium beschäftigten sich Donnerstag Nachmittag mit dem Stand der Dinge und präsentieren unterschiedliche Lösungsansätze.
Für BMW spielt Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende Selbst nach mehr als 30 Jahren Forschung auf diesem Gebiet setzt Premiumhersteller BMW neben seinen jüngsten Aktivitäten rund um batteriebetriebene Elektrofahrzeuge weiter auch auf Wasserstoff und Brennstoffzelle, man sieht sogar neue Chancen heraufdämmern. Dipl.-Ing. Matthias Klietz, Hauptabteilungsleiter Forschung Antrieb der BMW Group, bezeichnete in seinem Vortrag die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie als „Schlüsselelement in der Energiewende“. Wasserstoff falle nämlich durch den derzeitigen Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion mit den damit verbundenen zeitlichen und räumlichen Stromüberschüssen bzw. Versorgungslücken eine Schlüsselrolle als speicherfähiger Energieträger zu. So könnten etwa Überschusskapazitäten, die bei der nachhaltigen Stromerzeugung durch Wind- und Sonnenenergie systembedingt anfallen, mittels Elektrolyse zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff genutzt werden. Einerseits langfristig als Energiespeicher, andererseits direkt als Kraftstoff für Wasserstoff-basierte Fahrzeuge. Wenn bei einer für das Jahr 2050 angenommenen Überschusskapazität von 120 Gigawatt nur 15 Prozent für die Mobilität genutzt würden, ließen sich damit drei Millionen Brennstoffzellen-Fahrzeuge (FCEV) ein Jahr lang betreiben, rechnete Dipl.-Ing. Matthias Klietz vor. Die Alltagstauglichkeit sei durch Tests nachgewiesen, von einem marktreifen Angebot sei man aber noch weit entfernt. Noch zu lösende Herausforderungen für einen erfolgreichen Durchbruch der Technologie: substanzielle Kostenreduzierung der Antriebskomponenten („Wir sind nicht in der Lage, ein solches System zu einem vernünftigen Preis anzubieten“), Aufbau einer Energiewirtschaft mit Wasserstoff als Speichermedium, Ausbau der Tankstelleninfrastruktur, so Matthias Kietz.
Weiter fahren: Magna Steyr und der Brennstoffzellen-Range-Extender
Wie können große Reichweiten im emissionsfreien Fahrbetrieb erreicht werden? Das scheint ja die Gretchenfrage zukünftiger Mobilität zu sein, denn am Markt verfügbare Alternativen wie Plug-in-Hybride oder Range Extender schaffen nur geringe Reichweiten emissionsfrei, und batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge verfügen zwar über etwas komfortablere Reichweiten, erfordern aber viel Geduld beim zeitintensiven Laden.
Als völlig neuen Zugang und weiteren Lösungsansatz für emissionsfreies Fahren auf der Langstrecke führt Magna Steyr Engineering ein Forschungs-Förderprojekt durch, das auf der frappierend einfachen aber technisch komplexen Idee basiert, Vorteile unterschiedlicher Technologien zu nutzen, um deren Nachteile zu kompensieren. Daraus entstand das Demonstratorfahrzeug FC REX, ein Zwitterwesen mit batterieelektrischem Antrieb und einer schadstofffreien Wasserstoff-Brennstoffzelle als Range Extender (herkömmliche Range Extender werden ja von kleinen Verbrennungsmotoren betrieben, die nicht völlig emissionsfrei arbeiten). Die Daten des Versuchsfahrzeugs: 130 km/h Höchstgeschwindigkeit, 100 km/h Konstantgeschwindigkeit, Beschleunigung 0-100 km/h 10,9 Sekunden, 70 km batterieelektrische Reichweite, 350 km kombinierte Reichweite.
Dipl.-Ing. Helfried Müller, Leiter Alternative Antriebssysteme in der Vorentwicklung bei Magna Steyr in Graz Thondorf, berichtete in seinem Vortrag über das Forschungsprojekt, das gemeinsam mit dem Institut der Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien und anderen Partnern durchgeführt wird.
Diesel statt Wasserstoff: Diese AVL-Brennstoffzelle ist ein „Allesfresser“
Einen ähnlichen Ansatz wie Magna verfolgt AVL List bei der Reichweitenverlängerung von batterieelektrischen Fahrzeugen. Die global agierende Denkfabrik aus Graz fokussiert die Bemühungen jedoch auf Brennstoffzellen, die praktisch mit allen konventionellen Kraftstoffen wie z.B. Diesel, Benzin, Methanol, Ethanol über eine Reformierung betrieben werden können. Bisher werden derartige „Allesfresser“ mit der Bezeichnung SOFC (Solid Oxid Fuel Cell) primär in der stationären Energiegewinnung eingesetzt. Beim aktuellen Forschungsprojekt soll – gemeinsam mit der TU Graz und anderen Partnern – die Tauglichkeit im mobilen Bereich untersucht werden. Dabei seien aber noch signifikante Verbesserungen notwendig, räumte Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger, verantwortlich für die globale Brennstoffzellenaktivität der AVL List GmbH, in seinem Vortrag ein. AVL werde mit den Partnern aber diese Technologie weiterentwickeln, um wettbewerbsfähige Produkte am Markt zu etablieren.
Wesentlich weiter dürfte die von AVL entwickelte SOFC-Lösung für schwere Nutzfahrzeuge als Zusatzgenerator sein. Die Brennstoffzelle dient zur umweltfreundlichen Stromerzeugung an Bord, um während oft stundenlanger Standzeiten das Bordnetz mit Energie versorgen zu können. So werden Klimaanlage, PC, Kühlschrank und andere Komfortfunktionen für den Lenker gespeist, ohne dass der Antriebsmotor am Stand laufen muss. Die Vorteile: niedrigere Spritkosten, weniger Lärmbelästigungen, geringere Schadstoffemissionen. In mehreren amerikanischen Bundesstaaten wurden bereits Regeln zur Einschränkung des Motorleerlaufs am Stand erlassen. AVL List sieht diese Entwicklung als vielversprechende Möglichkeit zur Bordstromversorgung in Trucks, so Jürgen Rechberger.