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Nachts geht die Post ab!

In Leipzig/Halle befindet sich seit 2008 der größte Flugfracht-Umschlagplatz von DHL Express. Wenn anderswo die Lichter ausgehen, geht’s hier erst richtig los, rund 1.500 Tonnen Fracht werden hier täglich ein- und ausgeflogen – eine 24/7 Start- und Landeerlaubnis macht’s möglich. Logistik express blickte hinter die Kulissen. 

Ein Besichtigungstermin kurz vor Mitternacht ist zwar ungewöhnlich, aber wer einen Frachtflughafen bei vollem Betrieb sehen möchte, nimmt das gerne in Kauf – und wird belohnt mit einer beeindruckenden Leistungsschau. Bei einer Investitionssumme von 300 Millionen Euro und einer Fläche von zwei Millionen Quadratmetern kann sich der Airhub wirklich sehen lassen. Pro Werktag starten hier 55 oder mehr Flugzeuge vom Typ Boeing 757-SF, Boeing 767F, Boeing 777F (AeroLogic), Airbus A 300, Tupolew Tu-204 oder Turboprop Maschinen in 53 verschiedene Städte, darunter Athen, Bahrain, Barcelona, Billund, Bologna, Wroclaw, Brüssel, Budapest, Cincinnati (USA), Frankfurt, Genf, Helsinki-Vantaa, Hong Kong, Kiew, Kopenhagen, Linz,  London Heathrow, Luxembourg, Lyon, Madrid, Moskau, München, New York-John F. Kennedy, Oslo, Ostrava, Paris, Prag, Riga, Rom-Ciampino, Seoul, Sharjah/VAE, Treviso, Toulouse, Turku, Vilnius und Warschau. Dabei werden rund 1.500 Tonnen Güter umgeschlagen. 
 
Helikopterblick
So ruhig es tagsüber ist, so emsig ist es nachts. Wie die Ameisen wuseln die Mitarbeiter herum, um die Flugzeuge rasch zu ent- und beladen. Gut 3.000 Mitarbeiter gibt es an dem Standort, davon 74 Lehrlinge. Vom Network Control Center aus haben rund 20 Mitarbeiter die Prozesse im Griff. Es gibt ein automatisiertes Flugzeug-Leitsystem, aber alles andere überwachen aufmerksame Augen über unzählige Monitore, die im Halbdunkel flimmern. „Die Sendungen unserer Keyaccounts monitoren wir live“, erklärt Philippe Bauer, stv. Geschäftsführer und Security-Chef vor Ort. „Gibt es eine Unstimmigkeit, bleibt ein Zeitfenster von maximal 15 Minuten, um die dementsprechende Anfrage des Qualitätsmanagers zu beantworten und den Fehler zu beseitigen.“ 
 
Klotzen, nicht kleckern
Einen Frachtflughafen komplett neu zu bauen, bringt unterschiedliche Vorteile. Man hat z.B. die Möglichkeit, nachhaltige Ideen ins Konzept einfließen zu lassen. „Mit der integrierten Kraft-Wärmekupplung decken wir nahezu den gesamten Energiebedarf für Elektrizität, Heizung und Kühlung ab. Hinzu kommen gut 1.000 m² Solarzellen auf dem Hangardach, wodurch wir die CO2-Emissionen um über 3.000 Tonnen reduzieren konnten“, zählt Bauer auf. Durch den Regenwassertank werden jährlich rund 3.000 m³ Trinkwasser eingespart. Im Inneren des Hubs befindet sich eine der größten Sortieranlagen Europas, realisiert durch Vanderlande Industries. 70 Millionen Euro hat sie gekostet, dafür bietet sie 6,5 km Fließbänder, auf denen stündlich bis zu 60.000 Pakete und 36.000 Dokumente sortiert werden. Die Halle ist 48.000 m² groß, 16 m hoch und beherbergt 260 Be- und Entladestellen für Luftfrachtcontainer. 
 
Rein und raus
Kaum ist ein Flugzeug gelandet, werden die Frachtcontainer mittels beweglicher Hebebühne ausgeladen und zum Sortierzentrum transportiert. Mit Hilfe im Boden befindlicher kleiner Rollen ziehen die Mitarbeiter die bis zu 7 Tonnen schweren ULD-Container zur Entladestelle. Während Gefahrgut und schwere Ladungen separat abgewickelt werden, erfolgt hier die Trennung nach Paketen und Dokumenten. Vier Hauptbänder befördern die Packstücke ins Obergeschoss, ein Sechs-Seiten-Eingangsscanner sorgt für die Vorprogrammierung der Strecke durch die gesamte Anlage und den kürzesten Weg zur Zielrutsche. Dank Lichtschranken und Zwischenstopps kommt es zu keinen Kollisionen, Dokumente landen in eigenen Beuteln, die nach Zielflughäfen beschriftet sind. Schließlich gelangen die Sendungen in den Beladebereich – und hier fühlt man sich wie in einem überdimensionalen Tetris: „Das Ziel ist, so viel Gewicht wie möglich in jeden Container zu packen. Das bedeutet aber auch viele kleine Pakete und längere Ladezeiten“, weiß Bauer. Geschickt nimmt der Mitarbeiter die Pakete von der Rutsche – noch ein Kontrollscan, ob eh alles passt – und schlichtet sie sorgsam in den Container, so dass nicht die kleinste Lücke bleibt. Tetris eben. Und schon wird der volle Container wieder hinaus gerollt, wo ein Dolly ihn aufs Vorfeld bringen wird. Auf einer der 64 Parkpositionen wartet schon die gelbe Maschine – etwa 60 Prozent der Flotte gehören DHL. Damit denen nicht der Treibstoff ausgeht, steht gleich nebenan ein Tanklager mit 11 Millionen Litern Kerosin. 
 
DHL Express Österreich
Bei solch einer Besichtigung dürfen natürlich auch Konzerninformationen nicht fehlen. „In Österreich haben wir aktuell 52 % Marktanteil, beim Dokumentenversand sind es sogar 75 %“, verkündet Ralf Schweighöfer, Managing Director bei DHL Express Austria. Rund 1.000 Mitarbeiter gibt es österreichweit in den 10 Niederlassungen, Standardpaket gibt es allerdings keines mehr – dafür wird das Thema Sicherheit großgeschrieben: „All unsere Mitarbeiter haben ausnahmslos ein zu 100 Prozent weißes Leumundszeugnis, das regelmäßig erneuert werden muss. Gerade beim Dokumentenversand haben Sicherheit und Vertrauen oberste Priorität.“ Es ist schon fast 2 Uhr nachts, Zeit, ins Hotel zurückzukehren. Und ich weiß schon, wovon ich träumen werde. 

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