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Qualität in der Lehre

Das Angebot an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten wächst rasant, der Durst nach Wissen steigt mit dem Erfolgsdruck. Doch entsprechen all die vermittelten Inhalte  tatsächlich dem, was in der Zukunft gebraucht wird? Wie definiert sich eigentlich Qualität in der Lehre.

Viele erinnern sich nur noch mit Schrecken an die Schulzeit zurück, an schier endlose Stunden am Schreibtisch, an Unmengen an Lernstoff, der durch ständiges Wiederholen quasi in unser Gedächtnis eingehämmert werden sollte – zumindest bis nach der nächsten Prüfung, dann war das Wissen wieder verschwunden. Aber ergibt ein solches Vorgehen tatsächlich Sinn? „Nein“, lautet die klare Antwort auf diese Frage, wenn es nach Dr. Thomas Wallner, Professor für Systemtheorie und SCM an der Fachhochschule Steyr, geht.

In die Zukunft schauen
„Wer sich Gedanken über Lerninhalte macht, sollte nicht darauf schauen, was gerade gebraucht wird, sondern darauf, wie die Zukunft aussieht, denn Lernprozesse sollten immer zukunftsgerichtet sein“, erklärt er. Natürlich sei es wichtig, sich bei der Erstellung von Lehrplänen nach den Bedarfen am Markt zu orientieren, allerdings nur, wenn es sich um unternehmensinterne Weiterbildung oder Kurzseminare handle – nicht jedoch um mehrjährige Ausbildungsprogramme. Dabei könne man anhand von Indikatoren bereits heute ersehen, in welche Richtung sich der Bedarf entwickle, und dementsprechende Angebote erstellen.

Weg vom Gießkannenprinzip
„Alle reden von einem Überangebot an Wissen, beispielsweise im Internet. Trotzdem wird an den Hochschulen genau das angeboten – nämlich Wissen. Dabei kann eine Fachhochschule nie das aktuell Geschriebene und Erforschte aufarbeiten und in den Lehrplänen tagesaktuell sein, hier ist das Internet den Institutionen eindeutig überlegen. Daher sollten wir von dieser Tradition abkommen und nicht reines Wissen vermitteln, sondern viel eher, wie man sich Informationen zugänglich macht, diesen Bedeutung zumisst, sie bewertet, strukturiert und sich dann zu Nutzen macht.“

Wallner sieht vier Kompetenzfelder, die zu vermitteln Aufgabe der Ausbildungsstätten sein sollte: Fach-, Methoden-, soziale und persönliche Kompetenz: „Bei der Fachkompetenz geht es darum, ein solides Grundgerüst zu schaffen, das auf Verstehen basiert. Hierzu gehören die wesentlichen Begriffe eines Bereiches ebenso wie die wichtigsten Anwendungsfelder sowie die Verlinkungen in die Anwendungen selbst. Dank der richtigen, erlernten Methoden wird dieses Wissen auf konkrete Fallbeispiele umgelegt.“ Die persönliche Kompetenz wiederum bestünde aus emotionaler Intelligenz und Intuition. „Die Herausforderung besteht darin, über eigene hinderliche emotionale Reaktionen hinauszuwachsen und ergebnisorientiert zu handeln“, beschreibt Wallner. Seiner Meinung nach ist die Intuition mächtiger in der Beurteilung komplexer Materie als die Kognition, da sie auf der Summe der Erfahrungen basiert. „Leider lassen sich Bauchentscheidungen schwer begründen“, seufzt Wallner, „eine gute Schule muss das Vertrauen in die Intuition fördern und Substanz bieten, sie aufzubauen.“

Learning by doing
„Verständnis entsteht durch vielfältige Erfahrungen. Der Begriff ‚Lehre‘ ist eigentlich falsch, Lehren funktioniert nicht, denn Lernen ist eine Aktivität, die nicht oktroyiert werden kann. Aufgabe der Lehrer muss daher sein, Lernprozesse zu ermöglichen“, plädiert Wallner für eine neue Herangehensweise. Untermauert werden seine Ausführungen von den neuesten neurophysiologischen Erkenntnissen: das Gehirn funktioniert als „Regelextraktionsmaschine“ von unten nach oben, das bedeutet, aus vielen wiederkehrenden Einzelerfahrungen entsteht eine Regel. Je mehr Erfahrungen man macht und je mehr Sinne darin eingebunden sind, desto schneller läuft dieser Prozess ab. Das Ergebnis dieser ständigen Verarbeitung der Eindrücke ist die Entwicklung eines Grundverständnisses, eines „Gefühls“ für die Materie – und genau das sollte eines der Hauptziele der Ausbildung sein. „Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen, auf die im Lernprozess eingegangen werden müsste. Man sollte weniger an Defiziten basteln, sondern vorhandene Potenziale entwickeln – aber dazu muss man sie erst entdecken“, meint Wallner. Genau zu diesem Zweck wurde an der FH das KEU®-Leadership Konzept (Kreativität, Entscheidung, Umsetzung) entwickelt, wo dieser Ansatz umgesetzt wird.

Quelle: Logistik express Ausgabe Nr.3|2009

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