Der Handel wird zum Schrottplatz

Das neue Elektrogesetz (ElektroG) nimmt Hersteller von Elektrogeräten hierzulande in die Pflicht, sich um die Entsorgung ausgedienter Ware zu kümmern. Ab Ende Juli ist auch der Handel mit in der Verantwortung: Wer mehr als 400 Quadratmeter Verkaufs- oder Lagerfläche unterhält, muss Rücknahmestellen für Altgeräte anbieten, selbst wenn diese nicht bei ihm erworben wurden. Das stellt vor allem Online- und Versandhändler vor große Herausforderungen.

Autor: Bijan Peymani

Seit mehr als zehn Jahren gilt in Deutschland eine Registrierungspflicht für Hersteller und Importeure von Elektro- und Elektronikgeräten. Ohne eine entsprechende Anzeige bei der Stiftung Elektro-Altgeräte Register (EAR) in Fürth dürfen sie diese Produkte hierzulande weder präsentieren noch verkaufen oder anderweitig vertreiben. Die EAR erfasst unter anderem die in Verkehr gebrachten Mengen an Elektrogeräten und sorgt neben der Abholung von Altgeräten dafür, dass öffentlich genügend Sammelcontainer bereitstehen.

Das neue Gesetz nimmt nun erstmals auch die Händler in die Pflicht (siehe Kasten S. xx) – und stellt sie damit auch vor eine große logistische Aufgabe. Vor allem gegen die mit der Novelle einhergehende oder zumindest als solche empfundene Diskriminierung einzelner Vertriebswege laufen die zuständigen Branchenverbände Sturm. So müssen zwar sowohl stationäre als auch Online- und Versandhändler mit Ablauf der Übergangsfrist am 24. Juli 2016 in Deutschland umfangreichen Melde- und Informationspflichten nachkommen. Doch im Einzelhandel reicht es aus, für die Elektroaltgeräte von Kunden entsprechende Rückgabemöglichkeiten im Ladengeschäft vorzuhalten. „Online- und Versandhändler hingegen müssen Verbrauchern ein Netz von bundesweit mindestens 1.500 bis 2.000 Rückgabestellen anbieten“, betont Sebastian Schulz, Leiter Rechtspolitik & Datenschutz beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) in Berlin. Als Konsequenz erwartet Schulz „marktbereinigende Effekte zulasten der Anbietervielfalt“.

Bereits heute haben sich Online- und Versandhändler, die Elektrogeräte ins EU-Ausland verkaufen, in jedem Land einzeln zu registrieren. Dort werden sie dann als „Hersteller nach Elektroaltgerätegesetz“ behandelt. Die Registrierung müssen sie in Eigenregie oder über einen Bevollmächtigten in der Landessprache vornehmen, jährlich an das betreffende Land gelieferte Mengen an Elektrogeräten melden und auf Verlangen des entsprechenden Registers Altgeräte entsorgen lassen. Eine direkte Rücknahme entsteht im Ausland nicht.

„Alles in allem bedeutet es für einen europaweit verkaufenden Händler, unabhängig von der Menge, einen Kostenaufwand von mehreren 10.000 Euro“, rechnet Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel (BVOH) in Berlin, vor. Mit der Novelle des ElektroG kommen für den gesamten Handel hierzulande weitere Belastungen hinzu. Dabei bezweifeln Experten durchaus, dass das Gesetz das gesteckte Ziel erreicht, mehr Elektroschrott dem hiesigen Kreislauf der Wiederverwertung zuzuführen.

Nach Wahrnehmung von bevh-Jurist Schulz glaubt „nicht einmal der Gesetzgeber selbst wirklich an eine signifikante Steigerung der Recycling-Quote“. Ärgerlich sei zudem, dass die neuen Vorgaben des ElektroG teilweise im Widerspruch zu bestehenden Normen des Kreislaufwirtschaftsrechts stünden: „So wird das Recht des Händlers, die Annahme beschädigter oder verunreinigter Elektroaltgeräte ablehnen zu können, infolge seiner parallel bestehenden allgemeinen Pflichten als Abfallbesitzer regelmäßig ins Leere laufen.“

Mit Blick auf die Recycling-Quote hält BVOH-Präsident Prothmann eine „Zersplitterung der Rückgabewege“ für wahrscheinlich. Verbraucher, die ihren alten Toaster bislang zu einem Wertstoffhof gebracht hätten, würden ihn künftig auf ihre nächste Einkaufstour mitnehmen und im Laden lassen. Bisher aber bleiben die Rückgabefälle überschaubar. Großgeräte wie Geschirrspüler oder Waschmaschinen wurden und werden von den Händlern bei der Anlieferung des Neugeräts – oft als Serviceleistung – ohnehin mitgenommen und entsorgt.

Es ist zudem zweifelhaft, ob sich Online-Kunden in großer Zahl „den Aufwand antun, um E-Schrott und Gefahrgut quer durch die Republik zu versenden“, wie Prothmann illustriert. Doch selbst wenn Verbraucher ihre neuen Rechte ab Ende Juli nicht nutzen, müssen alle Händler Vorsorge treffen. Für Schulz steht das „ressourcenaufwändige und kostspielige Rücknahmesystem außer Verhältnis“. Wie zum Beleg beobachtet Andrea Menz, beim EAR Leiterin Recht, dass die Anforderungen aus der Novelle des ElektroG selbst sechs Monate nach Inkrafttreten „erst sehr langsam in den Fokus der Verpflichteten rücken“.

Es würden Pflichten auf die Händler umgelegt, ohne sie für Personal-, Verwaltungs- und Kostenaufwand zu entschädigen, beklagt Gerald Brietzke, bei der Einkaufsgemeinschaft Expert Abteilungsleiter Technik & Service, stellvertretend für die Branche. Doch es entsteht noch ein anderes Problem: „Gerade EU-Importe aus Fernost genügen regelmäßig weder den europäischen Produktstandards, noch kommen Händler ihren gesetzlichen Pflichten zur Lizensierung oder Rücknahme nach“, moniert Schulz, „der bevh steht mit der EU-Kommission im engen Austausch, um der darüber entstehenden Wettbewerbsverzerrung endlich ein Ende setzen.“

 

Handel in der Rücknahmepflicht
Ab dem 24. Juli 2016 ist in Deutschland erstmals auch der Handel unter bestimmten Bedingungen zur Rücknahme von Elektroaltgeräten verpflichtet. Betroffen sind stationäre Händler mit einer Verkaufs- sowie Online-Händler mit einer Lager- und Versandfläche für Elektro- und Elektronikgeräte von mehr als 400 Quadratmetern. Die Rücknahmepflicht besteht beim Kauf eines neuen Produkts für eines gleicher Geräteart beziehungsweise unabhängig davon für Geräte, deren äußere Abmessung nicht mehr als 25 Zentimeter beträgt. Die Grundlage bildet eine Novelle des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) vom 24. Oktober 2015. Für die Einrichtung der Rücknahmestellen sowie deren Anzeige bei der zuständigen Stiftung Elektro-Altgeräte Register (EAR) sah das Gesetz eine neunmonatige Übergangsfrist vor. Ziel der Neuregelung ist es, die Recycling-Quote zu erhöhen. (BP)

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